26.03.2022

Wie nutzen Sie als Geschäftsführer einer GmbH den Nießbrauch?

Nießbrauch – ein seltsamer Begriff aus dem Mittelalter mit hochaktueller Bedeutung für Steuersparer an der Spitze von GmbHs. Sie als Inhaber von GmbH-Anteilen sollten hier ganz besonders auf einige Fallstricke achten.

Nießbrauch

Nießbrauch – hört sich an wie Taschentuch. Was heißt es wirklich?

Wortherkunft

Das hat natürlich nichts mit gebrauchten Taschentüchern zu tun. Es gibt ein ähnliches Wort im Deutschen, Nutznießer, das – ganz abgesehen von der ebenfalls verschiedenen Schreibweise – auch nichts mit „niesen“ zu tun hat. Eher haben beide Wortstämme „nießen“ etwas zu tun mit dem „nießen“, das etymologisch verwandt ist mit dem „nutzen“: im Sinne des Tätigkeitsworts „genießen“, also „etwas mit Wohlbehagen nutzen“.

Im rechtlichen Sinne

Um dem rechtlichen Sinn von „Nießbrauch“ näher zu kommen, lohnt ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Dessen § 1030 definiert den „Gesetzlichen Inhalt des Nießbrauchs an Sachen“ als Belastung einer Sache in der Weise, dass „derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen“ oder „durch den Ausschluss einzelner Nutzungen“ zu beschränken, sein § 1089 den „Nießbrauch an einer Erbschaft“ analog zu den Vorschriften der §§ 1085 bis 1088 zu Nießbrauch an Vermögen, den Rechten der Gläubiger des Bestellers, Verhältnis zwischen Nießbraucher und Besteller bzw. der Haftung des Nießbrauchers.

Rechte und Pflichten sichern

Mit einem Nießbrauchrecht können Sie sich also Rechte und Pflichten sichern, selbst wenn Sie Werte übertragen. In der Vergangenheit wurde der Nießbrauch zumeist bei Immobilien vereinbart.

Markus Grundmann definiert entsprechend auf „immowelt.de“ Nießbrauch als das Recht, „ein Haus oder ein Grundstück zu bewohnen und nach eigenem Ermessen zu nutzen“. https://www.immowelt.de/ratgeber/wohnen/niessbrauch

Das sei besonders für Menschen interessant, die ihr Eigenheim zu Lebzeiten an ihre Nachkommen weitergeben möchten. Lassen diese sich Nießbrauchrechte einräumen, hätten sie ein Recht darauf, auch in Zukunft ihre Immobilie so zu nutzen, als wären sie der Eigentümer.

Nießbrauch an einer Sache oder einem Recht

Jetzt wird das Nießbrauchrecht zunehmend auch bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen genutzt. Nießbrauch kann an einer bestimmten Sache, eben etwa einer Immobilie, oder an einem Recht wie z.B. einer bestimmten Forderung bestellt werden. Dem Nießbraucher stehen dann die Früchte aus der Vereinbarung wie etwa Mieten oder Zinsen zu. Zumal mittelständische Unternehmen machen von der Übertragung von GmbH-Anteilen gegen die Einräumung eines Nießbrauchrechts Gebrauch.

Welche Arten von Nießbrauch gibt es?

Man unterschiedet zwischen Vorbehalts-, Zuwendungs- und Vermächtnisnießbrauch u.a. mit unterschiedlicher Auswirkung auf die steuerliche Behandlung. Beim Vorbehalts- und Vermächtnisnießbrauch rechnet man die Erträge dem Nießbraucher zu. Ihr Nießbrauchnutzer hat sich lediglich die Rechte, die ihm schon vorher zustanden, weiter vorbehalten. Dem früheren Gesellschafter der GmbH fließen weiter steuerpflichtige Dividenden zu, obwohl er nicht mehr an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Insofern ändert sich steuerlich – mit Sicht auf die laufenden Einkünfte gegenüber den Verhältnissen vor der Übertragung – nichts.

Anders beim Zuwendungsnießbrauch. Hier werden die Einkünfte dem Nießbrauchbesteller zugerechnet. Nach § 20 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt Einkünfte, wer Kapital im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zur Nutzung überlässt. Diese Bedingungen erfüllt einzig der Nießbrauchbesteller.

Vorbehaltsnießbrauch

Kommt meistens bei der Klärung der Unternehmensnachfolge und der Übertragung auf einen Dritten zum Tragen – etwa im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Dem Zuwendenden bleiben die Nutzungen des Geschäftsanteils vorbehalten. Dadurch ist der Übertragende wirtschaftlich abgesichert.

Zuwendungsnießbrauch

Hier ist der Fall genau umgekehrt. Die Gesellschafterstellung des Zuwendenden bleibt unverändert. Der Ertrag aus den Geschäftsanteilen (z.B. der Gewinn) kommt jedoch einer dritten Person zugute (etwa dem eigenen Nachwuchs).

Vermächtnisnießbrauch

Liegt vor, wenn der Erbe aufgrund eines Testaments oder Erbvertrags verpflichtet ist, dem Bedachten einen Nießbrauch an der GmbH-Beteiligung einzuräumen. In dem Fall kann die Bestellung des Nießbrauchs nicht durch den Erblasser erfolgen, sondern nur durch den Erben.

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Dieser Beitrag beruht auf einem Artikel aus dem „GmbH-Brief AKTUELL“.

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Welchen Vorteil hat ein Nießbrauch an GmbH-Anteilen für Ihre GmbH?

In Ihrem Unternehmen und an seinem Geschäftsablauf selbst ändert sich wenig. Sie können als GmbH-Teilhaber aber die Unternehmensnachfolge planen. Sie als derjenige, der Anteile an Ihrer GmbH überträgt, bleiben weiter Ihrem Unternehmen verbunden. Dabei wird derjenige, dem Sie Nießbrauchrechte einräumen, nicht Gesellschafter Ihrer Firma. Er hat aber Anspruch auf die Vorteile, die Geschäftsanteile mit sich bringen; er kann, um in der sprachlichen Nähe des Wortes „Nießbrauch“ zu bleiben, Nutzen aus deren Früchten ziehen. Insbesondere ist er somit am laufenden Gewinn des Unternehmens beteiligt – aber nicht an dem Anlagevermögen oder an etwaigen stillen Reserven. Wenn sie jemandem Nießbrauchrechte an GmbH-Anteilen Ihrer Firma einräumen, müssen Sie dies zwingend durch einen Notar beglaubigen lassen.

Können Sie als GmbH-Teilhaber Stimmrechte vom GmbH-Anteil trennen?

Nein, das geht nicht. Das Stimmrecht ist untrennbar mit dem GmbH-Anteil verbunden. Es gilt ein Abspaltungsverbot. Somit bewirkt die Bestellung eines Nießbrauchs kein Stimmrecht. Jegliche Veränderung bei den Gesellschaftern oder dem Umfang ihrer Beteiligung müssen Sie in einer neuen Gesellschafterliste aufführen und beim Handelsregister einreichen. Zudem verändert das Nießbrauchrecht weder die Beteiligungsverhältnisse noch den Umfang. Deswegen brauchen Sie das Recht nicht in die Gesellschafterliste aufzunehmen.

Wie verhält es sich aus steuerrechtlicher Sicht bei Ablösung eines Nießbrauchs?

Nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung

Dazu hat sich der Bundesfinanzhof 2014 geäußert. Danach stellen Zahlungen für die Ablösung eines (Vorbehalts-)Nießbrauchs an einer Beteiligung im Sinne von § 17 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 17 EStG nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung dar. Zudem liegt eine unentgeltliche Übertragung nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG auch bei der Übertragung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft unter Vorbehaltsnießbrauch vor.

Beispiel

Der Vater des Klägers war 2001 mit 90 Prozent an einer GmbH mit einem Stammkapital von 70.000 DM beteiligt. Er schenkte seinem Sohn damals einen Teilgesellschaftsanteil im Nennwert von 21.000 DM. Im März 2004 übertrug er ihm drei weitere Gesellschaftsanteile im Nennwert von insgesamt 23.700 Euro. Seine Anschaffungskosten für diese Anteile betrugen 293.270,11 Euro. Er behielt sich den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch an den zuletzt übertragenen Beteiligungen vor. Als Nießbraucher gebührten ihm danach u.a. die während des Nießbrauchs auf die Beteiligungen entfallenden ausgeschütteten Gewinnanteile. Im November 2006 verkauften der Kläger und sein Vater ihre Anteile für 3.220.000 Euro. Anlässlich der Veräußerung verzichtete der Vater auf seinen Nießbrauch. Als Gegenleistung sollte sein Sohn ihm 1.679.800 Euro zahlen, Geld, das der Sohn unmittelbar auf das Konto seines Vaters zahlen sollte. Die Zahlung entsprach dem kapitalisierten Wert des Nießbrauchs.

Mit dem beklagten Finanzgericht (FG) kam es zum Streit um die Behandlung der Zahlung von 1.679.800 Euro als nachträgliche Anschaffungskosten. Das FG gab der Klage insoweit statt. Aber der BFH-Senat hob mit Entscheidung vom 24.1.2012 IX R 51/10 (BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308) die Entscheidung auf. Das FG sei von einem unentgeltlichen Erwerb der Gesellschaftsanteile durch den Kläger nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG ausgegangen. Es habe nicht geprüft, ob dem Kläger oder seinem Vater die Gesellschaftsanteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zuzurechnen seien. Der Senat gab dem FG auf, nähere Feststellungen dazu zu treffen, wem das wirtschaftliche Eigentum an den nießbrauchsbelasteten Anteilen zugestanden habe. Denn stehe dies weiterhin dem nießbrauchsberechtigten Vater zu, habe sein Sohn als Kläger mit der Ablösezahlung im Jahr 2007 ein Entgelt geleistet. Dann liege kein unentgeltlicher Erwerb mehr vor und eine Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG sei nicht möglich.

Das FG klärte die Frage dahingehend, dass nach seinen Feststellungen der Kläger bereits anlässlich der Übertragung 2004 das wirtschaftliche Eigentum an den nießbrauchsbelasteten Anteilen erlangt habe. § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG sei daher anwendbar. Im Rahmen der Berechnung des Veräußerungsgewinns berücksichtigte das FG die Zahlung der 1.679.800 € als nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers und rechnete diese den vom Vater des Klägers übernommenen Anschaffungskosten in Höhe von 293.270,11 Euro hinzu. Der BFH stimmte den Beurteilungen des FG zu.

 

Autor*in: Franz Höllriegel