22.08.2019

Umstrukturierung keine Beschäftigungsgarantie für Schwerbehinderte

Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hat keine Beschäftigungsgarantie, wenn sein Arbeitsplatz weggefallen ist. Der Arbeitgeber muss nur mögliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an einem anderen freien Arbeitsplatz berücksichtigen, eine neue Stelle muss er nicht schaffen, erklärte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil.

Bei einer Umstrukturierung kann man nicht davon ausgehen, dass es eine Beschäftigungsgarantie für Schwerbehinderte gibt.

Der Fall in der Praxis

Das Urteil des BAG hat für einen schwerbehinderten Hilfsarbeiter eines metallverarbeitenden Betriebs in Nordrhein-Westfalen den endgültigen Jobverlust zur Folge. Zuvor hatte sein Arbeitgeber aufgrund finanzieller Probleme Insolvenz anmelden müssen. Der Betrieb sollte zunächst in Eigenverwaltung fortgesetzt werden. Laut eines Interessenausgleichs mit Namensliste waren eine Umstrukturierung sowie der Wegfall von Arbeitsplätzen geplant. Letztendlich hat das Gericht entschieden, dass es bei einer Umstrukturierung keine Beschäftigungsgarantie für Schwerbehinderte gibt.

Denn die Umstrukturierung im genannten Fall hatte auch den schwerbehinderten Hilfsarbeiter betroffen, der nach der Zustimmung des Integrationsamts die Kündigung erhalten hatte. Seine Aufgaben (Hilfstätigkeiten) sollten in Zukunft seine Fachkollegen übernehmen.

Fähigkeiten schwerbehinderter Menschen sind voll zu verwerten

In seiner Kündigungsschutzklage verwies der schwerbehinderte Arbeitnehmer auf den im Sozialgesetzbuch IX verankerten Beschäftigungsanspruch für schwerbehinderte Arbeitnehmer. Danach können Schwerbehinderte von ihrem Arbeitgeber die Durchführung des Arbeitsverhältnisses entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation bis zur Grenze des Zumutbaren verlangen.

Dementsprechend sind Arbeitgeber verpflichtet, die Fähigkeiten und Kenntnisse schwerbehinderter Menschen voll zu verwerten, weiterzuentwickeln und die Arbeitsstätten behinderungsgerecht einzurichten. Dieser Verpflichtung sei sein ehemaliger Arbeitgeber jedoch nicht nachgekommen.

Keine Beschäftigungsgarantie für Schwerbehinderte in diesem Fall

Für das BAG war die Kündigung rechtmäßig. Der herangezogene Beschäftigungsanspruch für schwerbehinderte Arbeitnehmer gelte nämlich nur, wenn es eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gebe.

Im Entscheidungsfall war der Arbeitsplatz aber aufgrund der Umstrukturierung weggefallen. Die Arbeitgeberseite sei nicht verpflichtet, „für den Kläger einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten, den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigt“, so das BAG.

Eine Beschäftigungsgarantie gebe es nicht (BAG, Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 AZR 329/18).

Autor*in: Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa