23.06.2017

Telekom stellt Bildungsteilzeit gegen Befristung

Nationales Qualifizierungskonzept auf Teilzeitbasis. Immer mehr Menschen befürchten die Folgen der Digitalisierung. Ihr Job könnte wegfallen. Abhilfe könnte ein Vorschlag von Telekom für ein Qualifizierungskonzept auf Teilzeitbasis bringen. Teilnehmer von Lehrgängen bekämen eine mehrjährige Beschäftigungsgarantie.

Digitalisierung, Hände an Tastatur

Qualifizieren gegen Arbeitslosigkeit

Sich heute qualifizieren, morgen nicht arbeitslos sein: ein nationales Qualifizierungskonzept auf Teilzeitbasis haben dafür vergangene Woche Telekom-Personalvorstand Christian P. Illek und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgestellt. Die Idee der Bildungsteilzeit soll ein ökonomisch und sozialpolitisch attraktives Präventionsmodell für Menschen sein, deren Aufgaben durch die zunehmende Digitalisierung wegfallen könnten. Erfolgreiche Teilnehmer von zertifizierten Bildungslehrgängen erhielten dabei vom Unternehmen eine mehrjährige Beschäftigungsgarantie.

Mehr Jahresgehalt als bei Altersteilzeit

Das Modell funktioniert ähnlich wie das bewährte Altersteilzeitmodell: Der Beschäftigte reduziert seine Arbeitszeit auf durchschnittlich die Hälfte, erhält aber nicht nur ein halbes Monatsgehalt, sondern 80 Prozent seines Jahresbruttogehalts – finanziert durch Zuschüsse zu zehn Prozent von Unternehmen und zu 20 Prozent vom Staat. Falls im Betrieb vorhanden, könnten Arbeitnehmer zusätzlich die in so genannten Lebensarbeitszeitkonten angesparten Zeit- oder Wertguthaben für den Qualifizierungsaufwand nutzen. Die Dauer der Bildungszeit kann dabei über einen Zeitraum von ein bis vier Jahren laufen. Ein weiterer Vorteil für Arbeitnehmer: Auch die Rentenbeiträge werden von Unternehmen und Staat durch einen jeweils 20-prozentigen Zuschuss auf 90 Prozent aufgestockt. Die Gefahr von Altersarmut wäre, so die Vorstellung der Väter der Idee, mithin gebannt.

Bildungsteilzeit bei Bedrohung durch Digitalisierung

In den Genuss der Bildungsteilzeit kämen alle Mitarbeiter in Unternehmen, die mindestens fünf Jahre lang im Betrieb beschäftigt sind und deren aktuelle Aufgaben, objektiv geprüft, durch die Digitalisierung bedroht sind. Gemeinsam mit dem Arbeitgeber würden staatlich zertifizierte Fortbildungsmaßnahmen definiert, die den Beschäftigten künftig befähigen, neue Aufgaben im Unternehmen zu übernehmen. Während der Bildungszeit bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen. Bei erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung winke eine von den Sozialpartnern zu verhandelnde langfristige Jobgarantie.

Negative Konsequenzen von Digitalisierung

Illek zufolge führt die Digitalisierung in vielen Branchen und Berufen zu einer drastischen Umbruchphase. Vorhandene Geschäftsmodelle gerieten zunehmend unter Druck und damit auch die Aufgaben der Beschäftigten – „mit negativen Konsequenzen für Staat, Wirtschaft und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, so Illek. Digitalisierungsverlierer könne man sich nicht leisten und wolle es auch nicht. Mit ihrem Vorschlag für eine betriebliche Bildungsrevolution will die Telekom Politik und Wirtschaft einladen, ein Zukunftsmodell für Deutschland mitzugestalten. Illek: „Deshalb müssen wir jetzt handeln.“

Nicht an Symptomen der Digitalisierung  herumdoktern

Es komme darauf an, so Illek weiter, nicht an Symptomen der Digitalisierung  „herumzudoktern, sondern durch vorausschauendes Handeln zukunftsfeste und finanzierbare Modelle für das digitale Zeitalter zu entwickeln“. Bei der Idee für das Deutschland-Modell habe man den sozial gerechten Ausgleich der beteiligten Interessen und vor allem den Erhalt des sozialen Schutzes für Beschäftigte fest im Blick. „Statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, sollten wir die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen sichern. Wirkungsvolle Prävention statt nachträglicher Reparatur ist dabei die Richtschnur“, bringt es der Telekom-Personalchef auf den Punkt.

In Lern- und Experimentierräumen testen

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sieht Unternehmen wie Telekom in der Pflicht, voranzugehen und in Lern- und Experimentierräumen zu testen, wie Weiterbildung und Qualifizierung für die digitale Arbeitswelt in der Praxis funktionieren kann. „Die Digitalisierung erfordert Qualifizierung und Beratung on the job und nicht erst bei Arbeitslosigkeit“, ist Nahles überzeugt. Weiterbildung sei daher zentral, um die Arbeitswelt der Zukunft zu gestalten. Die Politik könne hier einen Rahmen setzen, der von den Sozialpartnern und den Unternehmen mit Leben gefüllt werden muss.

Immer mehr befristete Arbeitsverträge

Die stetig wachsende Zahl befristeter Arbeitsverträge beschäftigt regelmäßig die Arbeitsgerichte. Die Arbeitgeber stolpern dabei immer wieder über die immer gleichen formalen Anforderungen, weiß „Personaltipp AKTUELL“ in der neuen Ausgabe (07/2017 Juni). Ausgehend von einem aktuellen BAG-Urteil finden sich dort auch Empfehlungen zu dem, was im Streitfall auf Arbeitgeber zukommt.

Autor*in: Franz Höllriegel