Fristlose Kündigung: über Beleidigungen bei menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen
Ein interessantes Urteil kommt aus Thüringen, wo das dortige LAG eine fristlose Kündigung wegen Beleidigung von Chef und Kollegen kassierte. Der Grund: Die Arbeitsbedingungen waren menschenunwürdig.
Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Einer Arbeitnehmerin wurde gekündigt, sie klagte gegen die Kündigung, gewann und wollte an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Dort erwartete sie jedoch eine Überraschung der besonderen Art.
Ihr Arbeitsplatz war in einen Kellerraum verlegt worden, wo sie Archivarbeiten vornehmen sollte.
Es herrschte eine Temperatur von 11 °C, an den Wänden schimmelte es und offenbar fanden auch jede Menge Mäuse dort ihr Vergnügen. Später gab man ihr wohl aber doch ein Büro, sie musste aber schwere Akten über den Hof transportieren, um ihre Arbeit zu verrichten.
„Fette und blöde“ Kollegen
Irgendwann wurde es der Dame aber wohl zu viel. Sie beschwerte sich am Telefon bei einer ehemaligen Arbeitskollegin über ihren Chef und die Kollegen. Der ganze Flur stinke, wenn der Chef ihn betrete und die Kollegen bezeichnete sie als fett und blöd. Das kam offenbar dem Vorgesetzten zu Ohren, der sofort die fristlose Kündigung aussprach. Die Mitarbeiterin erhob daraufhin erneut Kündigungsschutzklage. Mit Erfolg!
LAG kassiert fristlose Kündigung
Sowohl die erste Instanz als auch das LAG Thüringen hielten die fristlose Kündigung für unwirksam. Die Beleidigungen gegen den Vorgesetzten sowie die Kollegen seien hier in einem milderen Licht zu bewerten, da die Arbeitnehmerin augenscheinlich unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen arbeiten musste. Das sei jetzt keine Rechtfertigung für die Beleidigungen, aber eine Zumutung.
Entsprechend erhöht sei daher das Maß an Zumutbaren, welches die Arbeitgeberseite hinzunehmen habe. Aufgrund der geschilderten Arbeitsbedingungen habe die Dame sich offenbar in einer emotionalen außergewöhnlichen Situation befunden. Hier könne der Blick auf die Bedeutung einer Äußerung durchaus einmal verstellt sein. Eine Abmahnung sei daher hier das angemessenere Mittel gewesen (LAG Thüringen, 29.06.2022 – 4 Sa 212/13).