10.05.2017

Wenn Mitarbeiter Angehörige zu Hause pflegen

Wer seine Angehörigen zu Hause pflegt, braucht viel Engagement und viel Zeit. Einige arbeiten dann nur noch in Teilzeit, andere geben die Arbeit ganz auf. Neben der persönlichen Aufopferung für die Angehörigen droht den Pflegenden obendrein die Armut – auch später in der Rente.

Pflege von Angehörigen zu Hause

Nicht einmal die Grundsicherung

Ein pflegender Angehöriger kann nach vielen Jahren der Hilfe in der Rente nicht einmal die Grundsicherung erhalten. Folge: Er muss aufstocken. Rein theoretisch müsste jemand aus den neuen Bundesländern  einen Angehörigen mit Pflegegrad 2 („erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“) insgesamt 119 Jahre lang allein pflegen, um eine Rente von 790 Euro netto zu erhalten. Das geht aus einer Berechnung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) für die ARD-Sendung „Fakt“ hervor.

Hilfsbedarf des Pflegebedürftigen

Die Höhe der Rentenansprüche hängt zum einen vom Hilfsbedarf des Pflegebedürftigen ab. Je höher der Pflegegrad, desto mehr Rentenpunkte werden gutgeschrieben, desto mehr Rente wird später gezahlt. Für die Vollzeitpflege eines Angehörigen mit Pflegegrad 2 werden demnach knapp 0,26 Rentenpunkte pro Jahr gutgeschrieben. So erhält jemand, der sich um jemanden mit Pflegegrad 5 allein kümmert, eine Rente wie ein durchschnittlich verdienender Vollzeitarbeiter. Nach 29 Beitragsjahren hat ein Durchschnittsverdiener so eine Nettorente von 790 Euro erarbeitet.

Rentenanwartschaften aus einer Teilzeitbeschäftigung

Zu berücksichtigen geben die Wissenschaftler allerdings, dass zu den Rentenpunkten aufgrund der Pflege noch Rentenanwartschaften aus einer Teilzeitbeschäftigung oder einem möglichen Hartz-IV-Bezug kommen können.

Zum anderen berechnet sich der Anspruch danach, ob man:

  • das Pflegen komplett selbst stemmt (Bezug von Pflegegeld),
  • die Leistungen der Pflegekasse vollständig für einen Pflegedienst verwendet (Sachleistungen) oder
  • beides kombiniert (Kombinationsleistungen).

Pflegenden Angehörigen droht Armutsrisiko

Die AWO hat das Armutsrisiko Hunderttausender pflegender Angehöriger bereits kritisiert. Viele Betroffene reduzierten für das Pflegen von Kranken und Alten ihre Arbeitszeit, sagte Claus Bölicke vom AWO-Bundesverband. Einige würden ihren Job ganz aufgeben, die Folge sei häufig ein Leben auf Hartz-IV-Niveau. Bölicke: „Das Pflegegeld ersetzt keine Berufstätigkeit. Und wenn diese Personen dann in Rente gehen, setzt sich das Thema fort – arm durch Pflege.“ Die Zahl der Betroffenen wird nach Einschätzung der AWO in den kommenden Jahren noch steigen.

Steigende Zahl Pflegebedürftiger

Derzeit sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums 2,7 Millionen Menschen in Deutschland auf Pflege angewiesen (Stand: 12/2015). Das Ministerium geht davon aus, dass sich diese Zahl in den kommenden anderthalb Jahrzehnten um eine knappe weitere Million auf rund 3,5 Millionen Menschen erhöhen wird. Die Pflegeversicherung soll  das Risiko, pflegebedürftig zu werden, absichern.

PSG I bis PSG III

Um die Pflege weiterzuentwickeln und die Unterstützung für Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte auszuweiten, hat die Bundesregierung 2015 das Erste Pflegestärkungsgesetz (PSG I) eingeführt, das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) 2016 mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsinstruments zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit in der Pflegeversicherung, und nun das Dritte Pflegestärkungsgesetz trat am 1. Januar 2017. Damit will der Gesetzgeber die Pflegeberatung stärken und die Zusammenarbeit der Verantwortlichen in den Kommunen ausbauen.

Praxisthema des Monats Mai

In „Personaltipp AKTUELL“ (06/2017 Mai) ist dies auch Praxisthema des Monats Mai. Arbeitgeber und Personalverantwortliche sollten sich darauf einstellen, rät der Newsletter für Personalmanager und Arbeitgeber – früher oder später könnten sie mit diesem Thema konfrontiert werden.

Autor*in: Franz Höllriegel