Wie berechnen Sie als Unternehmer die Gewerbesteuer richtig?
Steuerparadies an der Nordsee – das war einmal. Eine kleine Gemeinde dort mit null Hebesatz verlangte von Unternehmen keine Gewerbesteuer. Bis 2004. Seither müssen fast alle Gemeinden Gewerbesteuern einfordern. Als Unternehmer sollten Sie jedes Jahr große Sorgfalt auf sie verwenden.
Ganz Deutschland zahlt Gewerbesteuer. Ganz? Nein, nicht ganz.
Siemens, Lufthansa oder die Deutsche Bank – rund 460 Unternehmen gründeten vor 2004 in der 70-Seelen-Gemeinde Norderfriedrichskoog eine Briefkastenfirma. Der Grund: sie wollten dem Fiskus ein Schnippchen schlagen. Doch wie „foerderland.de“ berichtet, änderte sich das in jenem Jahr schlagartig. Im Dezember 2003 hatte der Gesetzgeber das Gewerbesteuergesetz geändert. Er legte die Oase fast trocken. Seitdem muss jede Gemeinde in Deutschland mit einem Mindesthebesatz von 200 Prozentpunkten Gewerbesteuer einfordern.
Welche Rolle spielte der Hebesatz vor 15 Jahren in Norderfriedrichskoog?
Eine zentrale. Wie er überhaupt für Gemeinden ungemein wichtig ist. Über ihn bestimmen sie ihre Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Ein hoher Hebesatz führt zu höheren Einnahmen, ein niedrigerer zu niedrigeren. Gemeinden mit klammen Kassen können über einen hohen Hebesatz höhere Einnahmen aus der Gewerbesteuer erzielen, wenn … ja wenn sich Unternehmen in ihnen ansiedeln. Das aber ist umso mehr die Frage, je höher der Hebesatz und damit die zu erwartende Gewerbesteuer für sie ist.
Ein hoher Hebesatz kann also auch potentielle Investoren abschrecken. Im Umkehrschluss heißt das: ein niedriger Hebesatz kann potentielle Investoren anlocken. Niedrige Hebesätze sind ein Mittel der Wirtschaftsförderung, um mit diesem Standortvorteil Unternehmen zu werben. Und genau dieses Mittel wendeten die Dorfkämmerer von Norderfriedrichskoog bis 2004 im Exzess von Null-Hebesatz gleich Null-Gewerbesteuer an.
Wendet dieses Modell zur Wirtschaftsförderung seither keine Gemeinde mehr an?
Doch, nur nicht mehr in diesem Exzess – da hat der Gesetzgeber 2003 ja einen Riegel vorgeschoben. Nach wie vor besteht aber das Instrument des Hebesatzes – und es kann nach wie vor zu einem heftigen Wettbewerb unter Kommunen führen. Ein Beispiel ist hier Frankfurt am Main. 2010 zog die Deutsche Börse AG mit fast allen ihren 2.000 Mitarbeitern in das benachbarte Eschborn. Dort gilt ein Hebesatz von 280 Prozentpunkten, in Frankfurt dagegen von 460 Prozentpunkten. Hier zahlte die Börse-AG bis dahin den größten Teil ihrer Gewerbesteuer. Mit dem Umzug von Frankfurt nach Eschborn spart der Konzern jährlich etwa 60 Millionen Euro Gewerbesteuer.
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Was verbirgt sich hinter dem Begriff Hebesatz?
Der Hebesatz beträgt laut Gewerbesteuergesetz (GewStG) „200 vom Hundert, wenn die Gemeinde nicht einen höheren Hebesatz bestimmt hat“ (§ 16 Abs. 4 S. 2). 11.055 Kommunen gibt es in Deutschland. Jede Kommune setzt ihre Gewerbesteuer – „die Unterschiede sind enorm!“, so „kommunal.de“-Chefredakteur Christian Erhardt-Maciejewski, laut „foerderland.de“ mit folgenden Hebesatz-Gruppierungen:
- 782 Gemeinden zwischen 200 und 299 Prozentpunkten.
- 722 Gemeinden zwischen 300 und 399 Prozentpunkten,
- 763 Gemeinden zwischen 400 und 499 Prozentpunkten.
Nimmt man in Brandenburg den Schnitt aus allen 417 Städten und Gemeinden, so kommt man auf einen durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 324 Prozent. Das ist, so Erhardt-Maciejewski, bundesweit der niedrigste durchschnittliche Hebesatz. Am anderen Ende der Skala rangiert Hamburg mit einem Hebesatz von 470 Prozent vor Bremen (460) und Berlin (410). Bei den Flächenländern ist Nordrhein-Westfalen der Spitzenreiter mit einem Durchschnitt von 448 Prozent vor dem Saarland mit 419 Prozent. Alle anderen Flächenländer bewegen sich zwischen 339 (Mecklenburg-Vorpommern) und 394 Prozent (Sachsen).
Was verbirgt sich hinter dem Begriff der Gewerbesteuer?
Sie gehört – anders als bei der Land- und Forstwirtschaft oder den Freiberufen – alljährlich zu Ihrem steuerlichen Pflichtprogramm als Unternehmer. Sie ist eine Betriebsausgabe. Sie berücksichtigen sie bei Ihrer Jahresabschlusserstellung zunächst:
- als Rückstellung bei einer Nachzahlung,
- als sonstige Forderung bei einer Erstattung.
Und Sie rechnen sie samt mit ihr zusammenhängenden Nebenleistungen außerbilanziell als „nicht abziehbare Betriebsausgabe“ aus dem Jahresergebnis wieder heraus.
Warum rechnen Sie die Gewerbesteuer wieder heraus?
Ganz einfach: sie würde sonst ihre eigene Bemessungsgrundlage, den Gewerbeertrag, beeinflussen. Nach diesem richtet sie sich nämlich grundsätzlich.
Wie ermitteln Sie als Unternehmen die Gewerbesteuer?
Anhand von zwei ganz entscheidenden, im Gewerbesteuergesetz definierten Faktoren:
- Hinzurechnungen (§ 9 GewStG): sie erhöhen Ihren Unternehmensgewinn,
- Kürzungen (§ 8 GewStG): sie mindern ihn.
Welche Hinzurechnungen erhöhen die Gewerbesteuerbelastung?
Die Folgenden:
1) 25 Prozent der über den Freibetrag von 100.000 Euro hinausgehenden Summe aus nachfolgend auszugsweise aufgelisteten Posten:
- Entgelte für Schulden:
- Gegenleistungen für die Nutzung von Fremdkapital, egal wie diese heißen und ob variabel oder fest verzinst.
- Übliche nicht unmittelbar für die Nutzung des Fremdkapitals entstehende Geldbeschaffungskosten wie beispielsweise für Verwaltung, Depotgebühren, Währungsverluste, Bereitstellungszinsen oder Umsatzprovisionen.
- Gewinnanteile des stillen Gesellschafters
- 20 Prozent der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter (z.B. Maschinen)
- 50 Prozent der Miet- und Pachtzinsen für Immobilien
2) Der steuerfreie Teil einer Dividende, sofern die Beteiligung an der ausschüttenden, nicht steuerbefreiten Kapitalgesellschaft zu Beginn des Erhebungszeitraums nicht mindestens 15 Prozent des Stammkapitals betragen hat.
3) Die Anteile am Verlust einer gewerblichen Personengesellschaft.
Welche Kürzungen mindern die Gewerbesteuerbelastung?
Das Gewerbesteuergesetz nennt als wichtigste Kürzungen die folgenden Positionen:
- 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht grundsteuerbefreiten Grundbesitzes; maßgebend hierfür ist der auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor Ende des Erhebungszeitraums lautende Einheitswert
- Anteile am Gewinn einer gewerblichen Personengesellschaft; dies ist die Gegenvorschrift zur Hinzurechnung
- der im Gewerbeertrag enthaltene Teil einer Dividende analog zu Punkt 2 der Hinzurechnungen
Nicht vergessen: Beim Jahresabschluss abgezogene Spenden rechnen Sie zunächst dem Gewinn wieder hinzu und dann in Höhe der gewerbesteuerlich zulässigen Kürzung wieder ab.