Steuerschulden: unterschiedliche Haftungsquoten der Geschäftsführer
Mitgehangen – mitgefangen. Da macht das Finanzamt keine Ausnahme. Es nimmt bei Verstößen grundsätzlich alle Geschäftsführer einer GmbH gemeinsam in Haftung. Grundsätzlich heißt: es gibt Ausnahmen. Aber nur mit genügender Begründung. Was das heißt, hat ein Gericht jetzt geklärt.
Was heißt „mit genügender Begründung“?
Dass der Fiskus ausdrücklich es begründen muss, wenn er die Geschäftsführer einer GmbH in unterschiedlicher Höhe in Anspruch nehmen will. Ein GmbH-Geschäftsführer hat gegen eine Ungleichbehandlung durch das Finanzamt erfolgreich geklagt.
Worum ging es in dem Streitfall?
Das Unternehmen, bei dem der GmbH-Geschäftsführer beschäftigt ist, hatte die festgesetzte Körperschaftsteuer nicht bezahlt. Daraufhin wandte sich das Finanzamt an die Geschäftsführer und forderte von ihnen die fällige Steuerschuld ein. Die Geschäftsführer waren unterschiedlich lange in der Firma aktiv. Deswegen hat das Finanzamt unterschiedliche Haftungszeiträume festgelegt. Es teilte die offenen Steuerbeträge nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung auf – für jeden Geschäftsführer getrennt nach deren unterschiedlichen Haftungszeiträumen.
Dadurch ergaben sich völlig unterschiedliche Tilgungsforderungen. Das führte dazu, dass das Finanzamt von einem Geschäftsführer eine fünfstellige Summe einforderte, während die Mitgeschäftsführerin nichts von den Steuerschulden übernehmen musste. Dagegen klagte der mit der Steuerzahlung belastete Geschäftsführer.
Durfte das Finanzamt die Haftungszeiträume eigenmächtig festlegen?
Es hat in der Tat einen Ermessensspielraum, wenn es mehrere Haftungsschuldner gibt und es nicht alle gleichmäßig in Anspruch nehmen will. Dann allerdings muss es nachvollziehbar darlegen, warum die Schuldner unterschiedlich belastet werden, und das stichhaltig begründen. Das Finanzamt wies zur Begründung seiner Festlegung auf unterschiedliche Tilgungsquoten hin. Und das sei keineswegs ausreichend, urteilte das Finanzgericht Schleswig-Holstein (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.02.2019, Az.: 1 K 42/16).
Wer hatte denn welche Pflichten verletzt?
Die GmbH hatte fällige Körperschaftsteuer nicht gezahlt. Das Vergehen hatten also beide Geschäftsführer begangen und es bestand in ein und derselben Pflichtverletzung mit einem nur einmal entstandenen Schaden. Hierfür haben beide Geschäftsführer gemeinsam einzustehen, stellten die Richter klar. Nur einen Geschäftsführer bei der Steuerzahlung zu belangen, sei ermessenswidrig.
Wo liegen dabei die Grenzen des Ermessens des Finanzamtes?
In der Abgrenzung, ob alle Geschäftsführer ein und denselben Pflichtverstoß begangen haben. Dann besteht für eine unterschiedliche Inanspruchnahme keine Veranlassung. Aufgabe der Finanzämter ist es ja, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, für welche Schäden und in welcher Höhe Geschäftsführer bei Verstößen in Haftung genommen werden. Und hier kann die Entscheidung nur lauten: eine Steuerzahlung, eine Pflichtverletzung, ein Schaden, eine Verantwortung aller Geschäftsführer. Entsprechend hätten die beiden Geschäftsführer gleichermaßen mit der Steuerzahlung belastet werden müssen.
Anders ausgedrückt: eine Differenzierung nach der Dauer der Geschäftsführertätigkeit kann nur die Ausnahme und bei besonderen Umständen gerechtfertigt sein. Generell sieht das Gericht dies nicht als eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung. Vielmehr sei es regelmäßig ermessenswidrig, wenn ein Geschäftsführer für rückständige Steuern mit einem höheren Betrag in Anspruch genommen wird als ein Mitgeschäftsführer.
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Ist damit eine unterschiedlich hohe Inanspruchnahme für immer vom Tisch?
Naja, zumindest ohne konkrete Begründung wird sie das sein. Bei Verstößen einer GmbH haften die Geschäftsführer gemeinsam. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand erst im Laufe eines Veranlagungsjahrs zum Geschäftsführer bestellt wurde oder das gesamte Jahr in der Position verantwortlich war. Die Richter knüpfen an eine abweichende Möglichkeit grundsätzlich hohe Anforderungen.
Was bedeutet das konkret für Sie als GmbH-Geschäftsführer?
Im Umkehrschluss, dass Sie sich als solcher Ihrer Haftungsinanspruchnahme jederzeit bewusst sein sollten. Deswegen beachten Sie folgendes:
- Prüfen Sie als Geschäftsführer einer GmbH beim erstmaligen Eintritt in Ihre GmbH und beim Austritt aus der Kapitalgesellschaft gewissenhaft, ob die Firma bis dahin alle ihre Verpflichtungen vollständig erfüllt hat – sonst droht Ihnen ein unkalkulierbares Haftungsrisiko.
- Als Geschäftsführer einer GmbH haften Sie für Ihr eigenes Fehlverhalten.
- Hinzu kommt: Sie haben als Geschäftsführer einer GmbH eine Informations- und Organisationspflicht. Diese kann auch ressortübergreifend sein. Als Geschäftsführer sollten Sie zumindest den Gesamtüberblick über angrenzende Tätigkeitsfelder haben.
- Es gilt das Prinzip der Generalverantwortung: Ihnen können im ungünstigen Fall sonst Fehlentscheidungen in anderen Tätigkeitsbereichen aufgrund mangelnder Überwachung mit angelastet werden.
- Als Geschäftsführer haben Sie zudem eine Sorgfaltspflicht. Wenn Sie sich beispielsweise im Vorfeld eines bestimmten Projekts nicht ausreichend informieren, kann das gegen Sie ausgelegt werden.
- Verstoßen Sie gegen Sorgfaltspflichten, haften Sie nicht nur für eigene Pflichtverletzungen, sondern auch für Verstöße sämtlicher Mitglieder der Führungsorgane, denen Sie als Entscheider angehören.
- Haben Sie sich als Geschäftsführer zusammen mit Ihren Co-Geschäftsführern gemeinsam schuldhaft fehlerhaft verhalten, so haften Sie alle gemeinsam gegenüber Ihrem Unternehmen.
Ein Trost zum Schluss: Ausbleibenden Geschäftserfolg kann man Ihnen als Geschäftsführer einer GmbH nicht anlasten, weder einzeln noch gemeinsam – zumindest nicht im Zusammenhang mit dem Fiskus.