07.07.2021

Vor und in der Insolvenz: Worauf Sie als vorausschauender Geschäftsführer achten

Als GmbH-Geschäftsführer stehen Sie – wie man sagt – mit einem Bein im Gefängnis. Dies gilt besonders bei einer Insolvenz. Hier lauern mehrere Fallstricke. Besonders sollten Sie sich in der Insolvenzanmeldung, aber auch Haftung und möglicher Entlastung auskennen. Hier wichtige Punkte.

Insolvenz

Versäumnis streng sanktioniert

Melden Sie als Geschäftsführer einer GmbH die Insolvenz zu spät an, kann Sie das teuer zu stehen kommen. Ein solches Versäumnis ist

  • streng sanktioniert
  • regelmäßig eine Straftat
  • der Gefahr zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche gegen Sie als Geschäftsführer ausgesetzt mit teilweise ungeahnt nachteiligen Folgen für Sie

Wenn Sie Verbindlichkeiten noch bedienen, aber nur stockend, dürfen Sie dies; Zahlungsstockung ist noch kein Insolvenzgrund. Als Geschäftsführer melden Sie Insolvenz für Ihre GmbH aber unbedingt bei Insolvenzreife an. Sie ist gegeben, wenn:

  • sie insolvenzrechtlich überschuldet ist oder
  • sie insolvenzrechtlich zahlungsunfähig ist oder
  • Zahlungsunfähigkeit bei bestimmten Warnzeichen droht, z.B. um eigene Haftungsrisiken so gering wie möglich zu halten.

Die Abgrenzung zwischen Zahlungsstockung und Zahlungsunfähigkeit ist für Sie als Geschäftsführer sehr schwierig – mit weitreichenden Folgen. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dürfen Sie als Geschäftsführer nur noch für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend erforderliche Zahlungen leisten.

Warnzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit

Beispiele für solche erste Warnzeichen können sein:

  • Ihre GmbH ist bilanziell überschuldet, h. Ihre Handelsbilanz weist Fehlkapital auf: als Geschäftsführer tun Sie gut daran, eine bilanzielle Überschuldung sofort von einem Fachmann auf eine „insolvenzrechtliche Überschuldungslage“ prüfen zu lassen
  • Ihre GmbH ist insolvenzrechtlich überschuldet, d.h. in Ihrer Bilanz sind keine stillen Reserven mehr vorhanden
  • Ihre Finanzierer drohen mit Kreditkündigungen
  • Sie bekommen auffallend mehr Mahnungen gerichtlicher oder außergerichtlicher Art als bei Ihnen sonst üblich
  • Sie müssen den Ausfall von größeren Forderungen hinnehmen.

Spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit muss Ihr Insolvenzantrag bei Gericht sein, und zwar rechtzeitig. Das sollten Sie nicht unterschätzen. Zumal als Fremdgeschäftsführer sollten Sie keine Skrupel vor den Gesellschaftern haben. Insolvenzverschleppung ist eine Straftat.

Tipp der Redaktion

Als GmbH-Geschäftsführer sind Sie zahlreichen Risiken ausgesetzt, die nicht nur Ihre berufliche, sondern auch Ihre private Existenz bedrohen können. „GmbH-Brief AKTUELL“ hilft Ihnen mit praxisnahen Handlungsempfehlungen die GmbH zu schützen sowie steuerliche Gestaltungsspielräume rechtssicher auszuschöpfen. Haftungsrisiken vermeiden, rechtssicher handeln – volle Sicherheit und steuerliche Vorteile genießen!

Persönliche Haftung nach Eintritt der Insolvenzreife

Wenn Sie als Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen geleistet haben, haften Sie persönlich dafür nach § 64 GmbH-Gesetz (GmbHG) (OLG München, Urteil vom 25.07.2019, Az.: 23 U 2916/17).

Beachten Sie bitte: Für das Verschulden nach § 64 GmbHG reicht es aus, wenn Sie als Geschäftsführer einfach fahrlässig gehandelt haben. Sie können sich also nicht auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches berufen, wonach selbst dem sorgfältigsten Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen und dieser je nach Verschuldensgrad abgestuft haftet:

  • voll bei Vorsatz und grob fahrlässigem Handeln,
  • geteilt mit dem Arbeitgeber bei mittlerer Fahrlässigkeit,
  • nicht bei leichter Fahrlässigkeit.

Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn Ihre Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, also privilegiert sind wie etwa für in die Insolvenzmasse geflossene und zu diesem Zeitpunkt verwertbare Gegenleistungen.

Besonders fordern Ihre Aufmerksamkeit als Geschäftsführer Zahlungseingänge auf Ihrem Geschäftskonto. Auch hierfür haften Sie als Geschäftsführer. Grund: Regelmäßig werden GmbH-Geschäftskonten als debitorische Konten geführt. Das heißt, auf dem Geschäftskonto kann ein Soll (Debet) entstehen, weil die kontoführende Bank etwa Lastschriften von Gläubigern einlöst. Gehen auf dem Konto Zahlungen ein, verrechnet man diese mit dem zugunsten der kontoführenden Bank bestehenden Saldo.

Dadurch werden deren Ansprüche vorrangig befriedigt. In einer Insolvenz verringert sich die den übrigen Gläubigern zur Verfügung stehende Masse in der Höhe, in der Zahlungseingänge auf das Geschäftskonto eingegangen sind und verrechnet wurden.

Das Problem: Leisten Sie Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, vermutet man, dass Sie als Geschäftsführer Ihrer GmbH schuldhaft gehandelt haben. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt hier also nicht. Sie können sich als Geschäftsführer Ihrer GmbH gegen die Schuldvermutung schützen, indem Sie den Nachweis erbringen, als Geschäftsführer Ihren Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen zu sein.

Für BGH mögliche Entlastung für Zahlung bei Insolvenzreife

Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Liste der Anforderungen an Geschäftsführer aufgestellt, um sich von einer Haftung für Zahlungen nach der Insolvenzreife zu entlasten (BGH, 06.11.2018, Az.: II ZR 11/17). Er fordert grundsätzlich zweierlei für eine Entlastung:

  • wirksame Aufgabenverteilung,
  • Erfüllung Ihrer Kontrollpflichten als Geschäftsführer.

Manche Pflichten können Sie als GmbH-Geschäftsführer delegieren, andere müssen Sie persönlich erfüllen. Sie können intern eine Aufgabenverteilung in Form einer Ressortzuweisung oder Ressortverteilung unter den einzelnen Geschäftsführern vornehmen. Eine Ressortzuweisung muss bestimmte Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber den Mitgeschäftsführern ordnungsgemäß wahrnehmen. Einer klaren Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben muss eine von allen Organmitgliedern mitgetragenen Ressortzuweisung zugrunde liegen. Von dieser fordert der BGH, dass

  • alle Geschäftsführungsaufgaben unter den Mitgliedern der Geschäftsführung verteilt sind,
  • jeweils fachlich und persönlich geeignete Personen die einzelnen Aufgaben übernehmen und
  • die Zuständigkeit des Gesamtorgans für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung gewahrt wird.

Sie als Geschäftsführer müssen, so der BGH weiter, nachweisen, dass Sie Ihren Kontrollpflichten gegenüber den Mitgeschäftsführern nachgekommen sind. Ein regelmäßiger Austausch zwischen den Mitgeschäftsführern reicht nicht. Vielmehr sind Sie als Geschäftsführer verpflichtet,

  • sich ein eigenes Bild vom Geschäftsbereich zu machen anhand von:
  • einzelnen Besprechungsinhalten
  • gezielten Nachfragen
  • Plausibilitätsprüfung durch Abgleich mit den wesentlichen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens
  • in kleineren Unternehmen mit den betriebswirtschaftlichen Auswertungen,
  • auf eine Kontrolldichte innerhalb eines Geschäftsjahres hinzuwirken, entsprechend großen Umfanges abgeleitet aus:
  • den Jahresabschlüssen ersichtlichen Geschäftszahlen Ihrer GmbH und
  • aus Ihrem Vorbringen.

Im Krisenfall sind Kontrollen besonders wichtig. Von Ihnen als Geschäftsführer geleistete Zahlungen nach der Insolvenzreife müssen Sie nicht ersetzen, sofern Sie die aufgrund Ihrer Zahlung verursachte Schmälerung der Masse durch eine Gegenleistung ausgleichen. Die Gegenleistung muss aber für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Das sei bei Arbeits- oder Dienstleistungen nicht der Fall (BGH Urteil vom 04.07.2017, Az.: II ZR 319/15 und BGH Beschluss vom 24.09.2019, Az.: II ZR 248/17).

Ihr Schutz als Geschäftsführer vor Haftung bei Zahlungseingang auf ein Geschäftskonto

Vor persönlicher Haftung bei von Dritten auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft eingezahlte und dadurch der Insolvenzmasse verloren gegangene Gelder sind Sie als Geschäftsführer geschützt, wenn etwa die dem Zahlungseingang auf ein debitorischen Konto zugrunde liegende Forderung Ihrer GmbH

  • bereits vor Eintritt der Insolvenzreife anlässlich einer Globalzession an die Bank abgetreten waren und
  • die Forderung vor Eintritt der Krise bestand sowie werthaltig war.

Um speziell im Krisenfall Zahlungseingänge auf ein debitorisches Konto zu verhindern, halten Sie als Geschäftsführer ein kreditorisches, auf Guthabenbasis geführtes Konto bei einer anderen Bank vor. Zudem sorgen Sie dafür, dass Zahlungseingänge nur auf dieses Konto eingehen. Ihnen als GmbH-Geschäftsführer kann man nicht nachdrücklich genug raten, die Vermögenslage Ihrer Gesellschaft gerade in Krisenzeiten besonders im Auge zu behalten.

Wichtige Tipps für die Praxis bei Eintritt der Insolvenzreife

  • Beachten Sie als GmbH-Geschäftsführer die wirtschaftliche Lage Ihres Unternehmens laufend!
  • Bei Anzeichen einer Krise verschaffen Sie sich mittels einer Vermögensaufstellung einen Überblick über den Stand Ihrer GmbH.
  • Von Ihnen geplante Zahlungen überprüfen Sie zuvor auf Vereinbarkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes!
  • Die geplanten Zahlungen müssen geeignet sein, noch größere Nachteile für Ihr Unternehmen zu vermeiden!
  • Sie als Geschäftsführer darf deshalb kein Verschulden treffen.
  • Prüfen Sie als Geschäftsführer im Falle einer erkennbaren Überschuldung, ob für Ihre Gesellschaft eine positive Fortführungsprognose besteht! Umsatzsteigerungen seit Insolvenzreife allein reichen dafür nicht als Beleg.
  • Führen Sie eine Plausibilitätskontrolle Ihrer Prüfungsergebnisse durch! Verlassen Sie sich dabei nicht auf externen Sachverstand!
  • Wenn Sie als Geschäftsführer bei Insolvenzreife Gegenleistung für eine Zahlung leisten, prüfen Sie sie auf:
  • Gleichwertigkeit,
  • tatsächliche Verwertbarkeit für die Gläubiger.

Als Geschäftsführer können Sie eigene Handlungen oder Gegenstände eigener Wahrnehmung nicht mit Nichtwissen erklären, wenn sie die Möglichkeit haben, etwaige Erinnerungslücken durch eine Einsicht in die von Ihnen geführte Buchhaltung zu beseitigen.

  • Ist das nicht der Fall, wägen Sie ab:
  • Ist die Zahlung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs unausweichlich?
  • Ist sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu vereinbaren.

Trifft das ebenfalls nicht zu, droht Ihnen als Geschäftsführer einer GmbH die Haftung.

Besondere Haftungsfälle bei Insolvenz

Bei Eintritt der Insolvenzreife und Durchführung der Insolvenz kann es u.a. zu folgenden Haftungsfällen kommen:

  • Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen
  • Haftung als Organtochter für Umsatzsteuer
  • Ihre Haftung als Geschäftsführer gegenüber Ihrem Geschäftspartner

Ein Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen kann zwar die Überschuldung und die Zahlungsunfähigkeit beseitigen, unter Umständen aber steuerrechtlich Sanierungsgewinne bedeuten. Eine Besteuerung aber kann die gewünschten Effekte auf Überschuldung und Zahlungsfähigkeit wieder zunichtemachen. Früher hätte das Finanzamt die Sanierungsgewinne nicht besteuert. Grundlage dazu war der Sanierungserlass. Der Bundesgerichtshof hob die bisherige Praxis auf. Worum es in dem Fall im Einzelnen ging, haben wir in dem Beitrag „Unternehmen umgehen Verbot des Sanierungserlasses“ zusammengetragen.

Geht Ihr Unternehmen in einer Organschaft insolvent, kann dies zu erheblichen Steuerforderungen der Finanzbehörden führen – und zwar an Sie als Organtochter. Für das Finanzamt ist in einer Organschaft die Organmutter der umsatzsteuerliche Unternehmer. Nur sie gibt eine Umsatzsteuererklärung und Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Das ist unstrittig. Die Umsätze der Organtochter, auch als Organgesellschaft bezeichnet, werden der Organmutter – oder Organträger – zugerechnet, wenn zwischen beiden eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht. Welche Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft gelten, lesen Sie in unserem Beitrag „Diese Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug einer Holding sollten Sie kennen!“. Kommt es zu einem Umsatzsteuerausfall bei der Organmutter, haften Sie als Organtochter dafür.

Wenn bei Ihnen als GmbH in Insolvenz nichts mehr zu holen ist, werden Gläubiger wenig Aussicht auf Erfolg mit dem Versuch haben, Sie als Geschäftsführer persönlich auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Anspruch zu nehmen, etwa wegen

  • Insolvenzverschleppung,
  • Betrugs,
  • Verletzung von Geschäftsführerpflichten.

Dieser Weg erwies sich vor dem BGH schon einmal als Sackgasse (BGH, Urteil vom 07.05.2019, Az.: VI ZR 512/17). Der lehnte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ab. Dafür reicht für den BGH eine Pflichtverletzung von Ihnen als Geschäftsführer der insolventen GmbH nicht aus, selbst wenn sie zu einem Vermögensschaden führen würde. Vielmehr müsse Ihr Verhalten als Geschäftsführer gerade auch im Verhältnis zu dem Vertragspartner sittenwidrig sein. Was hier für den BGH sittenwidrig ist, wo der Punkt erreicht wäre, an dem er einem entsprechenden Vorbringen stattgeben würde und wie Sie Vertragspartner Ihrer GmbH absichern können, dazu alles Wissenswerte in dem Beitrag „Haftung des Geschäftsführers gegenüber Geschäftspartnern“.

Um Vertragspartner Ihrer Gesellschaft vor dem Risiko des Forderungsausfalls bei Insolvenz oder Überschuldung der GmbH zu schützen, ist an eine vertragliche Vereinbarung mit dem Geschäftsführer zu denken, wonach dieser die Ansprüche der Vertragspartner aus laufender Geschäftsbeziehung regelmäßig durch eine Bürgschaft absichert. Wir haben eine Musterformulierung für selbstschuldnerische Bürgschaft zum Download für Sie vorbereitet.

Autor*in: Franz Höllriegel