18.08.2017

Unternehmen gehen unterschiedlich mit Negativzinsen um

Die Niedrigzinspolitik ist zutiefst undemokratisch. Sie wird bestimmt von einer knappen, aber stabilen Mehrheit der südeuropäischen, hoch verschuldeten Mitgliedstaaten des Euro-Raumes. Bezahlt wird sie unter anderem von Unternehmen – über Negativzinsen bei ihrer Bank.

Negativzinsen und wie unterschiedlich Unternehmen mit ihnen umgehen

Hans-Werner Sinns vernichtendes Urteil über die Niedrigzinspolitik

Das vernichtende Urteil über die Niedrigzinspolitik und ihre Betreiberin, die Europäische Zentralbank (EZB), stammt von niemand Geringerem als dem früheren Präsidenten des Münchner ifo Instituts, Prof. Hans-Werner Sinn. Erst jetzt wartet das Institut wieder mit erhellendem Zahlenmaterial zu der Problematik auf.

Banken fordern Negativzinsen

Danach ist fast jedes fünfte Unternehmen in Deutschland von seiner Bank mit Negativzinsen auf Einlagen konfrontiert worden. Mittlere und große Unternehmen waren deutlich häufiger betroffen als kleine Unternehmen.

Auch regional gibt es große Unterschiede. Am stärksten betroffen sind Firmen in Sachsen, Bayern und Thüringen. Das hat das ifo Institut in einer Umfrage unter 4000 Firmen aus Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungen ermittelt.

Unternehmen akzeptieren Negativzinsen nicht

Die Unternehmen versuchten jedoch mehrheitlich, die Negativzinsen zu umgehen. So heißt es in einer Mitteilung des Instituts an die Presse. Die häufigsten Reaktionen seien Verhandlungen mit der Bank sowie ein Wechsel zu einer Bank, die noch keine negativen Zinsen auf Einlagen erhebt.

Auch Umschichtungen zwischen Finanzanlagen oder Unternehmensteilen sowie eine Erhöhung der Investitionstätigkeit kamen oft vor. „Insbesondere letztere Reaktion ist aus volkswirtschaftlicher Perspektive interessant, da sie nicht nur monetäre, sondern auch realwirtschaftliche Auswirkungen hat“, sagt Christa Hainz, eine der Co-Autorinnen der Studie.

Verhandlungen mit Bank oder Umschichten

Negativzinsen drohten demnach 18,9 Prozent der Unternehmen.

  • 48,9 Prozent der Firmen begannen daraufhin Verhandlungen mit der Bank.
  • 36 Prozent der Firmen wechselten zu einer Bank, die keine Negativzinsen erhebt.
  • 30 Prozent schichteten in andere Finanzanlagen um oder zahlten Kredite zurück.
  • 29 Prozent schichteten Geld innerhalb des Unternehmens um.
  • Ihre Investitionen erhöht oder vorgezogen haben elf Prozent.
  • Negativzinsen akzeptiert haben nur acht Prozent.
  • Die Bargeldhaltung erhöht haben vier Prozent.

Unterschiedliche Negativzinspolitik nach Ländern

Am meisten mit Negativzinsen konfrontiert waren der Studie zufolge Unternehmen in

  • Sachsen (29,8 Prozent)
  • Bayern (23,0)
  • Thüringen (21,3)
  • Hamburg (20,8)
  • Nordrhein-Westfalen (19,6)
  • Mecklenburg-Vorpommern (19,2)

KMU am meisten betroffen

Am wenigsten betroffen waren kleine Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern (10 Prozent). Bei den mittleren Unternehmen lag dieser Wert bei 26 Prozent und bei großen Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern bei 29 Prozent. Die Ertragslage stark beeinflusst haben Negativzinsen 8 Prozent der Firmen, weniger stark 39 Prozent und 53 Prozent unwesentlich oder gar nicht.

Sparen wird bestraft – ohne Nutzen

Ist also alles halb so wild und die Aufregung über Negativ- oder Strafzinsen übertrieben? Nein, kommentiert Barbara Schäder in der „Stuttgarter Zeitung“. Es bleibe ein Grundproblem, wenn Sparen bestraft wird – und das ohne erkennbaren Nutzen.

Anders als Steuern oder Abgaben würden die Strafzinsen ja nicht zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt. Sie mindern lediglich die Kosten, die den Banken durch die Negativzinsen der EZB entstehen.

Anforderungen der Banken

Auch von den Negativzinsen abgesehen stellt die Einlage bei der Bank an Unternehmen gewisse Anforderungen. So gewinnt zwar der elektronische Kontoauszug in der täglichen Praxis nicht zuletzt auf Betreiben der Kreditinstitute immer mehr an Bedeutung, wenn auch zum Teil auch aus praktischen Erwägungen der Unternehmerschaft, wie „GmbH-Brief AKTUELL“ (11/2017 August) schreibt.

Allerdings lässt sich demnach eine durchgehende Standardisierung der Formate bisweilen noch nicht erkennen, denn es gibt den elektronischen Auszug sowohl als reine Bilddatei, etwa im bekannten TIF- oder PDF-Format, als auch im maschinell auswertbaren CSV-Format. Alles Wissenswerte hierzu lesen Sie in dem Newsletter für Finanzsicherheit.

Autor*in: Franz Höllriegel