Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen
Kleine Aufmerksamkeiten erhalten die Freundschaft. Ob das auf die Vorsteuer zutrifft, damit hat sich der Bundesfinanzhof – etwas juristischer gefasst, versteht sich – des Öfteren auseinandergesetzt. Ihn interessiert, wie sich die Freigrenze für Aufmerksamkeiten bei Vorsteuern auswirkt.
Welche Aufmerksamkeiten sind gemeint?
Eigentlich ging es um die Frage, ob Sie als Unternehmen aus Leistungen für Betriebsveranstaltungen wie z.B. Weihnachtsfeiern Vorsteuern geltend machen können. Der Bundesfinanzhof hat sich dabei damit beschäftigt, wie:
- sich die Freigrenze für Aufmerksamkeiten auswirkt
- welche Kosten Sie bei ihrer Berechnung berücksichtigen
Ziehen Sie als Unternehmer Vorsteuern?
Ja, Sie als Unternehmen können die Vorsteuer also von dem Betrag abziehen, den Sie als Umsatzsteueranteil dem Finanzamt aus Ihren eigenen Ausgangsrechnungen schulden. Grundsätzlich dürfen Sie Vorsteuer aus Rechnungen ziehen, die Sie erhalten. Voraussetzungen:
- Sie als Unternehmer besitzen eine ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung
- es handelt sich um die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen
- die Lieferungen oder sonstigen Leistungen hat ein anderer Unternehmer für Ihr Unternehmen ausgeführt
Wann ist eine Lieferung oder Leistung nicht „für Ihr Unternehmen ausgeführt“?
Als solches gelten Lieferung, Einfuhr oder innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstands, den Sie als Unternehmer zu weniger als zehn Prozent für Ihr Unternehmen nutzen. Nicht abziehbar sind gemäß § 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) Vorsteuerbeträge im Regelfall auch dann, wenn es sich um betriebliche Aufwendungen handelt, die steuerlich den Gewinn nicht mindern dürfen.
Wäre eine solche Leistung auch eine Betriebsveranstaltung?
Zum Teil. Bezieht ein Unternehmer Leistungen für Betriebsveranstaltungen wie in einem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall (BFH Urteil vom 10.05.2023, Az.: V R 16/21) eine Weihnachtsfeier, ist er nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn diese:
- nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen
- durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bedingt sind
Hierbei erscheint u.a. der erlangte persönliche Vorteil des Arbeitnehmers gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich untergeordnet.
Was bedeutet das?
Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt voraus
- einen direkten und
- unmittelbaren Zusammenhang des Eingangsmit dem Ausgangsumsatz
Wenn Sie als Unternehmer einen Vorsteueranspruch geltend machen möchten, haben die entsprechenden Leistungen einen direkten oder zumindest indirekten Bezug zu Ihren eigenen steuerpflichtigen Umsätzen.
Nehmen wir an, Sie haben ein Maschinenbau-Unternehmen. Sie beziehen Kunststoffteile zum Bau seiner Maschinen von der AB Kunststoff GmbH. Sie selber verkaufen Ihre Maschinen umsatzsteuerpflichtig an Getränkeabfüller. Die Eingangsleistung (= Eingangsumsatz), hier der Kunststoffeinkauf, steht in direkter Verbindung zum Ausgangsumsatz aus umsatzsteuerpflichtigem Verkauf der Maschinen. Deshalb können Sie aus dem Eingangsumsatz die Vorsteuer ziehen.
Nehmen wir nun an, Sie sind Mediziner und lassen Ihre Buchhaltung durch Ihren Steuerberater erstellen. Dessen Rechnungen enthalten 19 Prozent Umsatzsteuer. Da Sie als Mediziner aber ausschließlich umsatzsteuerfreie Gesundheitsleistungen erbringen, steht die Eingangsleistung nicht mit einem umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsatz in Verbindung. Die Vorsteuer aus der Rechnung des Steuerberaters können Sie mithin nicht geltend machen.
Wie sieht es bei der Betriebsveranstaltung aus?
Bei Betriebsveranstaltungen kommt der Vorsteuerabzug unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Umsatzsteuergesetz (UStG) bei überwiegend betrieblichem Interesse in Betracht. Allerdings mit einer Einschränkung: der BFH nimmt bei Betriebsveranstaltungen grundsätzlich eine Leistung für den privaten Bedarf des Personals, nicht aber für Ihr Unternehmen an. In der Steuerfachsprache eine „unentgeltliche Entnahme“, die Sie als Unternehmer gerade nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Keine Regel auch hier ohne Ausnahme: Als Unternehmer bleiben Sie weiterhin zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn es sich um eine Aufmerksamkeit handelt.
Welche Folgen hat der BFH daraus in seinem Urteil gezogen?
Er sieht in Aufmerksamkeiten Zuwendungen von Ihnen als Arbeitgeber, eine Art Geschenke, die im gesellschaftlichen Verkehr üblicherweise ausgetauscht werden und zu keiner ins Gewicht fallenden Bereicherung des Arbeitnehmers führen. Entscheidend sind dabei die vom BFH zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung entwickelten und von der Finanzverwaltung übernommenen lohnsteuerrechtlichen Maßstäbe. Danach handelt es sich um eine Aufmerksamkeit, wenn die Kosten der Betriebsveranstaltung den Freibetrag in Höhe von 110 Euro, ab 2024 150 Euro je Mitarbeiter nicht übersteigen.
Worum ging es in dem vom BFH entschiedenen Fall?
Um einen Verband in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Er führte im Dezember 2015 für seine Arbeitnehmer aus den Bereichen Vorstand sowie Steuer- und Rechtsabteilung und Innendienst der Prüfungsabteilung jeweils einschließlich der Leitungen eine Weihnachtsfeier durch. Von den eingeladenen Arbeitnehmern meldeten sich 32 zur Feier an, 31 Personen nahmen tatsächlich an ihr teil.
Für die betriebliche Weihnachtsfeier mietete der Verband ein Kochstudio an. Während der Veranstaltung bereiteten die teilnehmenden Arbeitnehmer unter Anleitung von Köchen ein Abendessen zum eigenen Verzehr zu. Auf jeden angemeldeten Arbeitnehmer entfielen Kosten von 145 Euro. In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2015 berücksichtigte der Verband keinen Vorsteuerbetrag aus der für die Weihnachtsfeier erteilten Rechnung. Den Vorsteuerabzug beantragte er jedoch mit Schreiben vom 12.02.2016. Eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung in Höhe von 744,78 Euro bestehe auch dann, wenn die Kosten der Veranstaltung die Freigrenze von 110 € je Arbeitnehmer überstiegen. Damals galt noch die Grenze von 110 Euro, die ab 2024 auf 150 Euro angehoben wurde. In seiner zu einer Vorbehaltsfestsetzung führenden Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2015 vom 21.07.2016, die zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde, machte der Kläger keinen Vorsteuerabzug für die Weihnachtsfeier 2015 geltend.
Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 14.10.2015 (BStBl I 2015, 832). Nach seiner Ansicht lagen aufgrund der Überschreitung der 110-Euro-Grenze je Arbeitnehmer keine Aufmerksamkeiten vor. Danach seien Zuwendungen im Rahmen einer Betriebsveranstaltung überwiegend durch den privaten Bedarf des Arbeitnehmers veranlasst, wenn die Aufwendungen pro Arbeitnehmer die Freigrenze von 110 Euro (inklusive Umsatzsteuer) überstiegen. In solchen Fällen entfalle sowohl der Anspruch auf Vorsteuerabzug als auch die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe. Über den dagegen eingelegten Einspruch des Klägers entschied das FA zunächst nicht.
Der Unternehmer klagte vor dem Finanzgericht (FG) – erfolglos. Das Kochevent stelle eine einheitliche Leistung dar; die Kosten des äußeren Rahmens seien daher bei der Berechnung der Freigrenze für Aufmerksamkeiten von 110 Euro zu berücksichtigen. Die Sache ging vor den BFH.
Wie entschied der Bundesfinanzhof?
Er hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom. 10.05.2023, Az.: V R 16/21). Der Vorsteuerabzug für Aufmerksamkeiten bei einer Freigrenze von 110 Euro je Arbeitnehmer und Kalenderjahr richte sich nach der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers. Dabei seien die Kosten des äußeren Rahmens einer Betriebsveranstaltung jedenfalls dann in die Berechnung der 110-Euro-Freigrenze einzubeziehen, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt. Dies habe das Finanzgericht in nachvollziehbarer Weise deswegen bejaht, weil das „Kochevent“ ein marktfähiges Gesamtpaket darstellte, das vom Zusammenspiel der besonderen Örtlichkeit in gehobenem Ambiente und dem gemeinsamen Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken geprägt wurde. Das Herauslösen einzelner Bestandteile wie der Raumkosten aus dieser einheitlichen und einheitlich abgerechneten Leistung führe daher zu einer künstlichen Aufspaltung.
Wie kam der Kläger auf die Herauslösung der Raumkosten?
Aus einer Analogie mit dem Einkommensteuergesetz. Mit Wirkung zum 01.01.2015 wurde in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG die vormals geltende Freigrenze von 110 Euro für Betriebsveranstaltungen durch einen Freibetrag bei der Einkommensteuer in gleicher Höhe ersetzt. Übersteigen die Kosten je Arbeitnehmer 110 Euro, ist nur der übersteigende Betrag als lohnsteuerrechtliche Zuwendung zu erfassen. Für die Ermittlung des Betrags sind dabei sämtliche Kosten, z.B. eben auch Kosten für den äußeren Rahmen wie Raumkosten gleichmäßig auf die tatsächlich anwesenden Teilnehmer zu verteilen.
Für die Umsatzsteuer gelten diese Grundsätze nur eingeschränkt. So bestätigt der BFH die Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF), wonach für den Vorsteuerabzug weiterhin von einer Freigrenze in Höhe von 110 Euro auszugehen ist. Liegen die Kosten für eine Betriebsveranstaltung über 110 Euro je Teilnehmer, besteht insgesamt kein Recht auf Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Veranstaltung. Denn das Umsatzsteuerrecht kennt keine Freibeträge, wie der BFH klarstellt. Dies ergibt sich, nach Ansicht des BFH, so auch aus dem EU-Recht.
Bei der Ermittlung des auf den jeweiligen Teilnehmer entfallenden Betrags orientiert sich der BFH hingegen an den lohnsteuerrechtlichen Grundsätzen. So bestätigt der BFH, dass die Kosten der Veranstaltung zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen sind. Auf nicht teilnehmende Arbeitnehmer können demnach keinerlei Aufwendungen entfallen, für die ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen könnte.
Was bedeutet das für Ihre Praxis als Unternehmen?
Dass die Leistung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmen steht, wenn Sie als Unternehmer eine Leistung, bei der Sie bereits von vornherein beabsichtigen, diese für eine unentgeltliche Wertabgabe oder Entnahme nach § 3 Abs. 9a UStG zu verwenden. In diesem Fall scheidet ein Vorsteuerabzug von vornherein aus.