18.04.2024

Verlustabzugsbeschränkung nach § 15a EStG

Das Gesetz ist für alle Menschen gleich. Das meint Art. 3 Grundgesetz, drückt es nur verkehrt aus, alle Menschen wären vor dem Gesetz gleich. Auch das Steuerrecht besteuert nach persönlicher Fähigkeit. Beim Verlustabzug von Kommanditisten gibt es allerdings Ausnahmen.

Verlustabzugsbeschränkung nach § 15a EStG

Wieso drückt Art. 3 Grundgesetz es verkehrt aus?

Weil ja gemeint ist, dass das Gesetz gleich ist, nicht die Menschen. Wäre es anders, bräuchte man keine Gerichte, deren Aufgabe es ist, die Gesetze nach der Verschiedenartigkeit der Menschen auszulegen. Die italienische Verfassung bestimmt richtig: Das Gesetz ist gleich für alle (La legge è uguale per tutti). Dem trägt das deutsche Steuerrecht Rechnung, indem es nach persönlicher Fähigkeit der Menschen besteuert.

Was sieht das Steuerrecht für die Verrechnung von Verlusten vor?

Grundsätzlich die Verrechnung:

  • von Verluste mit Gewinnen,
  • Betriebsausgaben mit Betriebseinnahmen.

Was bestimmt es für den Verlustabzug bei einem Kommanditisten?

Entsteht ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten oder erhöht es sich, dürfen Sie als Kommanditgesellschaft den diesem zuzurechnenden Anteil am Verlust nach § 15a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht verwenden – insoweit auch nicht nach § 10d EStG – zum Ausgleich:

  • mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb
  • mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten

Was besagt § 10d EStG?

Dass Sie negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem bestimmten unterschiedlichen Betrag, je nachdem ob  bei Ehegatten zusammenveranlagt oder nicht, vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen – und das vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen.

Wo kommt das Grundgesetz ins Spiel?

Wo es von dem sogenannten objektiven Nettoprinzip ausgeht. Dieses ist eine Ausprägung des Gleichheitssatzes im Art. 3 Grundgesetz. Einfach übersetzt: Jeder wird nach seiner persönlichen Leistungsfähigkeit gleichmäßig besteuert. Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor. Die Verlustabzugsbeschränkung von Kommanditisten § 15a EStG ist ein solcher Fall.

Nehmen wir an, Sie betreiben als Unternehmer zwei selbstständige Gewerbebetriebe. Der eine erzielt einen Gewinn, der andere einen Verlust. Steuerlich dürfen Sie den Verlust vom Gewinn abziehen und versteuern die Differenz.

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Etwas anderes ist es, wenn Sie ein Einzelunternehmen betreiben und zusätzlich als Kommanditist an einer anderen GmbH & Co. KG beteiligt sind. Das Einzelunternehmen erzielt einen Gewinn. Aus der GmbH & Co. KG entfällt auf Ihren Kommanditanteil ein Verlust von 100.000 Euro, der Ihr Kapitalkonto in der Gesellschaft erhöht. Steuerlich dürfen Sie den Verlust aus dem Kommanditanteil nicht mit dem Gewinn des Einzelunternehmens verrechnen. Den Gewinn des Einzelunternehmens versteuern Sie voll.

Zwei Einzelunternehmen einerseits und Einzelunternehmen/KG-Anteil andererseits: verstößt der Unterschied nicht gegen das Grundgesetz?

Nein!

Warum nicht?

Der Kommanditist ist durch seinen Verlustanteil wirtschaftlich nicht belastet. Wäre es anders, würde das objektive Nettoprinzip des Grundgesetzes bestimmen, dass der Verlust abzugsfähig sein muss. Die Kommanditeinlage ist zwingend ins Handelsregister einzutragen. Dieser eingetragene Wert ist maßgebend für die steuerliche Verlustverrechnung.

Was ist eine Kommanditgesellschaft?

Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, wenn

  • bei einem oder bei einigen Gesellschaftern, den Kommanditisten oder Teilhaftern, die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist,
  • bei dem anderen Teil der Gesellschafter, den persönlich haftenden Gesellschaftern eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet.

Die Haftung des Kommanditisten ist deshalb auf seine Einlage begrenzt. Ist die Einlage in die Gesellschaft erbracht, haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft nicht mehr unmittelbar. Im schlimmsten Fall kann er durch Untergang der Gesellschaft seine komplette Einlage verlieren. Eine Nachhaftung oder Nachschusspflicht besteht nicht.

Nehmen wir wieder an, Sie haben Ihre Kommanditeinlage von 10.000 Euro an die Gesellschaft geleistet. Sie bekommen einen Verlustanteil von 100.000 Euro zugewiesen. Ihr Kapitalkonto wird also mit 90.000 Euro negativ. Abzugsfähig von dem 100.000-Euro-Verlust sind deshalb nur 10.000 Euro (100.000 Euro minus 90.000 Euro).

Nur Ihre 10.000-Euro-Einlage ist verbraucht. Die weiteren 90.000 Euro belasten Sie nicht – Sie sind nicht verpflichtet, diesen Verlust auszugleichen. Dieser nicht ausgeglichene Verlust wird in der Bilanz auf Ihrem rechnerischen Kapitalkonto gespeichert.

Die Verlustabzugsbeschränkung verstößt folglich nicht gegen das objektive Nettoprinzip, weil Sie durch den rechnerischen Verlustanteil, der über eine Kapitaleinlage hinausgeht, wirtschaftlich nicht belastet sind.

Sind damit alle Verlustverrechnungsmöglichkeiten ausgeschlossen?

So ziemlich. Wie gezeigt, beschränkt § 15a EStG den Verlustabzug. Eine Verrechnung mit positiven, anderen Einkünften in dem Kalenderjahr ist nicht möglich. Selbst ein Verlustrücktrag in das vorherige Jahr nach § 10d EStG ist nicht erlaubt. Was bleibt, ist der Verlustvortrag ins nächste Jahr. Damit Sie bestimmte negative Einkünfte nicht doch mit anderen positiven Einkünften verrechnen dürfen, hat der Gesetzgeber § 15b EStG geschaffen. Mit ihm will er Steuermodellen entgegenwirken, die künstlich Verluste erzeugen, um Steuern sparen zu können. Die Verluste gehen zwar nicht verloren, Sie als steuerpflichtiges Unternehmen dürfen sie aber nur mit Gewinnen in der Zukunft aus der gleichen bisherigen Verlust-Einkommensquelle verrechnen.

Was sind Voraussetzungen für die Verlustabzugsbeschränkung?

Die Verlustabzugsbeschränkung wird wirksam, wenn

  1. Verluste entstanden sind,
  2. die im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell stehen.

Diese Verlustabzugsbeschränkung gilt über entsprechende Verweis-Vorschriften ebenfalls bei

  • Gewerbesteuer und
  • Körperschaftsteuer

Sie greift aber nur, wenn innerhalb der Anfangsphase das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals zehn Prozent übersteigt.

Was ist ein Steuerstundungsmodell?

Mit ihm wollen Sie aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielen. Ihnen als Steuerpflichtigem soll dies aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit bieten, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen.

Bei Beteiligung an einer Gesellschaft oder Gemeinschaft kann ein Indiz für die Annahme eines Steuerstundungsmodells sein, wenn Sie als Anleger vorrangig eine kapitalmäßige Beteiligung ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung anstreben.

Was wären Beispiele für ein Steuerstundungsmodell?

Regelmäßig z.B. geschlossene Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft, die Ihnen als Anleger in der Anfangsphase steuerliche Verluste zuweisen. Das trifft auch zu, wenn Sie als Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit die Möglichkeit haben, auf die Vertragsgestaltung Einfluss zu nehmen. Hierzu gehören beispielsweise:

  • Medienfonds
  • Gamefonds
  • New-Energy-Fonds
  • Lebensversicherungszweitmarktfonds
  • geschlossene Immobilienfonds.
  • 15b EStG erfasst zudem modellhafte Anlage- und Investitionstätigkeiten einzelner Steuerpflichtiger außerhalb einer Gesellschaft oder Gemeinschaft. Eine solche Einzelinvestition könnte beispielsweise ein Darlehen gekoppelt mit Lebens- und Rentenversicherung gegen Einmalbetrag sein.

Der Erwerb einer Eigentumswohnung vom Bauträger zum Zweck der Vermietung stellt grundsätzlich keine modellhafte Gestaltung dar, es sei denn, Sie als Anleger nehmen modellhafte Zusatz- oder Nebenleistungen wie z. B. Vermietungsgarantien vom Bauträger selbst oder eine nahestehende Person in Anspruch, die den Steuerstundungseffekt ermöglichen sollen.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem Anwendungsschreiben näher zu § 15b EStG ausgeführt (Schreiben vom 17.07.2007, Az.: IV B 2 – S 2241 b/07/0001; https://tinyurl.com/5beh2h6t). So ist diese Vorschrift auch anzuwenden bei Einkünften aus:

  • Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG)
  • selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)
  • Kapitalvermögen (§ 20 EStG)
  • Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
  • sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG

Für die Modellhaftigkeit typisch ist demnach die Bereitstellung eines Bündels an Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen. Letztere führen zur Modellhaftigkeit eines Vertragswerkes, wenn sie es nach dem zugrunde liegenden Konzept ermöglichen, den sofort abziehbaren Aufwand zu erhöhen. Für die Modellhaftigkeit spricht weiter das Vorhandensein eines vorgefertigten Konzepts, das die Erzielung steuerlicher Vorteile aufgrund negativer Einkünfte ermöglichen soll, gerne auch vermarktet z.B. mittels:

  • Anlegerprospekten
  • Katalogen
  • Verkaufsunterlagen
  • Beratungsbögen usw.
  • Blindpools, also Gesellschaften oder Gemeinschaften, bei denen zum Zeitpunkt des Beitritts der Anleger das konkrete Investitionsobjekt noch nicht bestimmt ist, haben ebenfalls meistens ein vorgefertigtes Konzept in diesem Sinne. Nur wenn der Anleger die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung vorgibt, handelt es sich nicht um ein vorgefertigtes Konzept.

Schließlich können gleichgerichtete Leistungsbeziehungen ebenfalls zur Anwendung des § 15b EStG führen, wenn Zusatz- und Nebenleistungen, die den Steuerstundungseffekt ermöglichen sollen, unmittelbar vom Modellinitiator angeboten werden. Dabei werden gleichartige Verträge mit mehreren identischen Vertragsparteien abgeschlossen, z. B. mit:

  • demselben Treuhänder
  • demselben Vermittler
  • derselben Finanzierungsbank

Die Anwendung von § 15b EStG schreibt das BMF nur vor, wenn steuerliche Vorteile in Form von negativen Einkünften erzielt werden sollen. Bei vermögensverwaltenden Venture Capital und Private Equity Fonds steht die Erzielung nicht steuerbarer Veräußerungsgewinne im Vordergrund, so dass diese Vorschrift auf diese Fonds regelmäßig keine Anwendung findet, weil die Erzielung negativer Einkünfte grundsätzlich nicht Gegenstand des Fondskonzepts ist.

Wie weit geht die Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15b EStG?

Findet sie dem Grunde nach Anwendung, erstreckt sie sich auf sämtliche Verluste aus diesem Steuerstundungsmodell, wie z.B.:

  • nicht modellhafte Sonderbetriebsausgaben oder Sonderwerbungskosten bei individueller Finanzierung der Anlage durch Sie als Anleger
  • nicht prognostizierte Aufwendungen bei unerwartetem Erhaltungsaufwand

Die Verluste, die den Abzugsbeschränkungen nach § 15b EStG unterliegen, werden jährlich gesondert festgestellt. Zuständig für den Erlass des Feststellungsbescheids ist bei Gesellschaften oder Gemeinschaften das für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus dem Steuerstundungsmodell zuständige Finanzamt.

Autor*in: Franz Höllriegel