12.06.2023

Was die „Entlastung“ des Geschäftsführers bedeutet – und was nicht

Same procedure as every year – geht Ihnen das mit der Abstimmung über die Entlastung des Geschäftsführers auch so? Handeln Sie sie in der Gesellschafterversammlung als lästige Formalie ab? Doch was bedeutet Entlastung überhaupt? Das OLG Brandenburg hat für Sie eine Antwort.

Entlastung des Geschäftsführers

Müssen Sie als GmbH Ihren Geschäftsführer überhaupt entlasten?

Ja, das schreibt Ihnen § 46 Nr. 5 GmbH-Gesetz (GmbHG) vor:

„Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben.“

Doch was bedeutet die in der Gesellschafterversammlung erteilte Entlastung in der Konsequenz für den Geschäftsführer?

Sie dient zwei Zwecken:

  • Die Gesellschafter sprechen dem Geschäftsführer ihr Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus,
  • die Gesellschafter verzichten mit der Entlastung auf eventuelle Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer.

Die Entlastung ist also in der Praxis für den GmbH-Geschäftsführer so wichtig, weil sie sich auf sein persönliches Haftungsrisiko auswirkt. Sie wirkt im Hinblick auf den Verzicht auf mögliche Schadensersatzansprüche durch die Gesellschafter nicht uneingeschränkt. Die in der Gesellschafterversammlung erteilte Entlastung erstreckt sich nur auf diejenigen Geschäftsvorgänge, zu denen der Geschäftsführer:

  • umfassende Rechnung abgelegt und
  • ausreichende Informationen zur Verfügung gestellt hat.

Was sind Voraussetzungen für die Entlastung?

Inhaltlich spielen folgende zwei Punkte die zentrale Bedeutung für die Entlastung:

  • ausführliche Rechnungslegung: der Geschäftsführer hat zuvor Rechnung über seine Geschäftsführung gelegt. Dabei bezieht sich die Entlastung nur auf solche Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschaft bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren. Hierunter sind Umstände zu verstehen, die die Gesellschafter durch Nachrechnen oder Nachfragen in Erfahrung bringen konnten (z.B. erhöhte Spesenabrechnungen).
  • keine Verschleierung von Informationen: keine Entlastungswirkung für diejenigen Vorgänge ein, zu denen der Geschäftsführer Informationen verschleiert.

Letzteres hat das OLG Brandenburg mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH in seinem Urteil vom 29.06.2022 (Az.: 7 U 60/21) nochmals klargestellt. Nach Ansicht des Gerichts sei außerdem die Verpflichtung der Gesellschafter zur Nachfrage darauf zu beschränken, wenn und soweit ein Anlass zur Nachfrage sich eindeutig ergibt. Stellt der Geschäftsführer also so wenige Informationen zur Verfügung, dass sich für die Gesellschafter gar kein Grund zur Nachfrage erschließt, kann dies nicht zum Nachteil derselben gereichen, und die Entlastungswirkung tritt nicht ein.

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Worum ging es in dem Fall?

Um den ehemaligen Geschäftsführer einer Elektroanlagenbaufirma. Er soll seine Pflichten als solcher verletzt haben. Die Firma verklagte ihn dafür vor dem Landgericht auf Schadensersatz. Das Stammkapital der Firma beläuft sich auf 25.000 Euro. Davon hielten die A… und Consulting GmbH und der Geschäftsführer jeweils Geschäftsanteile im Gesamtwert von 10.000 Euro, was einer Beteiligung von 40 Prozent entsprach, und U… F… Geschäftsanteile im Gesamtwert von 5.000 Euro; dies entsprach einer Beteiligung von 20 Prozent.

In einer Gesellschafterversammlung am 26.03.2020 beschlossen die Gesellschafter ohne nähere Beschreibung die „Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter und Geschäftsführer O… N… u.a. gemäß § 43 GmbHG, § 823 BGB und Ansprüche gemäß § 812 ff. BGB, vorprozessual sowie gegebenenfalls auch im Rahmen von Rechtsstreiten“.

In dieser Sitzung berief man den Geschäftsführer aus wichtigem Grund ab und zog seine Geschäftsanteile ein. Die Vorwürfe:

  • Überweisungen in Höhe von 140.000 Euro in Januar und Februar 2020 an sich selbst ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter oder rechtlichen Grund.
  • Keine Befreiung des Geschäftsführers nach § 181 BGB.
  • Nichtbekanntgabe, an welche Personen der Geschäftsführer die „Geschenke und nützlichen Aufwendungen“ 2018 und 2019 geleistet habe.
  • Stellung einen unbegründeten Insolvenzantrages am 10.03.2020, ohne die Gesellschafter zuvor in Kenntnis zu setzen.
  • Bestellung und private Nutzung eines üppig u.a. unstreitig mit einer Satellitenanlage im Wert von 2.958,57 Euro ausgestatteten Wohnwagens ebenfalls unstreitig vor seinem Grundstück oder für Urlaubsreisen auf Kosten der Gesellschaft ohne Absprache mit den Mitgesellschaftern.

Hat der Beklagte den Wohnwagen nur privat genutzt?

Hier steht eine Nutzung des Fahrzeugs während des im Frühjahr 2017 von der Firma bearbeiteten Auftrages im Campus G… der Universität P… für Baubesprechungen im Raum. Das aber bestreitet die klagenden Firma. Der Wagen sei dafür nicht benötigt worden. Da die Räume der Universität in unmittelbarer Nähe gelegen hätten, hätten Besprechungen dort abgehalten werden können. Die übrigen Gesellschafter hätten dem Beklagten in Bezug auf die Anschaffung des Fahrzeuges auch keine Entlastung erteilt. In der Gesellschafterversammlung vom 15.11.2018 hätten die Zahlen zu dem im Jahr 2017 angeschafften Anlagevermögen nicht vorgelegen. Eine Beschlussfassung vom 11.12.2018 über die Entlastung des beklagten Geschäftsführers hält sie mit Blick auf dessen Teilnahme an der Abstimmung für unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises und weiterer Aufwendungen für das Wohnmobil, darunter Steuern und Versicherung, abzüglich des Verkaufserlöses, insgesamt von 36.722,35 Euro nebst Zinsen zu verurteilen.

Was sagte der beklagte Geschäftsführer zu den Vorwürfen?

Er wehrte sich mit dem Argument, der Erwerb des Caravans sei mit den Mitgesellschaftern abgestimmt gewesen. Der Wagen habe für die Klägerin genutzt werden sollen, um Baubesprechungen darin abzuhalten. So sei auch bei dem Bauvorhaben der Uni P… im Frühjahr 2018 verfahren worden. Er hat die Ansicht vertreten, dass die Entlastung, die ihm im Umlaufbeschluss vom 11.12.2018 erteilt worden sei, die Geltendmachung von Ansprüchen ausschließe. In der Sitzung vom 15.11.2018 hätten die Gesellschafter alle Punkte des Entwurfs eines Jahresabschlusses erörtert:

  • Den Wohnwagen hätten sie als „Bauwagen“ bezeichnet und als „sonstiges Transportmittel“ im Anlagenspiegel aufgenommen. Es sei für die Gesellschafter erkennbar gewesen, dass es sich um den Wohnwagen handele, da ein normaler Bauwagen 8.000 Euro koste.
  • Der Entlastungsbeschluss sei zudem nicht angefochten worden.
  • Der beklagte Geschäftsführer hat zudem ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und eingewandt, die Geltendmachung der Forderung seit mit Treu und Glauben unvereinbar.
  • Er habe eine Bürgschaft für den Kontokorrentkredit der Klägerin übernommen. Diese Bürgschaft habe er nach der Einziehung seiner Geschäftsanteile gekündigt. Der Geschäftsführer der Gesellschafterin A… GmbH B… Sch… sei inzwischen zum Liquidator bestellt. Das von ihm als Geschäftsführer geführte Unternehmen … Ost GmbH habe die Forderung der …bank aus dem Kredit getilgt und sei nun Gläubigerin der Bürgschaftsforderung. Er meint, er habe einen Anspruch auf Befreiung von dieser Forderung gegenüber der Klägerin, da sie mit der Rückführung des Kredites in Verzug gewesen sei und weil sie keine laufende Einnahmen mehr erziele.

Was sagte das Landgericht zu der Angelegenheit?

Es hat die Klage abgewiesen. Der Schadensersatzforderung gegen den beklagten Geschäftsführer stehe die beschlossene Entlastung entgegen. Nach Überzeugung des Gerichts treffe der Vortrag des Geschäftsführers, die Positionen des für das Jahr 2017 verzeichneten Anlagevermögens seien im Einzelnen erörtert worden, zu, weil der Geschäftsführer der A… GmbH den Umlaufbeschluss unterzeichnet habe.

War die klagende Firma damit einverstanden?

Nein, sie wendete sich gegen das am 09.04.2021 zugestellte Urteil mit ihrer am 16.04.2021 eingelegten und am 08.06.2021 begründeten Berufung. Sie hält dem Landgericht vor übersehen zu haben, dass der Entlastungsbeschluss formal nicht festgestellt und bekanntgegeben worden sei. Zudem könne man ohnehin nicht von einer Entlastung hinsichtlich sämtlicher Ausgaben ausgehen, da diese nicht nur 2017 gezahlt worden seien, sondern auch in den Jahren 2018 und 2019. Die Entlastungswirkung könne sich allenfalls auf 2017 beziehen. Überdies fehle es an den Voraussetzungen für die Entlastung, da der Geschäftsführer nicht ordnungsgemäß Rechnung gelegt habe. Auch insoweit habe der Beklagte seinen streitigen Vortrag auf die streitige Vorlage des „Anlagenspiegels“ beschränkt, der aber nur den Kaufpreis, nicht jedoch die weiteren Aufwendungen für den Caravan 2017 erfasst haben soll.

Wie die Firma überhaupt die Vorlage eines Anlagenspiegels bestreitet. Es sei vielmehr in der Gesellschafterversammlung ein Entwurf des Jahresabschlusses vorgelegt worden, der allerdings gerade keinen Anlagenspiegel enthalten habe. Die Position „sonstige Transportmittel“ sei mit dem Gesamtbetrag von 73.705 Euro ausgewiesen gewesen, habe aber den Gegenstand der Anschaffungen nicht erkennen lassen. Überdies stelle die Beschreibung des Caravans als „Bauwagen“ in dem später erstellten Anlagenspiegel eine verschleiernde Angabe dar. Sie vertieft den Vortrag zu den vom Beklagten veranlassten Zahlungen insofern, als sämtliche Aufwendungen privater Natur seien.

Auf welchen Zeitraum erstreckt sich die Entlastung?

Auf die Periode, für die die Entlastung erklärt wird.

Wie können Sie als Geschäftsführer sich vor persönlicher Haftung schützen?

Regel Nr. 1: sorgfältig und umfassend Bericht erstatten! Eine Reihe weiterer Empfehlungen haben wir für Sie online zum Herunterladen bereitgestellt. Auf jeden Fall sollten sie eine Directors-and-Officers-Versicherung (D&O-Versicherung), auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung genannt, abschließen. Dabei handelt es sich um eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt.

Autor*in: Franz Höllriegel