Was unterscheidet die kleine AG von der großen?
Jeder fängt einmal klein an. Bei der Aktiengesellschaft war das lange nicht der Fall. Die waren eher etwas für die Großkonzerne. Kleine und mittlere Unternehmen trauten sich diese Gesellschaftsform nicht zu. Damit sich das ändert, hat der Gesetzgeber die „kleine“ AG geschaffen.
Wie definiert der Gesetzgeber die „kleine Aktiengesellschaft“?
Er hat dafür am 02.08.1994 das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechtes“ (Kleine-AG-Gesetz) erlassen. Der Begriff „kleine Aktiengesellschaft“ ist im Gesetzestext des Aktiengesetzes selbst nicht enthalten, sondern durch Zusatzbestimmungen oder Zahlenänderungen, -Erweiterungen oder -Einengungen im Kleine-AG-Gesetz eingegrenzt.
Was definiert den Begriff „kleine Aktiengesellschaft“ demnach im Wesentlichen?
Die geringe Anzahl an Anteilseignern. Sie ermöglicht leichter zu erfüllende gesetzliche Voraussetzungen. Damit wollte der Gesetzgeber die Rechtsform der Aktiengesellschaft, früher am Leitbild der großen Publikumsgesellschaft orientiert, auch für noch nicht börsennotierte, sogenannte geschlossene, personalistische oder kapitalmarktferne Unternehmen attraktiv machen. Deswegen sorgte er für Erleichterungen bei
- personalistischen,
- geschlossenen,
- kapitalmarktfernen Aktiengesellschaften.
Was ist ein personalistisches Unternehmen?
Wenn Sie als Eigentümer eines Unternehmens – als Einzelperson oder als Familie – wesentlichen Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Sie als Eigentümer wollen Ihr Unternehmen vollständig kontrollieren. Der Grund dafür liegt in Ihrer sich aus dem Eigentum ergebenden eindeutigen Interessenslage als Unternehmer. Typisch für Sie als personalistisches Unternehmen ist daher der nach außen weitgehend geschlossene Charakter Ihrer Gesellschaft und in vielen Fällen die Führung durch Sie als Unternehmer anstatt durch angestellte Manager.
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Wegen der mit ihr verbundenen Flexibilität sowie ihres Identifikationspotentials für die im Unternehmen beschäftigten Personen wertet Jana Otte von der Hochschule Wismar in ihrer Schrift „Personalistische Aktiengesellschaft“ (Heft 07/2004) diese Art der Unternehmensführung als wichtigen Vorzug gegenüber der anonymen Publikumsgesellschaft, sprich Aktiengesellschaft. Um ihn zu erhalten, tendiert ihr zufolge das personalistische Unternehmen mit fortschreitender Größe des Gesellschafterkreises zu einer Zweiklassengesellschaft mit starken und abgesicherten Rechten ausgestatteten Gesellschafter-Geschäftsführern einerseits und bloßen Anlagegesellschaftern andererseits.
Eine Zwickmühle für Sie als Unternehmen?
Sicher ist das so. Man erinnere sich an den früheren Chef des Bertelsmann-Konzerns, Reinhard Mohn. Obwohl von vielen Menschen immer wieder dazu gedrängt, hat der Bertelsmann-Patriarch erst 2001 seinem Konzern den Weg zum Börsengang frei gemacht. Die Börse war laut einem Bericht des Berliner „Tagesspiegels“ damals für Mohn stets tabu. Dass diese Abstinenz von den Kapitalmärkten sinnvoll sein kann, bewies Mohn demnach mit dem Hinweis auf die lange Tradition der Gütersloher Unternehmenskultur und die Erfolgsgeschichte des Medienunternehmens. Vom christlichen Liederbuch-Verlag zum global vernetzten Konzern – Mohn bürgte für diesen Aufstieg aus der Provinz an die Weltspitze. Der damalige Vorstandschef Thomas Middelhoff hatte dagegen die für Bertelsmann dünner werdende Kapitaldecke im operativen Geschäft stärker gespürt als Mohn, der im Hintergrund die Fäden zog. Mehr als fünf Jahre profilierte sich Middelhoff als Manager der Internet-Wirtschaft deutscher Prägung.
War der Börsengang von Bertelsmann nötig?
Middelhoff kämpfte an zwei Fronten:
- Gegen die Traditionalisten im eigenen Haus einerseits,
- gegen die mächtigen Rivalen im Mediengeschäft andererseits.
Diese konnten sich laufend mit frischem Kapital an den Börsen versorgen, um ihre aggressive Expansion zu finanzieren. Middelhoff musste improvisieren. Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen wie Pixelpark, Barnesandnoble.com oder Napster rückten Bertelsmann zwar näher an die Märkte. Einen wirklichen Zugang zu den Geldquellen der Globalisierung fanden die Gütersloher nicht. Als ein Zusammengehen mit dem Internet-Konzern AOL in greifbare Nähe rückte, aber am Veto Mohns scheiterte, war die größte Schwäche des Traditionsunternehmens offenkundig. AOL griff nach Time-Warner und wurde zum weltgrößten Medienkonzern. Das dürfte auch dem Gründer Mohn nicht gefallen haben. Besonders augenfällig wurde dem „Tagesspiegel“ zufolge das Defizit im Fernsehgeschäft. Der Sprung ins internationale, amerikanisch dominierte TV-Geschäft ebnete der Börsengang auf Raten diesen Weg.
Was lernen wir aus dem Beispiel Bertelsmann?
Zweierlei:
- Zum einen, dass Gesellschafter eines personalistischen Unternehmens der Rechtsform der Aktiengesellschaft und Börsenführung zurückhaltend gegenüberstehen. Sie befürchten, dass ihre rechtlich abgesicherte Herrschaftsposition und ihr gemeinsamer Einfluss auf ihr Unternehmen gelockert oder sogar aufgelöst wird, wenn Aktionäre mit kurzfristigen Interessen und anderer Wesensart in die Gesellschaft eintreten.
- Zum anderen, dass die Aufnahme von Kapital durch Aktionäre eine äußerst günstige Finanzierungsmöglichkeit darstellt. Mithilfe dieses Geldes können Investitionen getätigt werden, die die Existenz eines Unternehmens sichern.
- Zum dritten: Es kann also auch für Unternehmer, die ihren Einfluss auf ihr Unternehmen behalten wollen, sehr interessant sein, sich für die Rechtsform der Aktiengesellschaft zu entscheiden.
Wie kann die kleine Aktiengesellschaft hier helfen?
Sie verbindet als eine Vorstufe der großen Aktiengesellschaft deren Vorteile mit denen des personalistischen Unternehmens:
- Kapitalgesellschaft
- kleine Anzahl an Anteilseignern
- vereinfachte Regeln des Aktiengesetzes (AktG)
Die kleine Aktiengesellschaft:
- ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit.
- besitzt ein Grundkapital, aufgesplittert in Aktien,
- haftet für ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern mit dem Gesellschaftsvermögen
- gilt als Handelsgesellschaft (§ 3 AktG)
- ist ein Formkaufmann gemäß § 6 Handelsgesetzbuch (HGB).
Was ist ein Formkaufmann?
- 6 HGB erweitert in Absatz 2 den Begriff des Kaufmanns auf Vereine, denen das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens automatisch die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, also aufgrund seiner Rechtsform. Deshalb ist die Feststellung der Kaufmannseigenschaft bei Formkaufmännern am einfachsten, da man sie stets direkt anhand des Firmenzusatzes erkennen kann. Außer dem Formkaufmann kennt das Handelsrecht den:
- Istkaufmann,
- Kannkaufmann,
- Fiktivkaufmann
- nicht explizit geregelten Scheinkaufmann.
Zu den Formkaufmännern zählen alle Kapitalgesellschaften, typischerweise z.B.:
- GmbH (gemäß § 13, Abs. 3 GmbHG)
- AG (§ 3, Abs. 1 AktG)
- die UG (gemäß §5a GmbhG)
und der eingetragene Verein (gemäß § 21 BGB).
Bei Kapitalgesellschaften entfällt die Prüfung, ob es sich um ein Handelsgewerbe handelt. Auch wenn ein kleines Gewerbe betrieben wird, gilt eine Kapitalgesellschaft stets als Formkaufmann.
Was sind die Unterschiede zwischen klein und groß?
Effektiv unterscheidet sich die „kleine“ Aktiengesellschaft durch:
- die Zulassung der Ein-Mann-Gründung in § 33 AktG. Diese ist tatsächlich nur bei der kleinen Aktiengesellschaft von Bedeutung.
- Vereinfachungen bei der Gründungsprüfung.
- größere, für die Aktionäre vorteilhafte Kompetenzen bei der Ausgestaltung der Satzung bezüglich der Gewinnverwendung
- für die kleine Aktiengesellschaft ungültiges Verbot von Höchststimmrechtsregelungen in der Satzung (§ 134 Abs. 1 AktG).
- Erleichterung, nur zwei verpflichtende Sitzungen des Aufsichtsrats im Jahr durchzuführen (§ 110 Abs. 3 AktG). Die Aktiengesellschaft ist hingehen zu vier gesetzlich vorgeschriebenen Sitzungen verpflichtet.
- keine Veröffentlichungspflicht bei Zulassung oder Beendigung einer Haftungsklage gegen Organe der kleinen Aktiengesellschaft (§ 149 Abs. 1 AktG).
- bei Offenlegung der Unterlagen vor der Hauptversammlung keine Veröffentlichungspflicht ihrer Unterlagen auf ihrer Website, wie bei Aktiengesellschaften der Fall,
- Präsentation ihrer Unterlagen in ihren Geschäftsräumen möglich.
- Weitestgehender Verzicht auf die Anwesenheit eines Notars zur Beglaubigung der Beschlüsse der Hauptversammlung (§ 130 Abs. 1 AktG).
- Ungültigkeit des Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetzes für die kleine Aktiengesellschaft,
- keine zwingende Offenlegungspflicht der individuellen Vergütung der Vorstandsmitglieder.
- Freistellung von der Unternehmensmitbestimmung wie bei Aktiengesellschaften mit unter 500 Arbeitnehmern.
Warum nicht bei der GmbH bleiben?
In der Tat gibt es Gründe für das eine wie das andere. Für die GmbH könnte sprechen die Höhe des Stammkapitals:
- Für die GmbH müssen Sie als Gründer Einlagen in Höhe von 25.000 Euro leisten.
- Bei der kleinen Aktiengesellschaft sind für die Gründung 50.000 Euro in die Gesellschaft einzubringen.
Die GmbH besitzt zwei Organe:
- Gesellschafterversammlung: kann aktiv in das operative Geschäft, durch Beschlüsse etc., eingreifen
- Geschäftsführung.
Bei der kleinen Aktiengesellschaft sind die Organe nach Funktionen getrennt:
- Bei der Aktiengesellschaft liegt folglich eine strikte Trennung zwischen Geschäftsleitung und Kapital vor,
- Bei der GmbH nicht.
Einen weiteren entscheidenden Unterschied macht die Übertragbarkeit der Anteile aus:
- Aktien sind in der Regel einfach und formlos übertragbar: dies ist ein Grund dafür, dass Aktiengesellschaft sich leichter von ihrem Standort und damit von persönlichen Bindungen wie einer gewachsenen Mitarbeiterstruktur lösen können.
- Demgegenüber können Anteile einer GmbH nicht so leicht übertragen werden. Dafür ist eine notarielle Beurkundung notwendig, welche Zeit und Geld kostet.
Was heißt das für Ihre Praxis der Entscheidung zwischen AG und GmbH?
Neben den genannten Aspekten, dass sich die Gesellschaften hinsichtlich des planungs- und verwaltungstechnischen Aufwands unterscheiden:
- Die GmbH unterliegt dem GmbH-Gesetz, welches nur grundsätzliche Vorschriften zur Führung beinhaltet.
- Im Aktiengesetz finden sich hingegen striktere Vorschriften, welche zur Einhaltung einen erhöhten Aufwand mit sich bringen.
Zuletzt ergibt sich im Wege der Haftung ein entscheidender Unterschied:
- Grundsätzlich haften erst mal beide Gesellschaften nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen.
- Als Geschäftsführer einer GmbH können Sie jedoch haftbar gemacht werden, wenn durch Pflichtverletzungen Schäden entstehen.
- Bei der kleinen Aktiengesellschaft haften Sie als Vorstände oder Mitglieder des Aufsichtsrats nur für Sorgfaltspflichtverletzungen bei geschäftlichen Entscheidungen.
Die deutsche GmbH war übrigens die weltweit erste Form einer haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaft. Mit über einer halben Million Unternehmen ist die GmbH in Deutschland mit Abstand die beliebteste Gesellschaftsform. Wenn Sie eine GmbH gründen wollen, werden Sie ebenfalls vor eine Reihe von Aufgaben gestellt. Dafür ist ein Gesellschaftervertrag (Gesellschaftsvertrag, Satzung) erforderlich. Die Gründung kann durch einen individuellen, auf die Belange der Gesellschaft zugeschnittenen Vertrag, oder im vereinfachten Verfahren durch ein Musterprotokoll erfolgen. Wie das funktioniert, lesen Sie in dem Beitrag „Der GmbH-Gesellschaftsvertrag (Muster)“.