Wann ist eine Entlastung des Geschäftsführers treuwidrig?
Ihr Geschäftsführer hat sich bemüht. Als Gesellschafter wollen Sie ihn entlasten. Dabei haben Sie einen breiten Ermessensspielraum. Doch Vorsicht! Gutmütigkeit oder Nachlässigkeit kann zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden, unter Umständen als Verstoß gegen die Treuepflicht.
Was bewirkt eine Entlastung eines Geschäftsführers?
Als Gesellschafter verzichten Sie damit auf Schadensersatzansprüche gegen ihn. Jedenfalls soweit sie Ihnen erkennbar waren:
- zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und
- bei sorgfältiger Prüfung.
Verzichten Sie als Gesellschafter somit zuungunsten der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter auf etwaige Schadensersatzansprüche, obwohl sich diese Ihnen hätten aufdrängen müssen, verletzen Sie ihre gegenseitigen Treuepflichten, wie in einem vom Oberlandesgericht Frankfurt/M. entschiedenen Fall (OLG Frankfurt/M., Urteil vom 23.05.2019, Az.: 5 U 21/18).
Worum ging es in dem Fall?
Kläger und Beklagte hatten 1993 zum Zwecke der Verwaltung einer Immobilie eine GmbH & Co. KG gegründet. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war einer der Beklagten. Sodann beauftragten sie einen Immobilienverwalter mit der Verwaltung der Immobilie. Sie betrauten ihn nach einigen Jahren zusätzlich mit der Finanzbuchhaltung der Immobilie. Er erhielt eine Vollmacht für das Bankkonto der KG, um den gesamten Zahlungsverkehr der KG abzuwickeln. Im Jahr 2015 stellte sich heraus, dass der Immobilienverwalter jahrelang Gelder der KG von insgesamt mindestens 486.735,02 Euro unterschlagen hatte.
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Als sowohl der beklagte Geschäftsführer als auch die GmbH & Co. KG für die Jahre 2014, 2015 bzw. 2000 bis 2008 und 2009 bis 2013 gegen die Stimme des Klägers entlastet wurden, erhob dieser Klage.
Mit Erfolg?
Ja. Das Gericht teilte die Auffassung des Klägers. Es stellte die Nichtigkeit der Entlastungsbeschlüsse fest. Beschlüsse über die Entlastung seien regelmäßig nichtig, wenn:
- keine andere Entscheidung als deren Versagung denkbar und
- damit die Entlastung missbräuchlich sei,
- insbesondere weil dem Geschäftsführer gravierende Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien.
Eine Verletzung der Geschäftsführerpflichten nach § 43 Abs. 1 GmbHG bejahte das Gericht. Der Geschäftsführer habe es versäumt, den Immobilienverwalter laufend zu überwachen und zu kontrollieren.
Und warum soll die Entlastung treuwidrig gewesen sein?
Weil die Gesellschafter verpflichtet gewesen wären, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer zu beschließen.
Und wieso wären Sie es gewesen?
Weil die Gesellschafter an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind. Zum Aufgabenkreis eines GmbH-Gesellschafters gehört nach § 46 Nr. 5 Fall 3 GmbHG die Entlastung der Geschäftsführer. Mit der Entlastung billigt die Gesellschaftsversammlung die Amtstätigkeit des Geschäftsführers in dem betreffenden Geschäftsjahr.
Haben die Gesellschafter denn keinen Ermessenspielraum?
Doch, haben sie, grundsätzlich bei dieser Entscheidung sogar einen weiten. Zu beachten ist aber, dass die Entlastung stets mit dem Interesse der Gesellschaft im Einklang stehen muss. Steht eine Entlastungsentscheidung diesem Interesse entgegen, kann sich daraus ein Verstoß gegen die Treuepflicht der Gesellschafter ergeben.
In welchen Fällen ist das vorstellbar?
Regelmäßig wenn sich der Geschäftsführer eine gravierende Pflichtverletzung hat zuschulden kommen lassen und der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist. Auch bei einem Gesetzes- und Satzungsverstoß durch den Geschäftsführer darf er grundsätzlich nicht entlastet werden. Eine solche Pflichtverletzung kann sich auch daraus ergeben, dass der GmbH-Geschäftsführer gesellschaftliche Aufgaben an Angestellte oder Dritte delegiert hat, ohne die erforderlichen Auswahl- und Kontroll- oder Überwachungsmaßnahmen durchzuführen. Es gehört dabei ebenfalls zu seinen Pflichten als Geschäftsführer, ein ausreichendes internes Kontrollsystem zu installieren. Dieses muss Pflichtverletzungen von Angestellten oder Dritten verhindern oder rechtzeitig aufdecken.
Auf der anderen Seite dürfen die Gesellschafter dem Geschäftsführer die Entlastung nicht nach Belieben verweigern. Vielmehr hat sie zu erfolgen, wenn die Amtsführung des Geschäftsführers keinen Anlass zur Beanstandung gibt.
Was ergibt sich daraus für Ihre Praxis als Gesellschafter?
Sie als Gesellschafter sollten den Beschluss über die Entlastung Ihres Geschäftsführers grundsätzlich nicht als reine Formalie behandeln. Auch wenn insbesondere der Minderheitsgesellschafter keinen entscheidenden Einfluss auf die Entlastungsentscheidung hat, sollte eine Abwägung unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Informationen erfolgen.
Sie als Gesellschafter – darüber ist sich die Rechtsprechung einig – sind verpflichtet, bei Gesellschafterbeschlüssen an der Erörterung der Beschlussgegenstände informiert mitzuwirken und hierüber auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen abzustimmen. Im Zweifel verweigern Sie als Gesellschafter Ihre Zustimmung zu einer Entlastung oder wirken wenigstens auf eine Verschiebung des Entlastungsbeschlusses zur weiteren Prüfung der Sachlage hin – allein schon zur Vermeidung der eigenen Haftung.