Wir gründen eine Europäische Aktiengesellschaft
Ihr Unternehmen ist in mehreren Mitgliedstaaten der EU tätig? Oder Sie wollen es werden? Sie wollen dort nicht jeweils umständlich eine neue Tochtergesellschaft gründen? Mit all den unterschiedlichen nationalen Rechtsformen? Dann ist die SE richtig für Sie. Also: gründen wir eine!
Was heißt und wofür steht das Kürzel „SE“?
Für den lateinischen Begriff Societas Europaea (SE), also die Europäische Aktiengesellschaft. Dabei handelt es sich um eine Rechtsform europäischen Rechts. Für sie gelten
- vorrangig europäische Regelwerke
- nachrangig nationale Anpassungsgesetze
Was sind das für Regelwerke?
Es gibt nicht ein SE-Gesetz. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben die Möglichkeit, durch nationale Umsetzungsgesetze eigene Akzente in nicht geregelten Bereichen zu setzen und vorgesehene europäische Wahlmöglichkeiten auszunutzen. Die SE unterliegt der europäischen Verordnung und bei dort nicht geregelten Aspekten den jeweils nationalen Vorschriften.
Auf europäischer Ebene
- die EU-Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO)
- die EU-Richtlinie über die Rechte der Arbeitnehmer
- die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft, damit angesichts unterschiedlicher Regeln und Praktiken in den EU-Ländern hinsichtlich der Beteiligung von Arbeitnehmervertretern auf unternehmerische Entscheidungen keine Arbeitnehmerrechte verschwinden oder eingeschränkt werden.
Auf nationaler deutscher Ebene ergänzt durch:
- das Gesetz zur Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft
- das Ausführungsgesetz zur SE (SEAG)
- das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft
Soweit davon nicht erfasst durch:
- das Aktiengesetz
- das Handelsgesetzbuch
Was ist die SE?
Im Grunde wie eine deutsche Aktiengesellschaft eine börsen- und rechtsfähige Gesellschaft, deren Kapital in Aktien zerlegt ist. Als eigene Rechtspersönlichkeit kann sie selbst Träger von Rechten und Pflichten sein:
„Die SE gilt als Aktiengesellschaft […]“ (Art. 3 SE-VO).
„Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verordnung wird eine SE in jedem Mitgliedstaat wie eine Aktiengesellschaft behandelt, die nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründet wurde.“ (Art. 10 SE-VO)
Wie kennzeichnen Sie Ihre SE?
Durch den voran- oder – wie in Deutschland üblich – nachgestellten Zusatz „SE“, z.B. BASF SE. Diesen Zusatz nützen Sie nur als eine Europäische Aktiengesellschaft, für andere Gesellschaftsformen ist er nicht zulässig. Hat Ihre Gesellschaft vor Einführung der SE bereits den Zusatz SE genutzt, brauchen Sie Ihre Firmenbezeichnung nicht zu ändern. Achten Sie deswegen darauf, ob es sich um die Rechtsformbezeichnung oder einen alten Firmennamen handelt!
Wo ist Ihre SE angesiedelt?
Ihren Sitz hat Ihre SE in der EU in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung Ihrer SE befindet. Ein Mitgliedstaat kann darüber hinaus Ihrer in seinem Hoheitsgebiet eingetragenen SE vorschreiben, Sitz und Hauptverwaltung am selben Ort zu haben.
Können Sie als SE Ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen?
Ja, das ist ein Vorteil der SE. Dazu brauchen sie nicht erst die Gesellschaft in dem einen Mitgliedstaat aufzulösen und in dem anderen Mitgliedstaat neu zu gründen. Beachten Sie dabei folgende besondere Regelungen:
- Das Leitungs- oder Verwaltungsorgan Ihrer SE erstellt einen Verlegungsplan und legen ihn offen mit Angaben zur bisherigen Firma, bisherigen Sitz und bisherige Registriernummer der SE nebst folgender weiterer Angaben:
- vorgesehener neuer Sitz der SE
- für die SE vorgesehene Satzung sowie gegebenenfalls neue Firma
- etwaige Folgen der Verlegung für die Beteiligung der Arbeitnehmer
- vorgesehener Zeitplan für die Verlegung
- etwaige zum Schutz der Aktionäre oder Gläubiger vorgesehene Rechte
- Das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan Ihrer SE erstellt einen Bericht über rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Verlegung und Begründung sowie detaillierter Auswirkungen der Verlegung für Aktionäre, Gläubiger sowie Arbeitnehmer.
- Den Verlegungsbeschluss erfolgt frühestens zwei Monate nach der Offenlegung des Verlegungsplans.
- Ihre SE schützt bei Verlegung die Interessen bestimmter Interessengruppen wie z.B.
- Minderheitsaktionäre
- Gläubiger
Sie erstattet darüber teilweise Bericht. Für die erforderliche formale Feststellung sind Gerichte, Notare oder andere Behörden zuständig. Ohne eine solche ist eine Registereintragung im neuen Mitgliedstaat nicht möglich.
- Sie könnend den Sitz Ihrer SE nicht verlegen, wenn gegen sie ein Verfahren wegen Auflösung, Liquidation, Zahlungsunfähigkeit oder vorläufiger Zahlungseinstellung oder ein ähnliches Verfahren eröffnet worden ist.
Was beachten Sie bei der Abfassung der Satzung?
Wie bei anderen Kapitalgesellschaften ist eine Satzung oder ein Gesellschaftsvertrag Grundlage für das Handeln Ihrer SE – mit allem Drum und Dran wie notarieller Beurkundung und anschließender Eintragung ins Handelsregister, in Deutschland in Abteilung B; Änderungen der Satzung erfordern ebenfalls notarielle Beglaubigung und Eintragung in das Handelsregister. Die Satzung ist ein wichtiges rechtliches Dokument zu Gründung und Organisation Ihres Unternehmens, eine Art Verfassung oder Grundgesetz Ihres Unternehmens mit den wesentlichen Informationen über:
- Gesellschaft
- ihre Struktur
- Zwecke
- Regeln
- Verfahren
- Name des Unternehmens
- Sitz
- Gegenstand des Unternehmens
- Stammkapital
- Anzahl der Geschäftsanteile
- Geschäftsführung
- Vertretungsregelungen
- Rechte und Pflichten der Gesellschafter
Die in Deutschland erforderlichen Pflichtangaben ergeben sich aus der SE-VO, dem SEAG und dem deutschen Aktienrecht. Die Satzung ist verbindlich für alle Gesellschafter und die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft.
Was steht in der Satzung?
In der Satzung der SE sind nach SE-VO folgende Aspekte pflichtmäßig zu regeln:
- die Entscheidung, ob das monistische oder dualistische System genutzt wird
- Bestimmung der Anzahl der Mitglieder in den Organen und deren Amtsdauer
- Festlegung der Sitzungsperioden des Verwaltungsrats (mindestens alle drei Monate)
- Bestimmung der zustimmungspflichtigen Geschäfte
- Sicherstellung des Gleichlaufs der SE-Satzung mit der Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer
Aufgrund des deutschen Aktienrechts sind weitere Pflichtinhalte:
- die Gründer
- die Firma und der Sitz der Gesellschaft
- der Gegenstand des Unternehmens: Namentlich ist bei Industrie- und Handelsunternehmen die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher anzugeben.
- die Höhe des Grundkapitals – das Mindestgrundkapital beträgt 120.000 € und lautet auf Euro: Die einzelnen Mitgliedstaaten können ein höheres Mindeststammkapital vorsehen.
- die Zerlegung des Grundkapitals entweder in Nennbetragsaktien oder in Stückaktien, bei Nennbetragsaktien deren Nennbeträge und die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags, bei Stückaktien deren Zahl, außerdem, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien und die Zahl der Aktien jeder Gattung
- ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen ausgestellt werden
- Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft enthalten
Können die Aktionäre die Satzung mit gestalten?
Ja, sie haben einen weitergehenden Gestaltungsspielraum in der Satzung. Häufig anzutreffende freiwillige Regelungen betreffen beispielsweise:
- Regeln zur Wiederbestellung von Organmitgliedern
- Mehrheitserfordernisse bei Beschlüssen der Organe
- Regeln zur Beschlussfähigkeit
- Bestimmung von Wahlverfahren
- Zulässigkeit verschiedener Formen einer Abstimmung schriftlich oder elektronisch
- Geschäftsordnung
- Vertretungsregeln
- Teilnahme von Dritten an Sitzungen
Wo erfolgt die Eintragung der SE und geschieht damit?
Im Handelsregister. Zuständig ist das Registergericht, in dessen Bezirk Ihre SE ihren Sitz hat. Das Registergericht übermittelt die Angaben innerhalb eines Monats nach Eintragung an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. Die SE wird sodann im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt gemacht.
Wie erfolgt die Gründung Ihrer SE?
Grundsätzlich nach Aktienrecht des Landes, in dem sie gegründet wird. Mit dem Tag der Eintragung in das Handelsregister entsteht die SE rechtskräftig mit allen Rechten und Pflichten. Die europäische Richtlinie lässt die Gründung zu als:
- Verschmelzung: zwei oder mehr rechtlich eigenständige Unternehmen legen ihre Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse zusammen zu einer neuen oder einer erweiterten bestehenden Gesellschaft durch Aufnahme einer anderen Gesellschaft in die neue SE als der aufnehmenden Gesellschaft oder Verschmelzung einer neuen Gesellschaft auf eine bestehende Gesellschaft in Form einer SE. Bei den zu verschmelzenden Unternehmen handelt es sich um Aktiengesellschaften mit Sitz sowie Hauptverwaltung in der Gemeinschaft, sofern mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen.
Unterschätzen Sie dabei nicht die Komplexität des Verschmelzungsvorgangs! Ohne Profis an Ihrer Seite ist sie nicht möglich, schon wegen der notwendigen notariellen Beurkundungen. Zur Vorbereitung gehört ein vom zu erstellender Leitungs- oder Verwaltungsrat und von der Hauptversammlung zu genehmigender Verschmelzungsplan z.B. über:- Umtauschverhältnis der Aktien
- Gewinnbeteiligungsrechte
- Angaben zur Beteiligung von Arbeitnehmern
- Umgang mit Sonderrechten von Aktionären
- Abfindungsangebote an ausscheidende Aktionäre.
- Holding-SE: Aktiengesellschaften und in Sonderheit Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach Recht eines Mitgliedstaats mit Sitz und Hauptverwaltung in der EU können die Gründung einer Holding-SE anstreben, sofern mindestens zwei von ihnen
- dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder
- seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben.
Die Inhalte des zu erstellenden Gründungsplans sind den eines Verschmelzungsplanes ähnlich.
- Tochter-SE: Aktiengesellschaften nach Recht eines Mitgliedstaats und mit Sitz sowie Hauptverwaltung in der EU können eine Tochter-SE durch Zeichnung ihrer Aktien gründen, sofern mindestens zwei von ihnen – wie bei der Holding-Gründung – dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines solchen anderen unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben.
- Umwandlung einer bestehenden Aktiengesellschaft: Eine EU-konforme Aktiengesellschaft können Sie in eine SE umwandeln, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft hat.
Der deutsche Gesetzgeber hat zu Verschmelzung und Gründung einer Holding-SE noch weitere Vorschriften erlassen (§§ 5 bis 11 SEAG). Sie sollen überwiegend dem Schutz von Aktionären dienen.