Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils
Wenn zwei sich streiten – sollte einer gehen. Das ist nicht anders in einer GmbH, in der Gesellschafter aneinander geraten. Differenzen enden dann im Ausschluss eines Gesellschafters. Ein anderes Problem mit Gesellschaftern kann entstehen, wenn er mitarbeitet.
Was können Folgen einer Zwangseinziehung des Geschäftsanteils sein?
Sie hätte den Ausschluss Ihres Gesellschafters aus der GmbH zur Folge. Der Verlust der Gesellschafterstellung tritt ein:
- mit Beschlussfassung
- durch Mitteilung an den Betroffenen über den Einziehungsbeschluss, falls er nicht bei der Beschlussfassung anwesend war.
Sodann können Sie als GmbH eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen. Ihr betroffener Gesellschafter hat gegen Sie als Gesellschaft einen Abfindungsanspruch.
Wie hoch ist der Abfindungsanspruch?
Enthält der Gesellschaftsvertrag hierzu keine andere Regelung, in der Höhe des vollen wirtschaftlichen Wert des Geschäftsanteils des Betroffenen.
Können Sie als GmbH die Geschäftsanteile einziehen?
Ja, allerdings nach § 34 Abs. 1 GmbHG nur, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Sollte sich dort keine Regelung zur Einziehung befinden, so können Sie als GmbH den betreffenden Gesellschafter nur auf gerichtlichem Wege mittels Ausschlussklage aus der Gesellschaft ausschließen lassen. Bedenken Sie als GmbH aber: Eine Ausschlussklage
- ist riskant
- dauert lange
- ist teuer
Deshalb sollten Sie Möglichkeit und Voraussetzungen einer Einziehung von Geschäftsanteilen in der GmbH-Satzung geregelt haben.
Brauchen Sie als GmbH einen Grund für die Einziehung?
Ja, Sie benötigen für den Ausschluss einen sachlichen Grund, wenn die Einziehung der Geschäftsanteile ohne das Einverständnis des betroffenen Gesellschafters erfolgt. Der Grund dafür ergibt sich idealerweise aus dem Gesellschaftsvertrag. Fehlt es dort an einer solchen Regelung zu den Einziehungsgründen, können Sie als GmbH den betreffenden Gesellschafter nur aus wichtigem Grund ausschließen, z.B. wenn:
- keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich
- eine Zusammenarbeit unzumutbar
- Verstoß gegen gesellschaftliche Treuepflicht vorliegt.
Wer kann die Einziehung beschließen?
- die Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 4 GmbHG mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen nach § 47 GmbHG, wenn die Satzung der Gesellschaft keine andere Regelung vorsieht
- andere Organe der Gesellschaft, wenn die Satzung der GmbH diese Zuständigkeit auf es übertragen hat, wie z.B.:
- den Aufsichtsrat
- den Beirat
- die Geschäftsführung Beim Einziehungsbeschluss entscheidet.
Der betroffene Gesellschafter hat grundsätzlich zwar ein Stimmrecht, jedoch nur, wenn
- die Zwangseinziehung aus Gründen erfolgt, die in seiner Person liegen,
- oder der Gesellschaftervertrag das Stimmrecht ausdrücklich ausschließt.
Für die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses ist das Vorliegen aller allgemeinen Regelungen über Gesellschafterbeschlüsse, insbesondere die Formvorschriften, Voraussetzung. In der Einladung zur Gesellschafterversammlung kündigen Sie als GmbH den Beschluss über die Zwangseinziehung an, samt detaillierter Angabe der Einziehungsgründe.
Der Beschluss über die Einziehung ist nichtig, wenn zum Zeitpunkt der Einziehung feststeht, dass Sie als GmbH dem ausgeschlossenen Gesellschafter den ihm zustehende Abfindungsbetrag nicht aus Ihrem freien Vermögen als GmbH auszahlen können; aus dem Stammkapital Ihrer GmbH dürfen Sie die Abfindung nicht zahlen.
Kann der betroffene Gesellschafter den Einziehungsbeschluss überprüfen lassen?
Ja, und zwar vollständig per Gericht mittels einer kassatorischen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage. Die Anfechtungsfrist beträgt einen Monat ab Bekanntwerden des Einziehungsbeschlusses durch den ausgeschlossenen Gesellschafter, sofern die Satzung der GmbH keine andere Frist vorsieht.
Was bedeutet das für Ihre Praxis einer Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils?
Beachten Sie folgende Punkte:
- Ist die Zwangseinziehung laut Satzung zulässig?
- Liegt ein Einziehungsgrund vor gemäß Satzung bzw. wichtiger Grund)?
- Ist die Beschlussfassung wirksam aufgrund
- Zuständigkeit der beschließenden Organe,
- Mehrheitsbeschluss,
- Formvorschriften?
- Können Sie als GmbH die Abfindung an den ausgeschlossenen Gesellschafter in der erforderlichen Höhe des wirtschaftlichen Wertes des Geschäftsanteils des Betroffenen und aus dem freien Vermögen Ihrer GmbH zahlen?
À propos GmbH-Gesellschafter: ist er sozialversicherungspflichtig, wenn er mitarbeitet?
Wie meistens bei juristischen Fragen lautet die Antwort: es kommt darauf an. Zunächst gelten auch für mitarbeitende GmbH-Gesellschafter allgemeine Kriterien. Anhaltspunkte für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sind insbesondere:
- eine weisungsgebundene Tätigkeit
- eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des potenziellen Arbeitgebers.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Unternehmen liegt das regelmäßig vor, wenn der Beschäftigte umfassend in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist nach:
- Zeit
- Dauer
- Ort
- Art der Ausführung
Demgegenüber ist eine sozialversicherungsfreie selbstständige Tätigkeit vornehmlich gekennzeichnet durch:
- eigenes Unternehmensrisiko
- Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte
- Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft
- im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit
Dann kommt es aber auf das Gesamtbild der Tätigkeit an. Sie ist für die Beurteilung entscheidend und nicht einzelne Merkmale. In Streitfällen kommen regelmäßig beide Merkmale vor:
- die für eine abhängige Beschäftigung
- die für eine selbstständige Tätigkeit
Entscheidend ist, welche Merkmale überwiegen.
Und? Welche überwiegen?
Das war die große Frage in einem Streitfall, über den das Bundessozialgericht (BSG) 2022 zu entscheiden hatte (BSG, 13.12.2022, Az.: B 12 KR 16/20 R).
Worum ging es in dem Fall?
Um einen Geschäftsführer A, der mit 50 Prozent an der C-GmbH beteiligt war. Und gleichwohl entschied das Gericht auf Sozialversicherungspflicht. Der andere Gesellschafter war der Geschwister B. Auch dieser war zu 50 Prozent an der Gesellschaft beteiligt. B ist alleiniger Geschäftsführer mit entsprechendem Anstellungsvertrag. A ist Betriebsleiter für die Bereiche Einkauf und Logistik und hat weitgehende Handlungsvollmacht, aber keine Prokura. Er erhält sowohl ein Festgehalt als auch eine gewinnabhängige Tantieme.
Ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit dem A liegt nicht vor, aber der Gesellschaftsvertrag enthält folgende Regelung: „Der Abschluss von Verträgen mit Gesellschaftern zur Mitarbeit in der Gesellschaft, deren Änderung oder Beendigung sowie die Regelung sämtlicher aus diesen Verträgen resultierenden Folgen obliegen ausschließlich der Gesellschafterversammlung. Diese entscheidet hierüber durch Gesellschafterbeschluss, wobei der betreffende Gesellschafter in jedem Fall stimmberechtigt bleibt.“
Die Kriterien einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gelten auch für einen mitarbeitenden Gesellschafter, der in einer GmbH beschäftigt ist. Ein GmbH-Gesellschafter, der in der Gesellschaft angestellt und – wie im vorliegenden Fall – nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, ist nach Auffassung des BSG regelmäßig abhängig beschäftigt.
Wie begründet das Gericht diese Auffassung?
Damit, dass er „allein aufgrund der gesetzlichen Gesellschafterrechte noch nicht die Rechtsmacht“ besitze, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben. „Denn“, so führt es weiter aus, „das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der GmbH obliegt – sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist – nicht der Gesellschafterversammlung, sondern ist Teil der laufenden gewöhnlichen Geschäftsführung. Erst unter besonderen Bedingungen, etwa wenn Gesellschafter kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Position auch die Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer haben, unterliegen sie nicht mehr dessen Weisungsrecht.“
Was ist für das Weisungsrecht entscheidend?
Der Einfluss auf die Geschäftsführung. Von Bedeutung waren dagegen die Ausführungen des Gerichts, dass der A nicht die Rechtsmacht hat, seine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Geschäftsführer aufzuheben oder abzuschwächen. Er konnte über seinen Einfluss in der Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer keine Anweisungen erteilen, weil es immer der Zustimmung seines Bruders bedurft hätte. Das wurde ihm hier zum Verhängnis. Im Ergebnis blieb es also, trotz 50-%-Anteil an der GmbH, bei der Sozialversicherungspflicht des mitarbeitenden, aber nicht geschäftsführenden Gesellschafters.
Schon die Vorinstanz hatte geurteilt, dass die „Verhinderungsmacht“ des A, nämlich aufgrund seines 50-Prozent-Anteils, in der Gesellschafterversammlung für die Annahme einer sozialversicherungsfreien Tätigkeit nicht ausreicht. Denn: Es fehle an einer im Hinblick auf die Unternehmensführung erforderlichen „Gestaltungsrechtsmacht“.
Auf Grundlage des Arbeitsvertrages sind Sie als Arbeitgeber dazu berechtigt, Ihren Arbeitnehmern Anweisungen zu erteilen oder die erwarteten Arbeitsleistungen konkret zu definieren. Dieses Recht wird als „Direktionsrecht“ oder auch „Weisungsrecht“ bezeichnet und ergibt sich aus § 106 Gewerbeordnung (GewO) sowie § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das Direktionsrecht bedeutet hingegen nicht eine uneingeschränkte Macht für Sie als Arbeitgeber, Ihre Arbeitnehmer willkürlich zu behandeln.
Generell ergeben sich bereits Inhalte und Grenzen des Direktionsrechtes aus dem Arbeitsvertrag selbst. Um diese Grenzen so klar wie möglich definieren zu können, rät „JuraForum“ deshalb bereits im Arbeitsvertrag so detailliert wie möglich die Arbeitsleistungen zu erläutern. Die Zumutbarkeit der zugewiesenen Tätigkeiten spielt der Juraplattform zufolge ebenfalls eine Rolle bei den Grenzen des Direktionsrechtes.
Dies ist gemäß § 315 Abs. 2 BGB der Fall, wenn die „Ausführung einer Anweisung dem Arbeitnehmer nach Billigkeitsgrundsätzen nicht zugemutet werden kann“. Demnach dürfen die schützenswerten Interessen eines Arbeitnehmers nicht hinter den Interessen des Arbeitgebers zurückstehen. Ihr Arbeitnehmer darf nicht in einen Gewissenskonflikt geraten, was zum Beispiel der Fall sein könnte, wenn eine überzeugte Vegetarierin von der Käse- in die Fleischabteilung eines Supermarktes versetzt werden würde.
Wie beurteilte das Gericht den Umstand, dass es überhaupt keinen schriftlichen Anstellungsvertrag gab?
Das war für es nicht entscheidend. Dies – so die Richter – hat für die sozialversicherungsrechtliche Statuszuordnung keine Bedeutung.