Steuerabzug: Wann muss ein Unternehmer keinen vornehmen?
Als Unternehmer ziehen Sie bei empfangenen Leistungen Steuern ab. Das brauchen Sie unter bestimmten Bedingungen aber nicht. Sie können sich von dieser Pflicht auf Antrag freistellen lassen. Für diese Abstandnahme vom Steuerabzug sind allerdings einige wichtige Punkte zu beachten.
Was sind die Bedingungen für eine Abstandnahme vom Steuerabzug?
- Der Leister legt Ihnen eine zum Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vor,
- Sie als der Unternehmer haben nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet oder
- die Gegenleistung überschreitet im laufenden Kalenderjahr nicht die Freigrenzen.
Was gilt für die Freistellungsbescheinigung?
Ihr Leister kann beim für ihn zuständigen Finanzamt formlos eine Freistellungsbescheinigung beantragen. Gegebenenfalls ermittelt das Finanzamt seine Angaben mittels eines Fragebogens. Das Finanzamt muss die Freistellungsbescheinigung erteilen, wenn der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint, also die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten Ihres Leisters im Inland sichergestellt ist.
Wann besteht die Gefährdung der Steueransprüche?
Insbesondere wenn
- Ihr Leister seine Anzeigepflicht nach § 138 Abgabenordnung (AO) nicht erfüllt, also die Eröffnung oder Verlegung eines gewerblichen Betriebs oder einer Betriebsstätte der Gemeinde nicht rechtzeitig mitteilt,
- Ihr Leister seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 AO bei der Ermittlung eines steuerlichen Sachverhalts nicht nachkommt, insbesondere wenn er bisher noch nicht steuerlich erfasst ist,
- Ihr Leister im Ausland ansässig ist und den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nicht erbringt. Ausländische Unternehmen führen den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit dadurch, dass der andere Staat diese bescheinigt. Im Zweifel kann das Finanzamt nach § 90 Abs. 2 AO eine qualifizierte Ansässigkeitsbescheinigung verlangen, aus der der Ort der Geschäftsleitung sowie der Umfang der Tätigkeit – jeweils im Ansässigkeitsstaat – hervorgehen.
- nachhaltig oder wiederholt Steuerrückstände bestehen oder drei Monate vor Antragstellung bestanden haben,
- unzutreffende Angaben in den Steuererklärungen gemacht wurden,
- Steuererklärungen wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben wurden.
Gegebenenfalls kann in diesen Fällen eine Freistellungsbescheinigung nur für eine kurze Geltungsdauer oder auftragsbezogen gelten.
Kann eine Arbeitsgemeinschaft auch eine solche Bescheinigung bekommen?
Wenn für sie keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt und sie nicht Arbeitgeber der eingesetzten Arbeitnehmer ist, in der Regel nur, wenn auch die beteiligten Gesellschaftern von dem für sie zuständigen Finanzamt jeweils eine Freistellungsbescheinigung erhalten haben. Das für die Arbeitsgemeinschaft zuständige Finanzamt kann die Vorlage der den Gesellschaftern erteilten Freistellungsbescheinigungen verlangen.
Wie sieht es bei umsatzsteuerrechtlichen Organschaften aus?
Ist Ihr Leister in eine solche eingebunden, ist ausschließlich das steuerliche Verhalten der Organgesellschaft maßgeblich, die nach außen als Leister auftritt. Ist dies die Organgesellschaft, weicht die in der Freistellungsbescheinigung aufgeführte Steuernummer von der in der Rechnung gegebenenfalls angegebenen Steuernummer ab. Die Organgesellschaft gibt in ihren Rechnungen ja die ihr oder dem Organträger erteilte Steuernummer an.
Wie lange ist eine Freistellungsbescheinigung gültig?
Höchstens drei Jahre. Liegen keine Versagungsgründe vor, erteilt das für den Leister zuständige Finanzamt die Freistellungsbescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck. Die Freistellungsbescheinigung kann es
- auf eine bestimmte Zeit, längstens jedoch drei Jahre, ab dem Tag der Ausstellung oder
- für einen bestimmten Auftrag erteilen.
- sechs Monate vor Ablauf einer Freistellungsbescheinigung auf Antrag des Leisters.
Wird ein Leister dem Finanzamt erstmals bekannt, soll die Freistellungsbescheinigung grundsätzlich nur für ein Jahr gelten, um zunächst das Abgabe- und Zahlungsverhalten des Steuerpflichtigen zu prüfen.
Was gilt für Bauleister außerhalb der EU?
Hat Ihr Bauleister Wohnsitz, Sitz, Geschäftsleitung oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat außerhalb der Europäischen Union (EU), bestellt er einen inländischen Empfangsbevollmächtigten, um eine Freistellungsbescheinigung zu erhalten. „Was ausländische Bauleister mit Betriebsstätte in Deutschland beachten müssen“ lesen Sie in unserem Download unter www.meisterbrief-aktuell.de
Wonach richtet sich die Erteilung einer Bescheinigung nach Auftrag?
Sie soll das Finanzamt in den ersten drei Jahren nach Neugründung eines Unternehmens vorrangig prüfen, wenn
- ihm nur unzureichende Informationen über das Zahlungs- und Erklärungsverhalten des Antragsstellers vorliegen,
- Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich bei dem neu gegründeten Unternehmen um ein Nachfolgeunternehmen eines bereits unzuverlässigen Unternehmers handelt,
- es die Besteuerungsgrundlagen wegen der Nichtabgabe von Steuererklärungen und Steueranmeldungen zumindest für eine Abgabeart geschätzt hat.
Lehnt das Finanzamt den Antrag auf Erteilung der Freistellungsbescheinigung ab, ist dagegen der Einspruch zulässig.
Können Sie eine Freistellungsbescheinigung im Insolvenzverfahren bekommen?
Ja, das können Sie trotzdem. Das gilt etwa für nach Insolvenzeröffnung auf Veranlassung des Insolvenzverwalters erbrachte Bauleistungen.
Abstandnahme vom Steuerabzug also nur gegen Freistellungsbescheinigung?
Nein, nicht nur. Eine wichtige Ausnahme bildet die Bagatellregelung. Dabei ist wegen der Freigrenzen keine Freistellungsbescheinigung erforderlich. Wird keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt, kann vom Steuerabzug auch dann abgesehen werden, wenn die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr den Betrag von 5.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird.
Die Freigrenze erhöht sich auf 15.000 Euro, wenn Sie als Empfänger der Bauleistung allein deswegen als Unternehmer abzugspflichtig sind, weil Sie nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfreie Vermietungsumsätze ausführt, etwa bei Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Behandelt der Vermieter die steuerfreien Umsätze nach § 9 UStG als umsatzsteuerpflichtig bei Option zur Umsatzsteuer, gilt die erhöhte Freigrenze nicht. Ebenso gilt die Freigrenze von 5.000 Euro, wenn Sie als Leistungsempfänger neben den steuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG weitere, gegebenenfalls nur geringfügige umsatzsteuerpflichtige Umsätze erbringen.
Was bedeutet das für Sie als Leistungsempfänger in der Praxis?
- Sie dürfen den Steuerabzug unterlassen, wenn Ihnen die Freistellungsbescheinigung zum Zeitpunkt jeder einzelnen Gegenleistung, also regelmäßig zum Zeitpunkt der Zahlung, vorliegt, also auch bei:
- Teilzahlungen wie Abschlagszahlungen,
- Aufrechnungen
- Forderungspfändungen.
- Es bleibt bei Ihrer Verpflichtung zur Durchführung des Steuerabzugs, wenn Ihnen als Leistungsempfänger die Freistellungsbescheinigung nicht spätestens zum Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung vorliegt, selbst wenn Sie die Freistellungsbescheinigung später erhalten.
- Ist die Freistellungsbescheinigung auf einen bestimmten Auftrag beschränkt, händigt Ihr Leister sie Ihnen als Leistungsempfänger aus. Ansonsten genügt es, wenn Sie als Leistungsempfänger eine Kopie der Freistellungsbescheinigung erhalten.
- Bewahren Sie als Leistungsempfänger die Ihnen übergebenen Unterlagen gut auf!
- Überprüfen Sie als Leistungsempfänger die Freistellungsbescheinigung!
- Vergewissern Sie sich insbesondere, ob
- die Freistellungsbescheinigung mit einem Dienstsiegel versehen ist und
- eine Sicherheitsnummer trägt. Bei Vorlage einer Kopie müssen alle Angaben auf der Freistellungsbescheinigung lesbar sein.
- Ist die Freistellungsbescheinigung ungültig, droht Ihnen als Leistungsempfänger die Haftung für die zu Unrecht nicht einbehaltene Steuer.
- Die Freistellungsbescheinigung eines öfter für Sie als Leistungsempfänger tätigen Leisters brauchen Sie nicht regelmäßig zu prüfen.
Was, wenn der Steuerabzug nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde?
Dann haften Sie als Leistungsempfänger nach § 48a Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für den nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Sie sind nicht in der Haftung, wenn Ihnen als Leistungsempfänger zum Zeitpunkt der Entgeltzahlung für die erhaltene Bauleistung eine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit Sie hätten vertrauen dürfen.
Wie können Sie als Leistungsempfänger sich über ein Haftungsrisiko vergewissern?
Indem Sie sich über die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung Gewissheit verschaffen. Dazu haben Sie die Möglichkeit über eine elektronische Abfrage beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unter https://eibe.bff-online.de/eibe/index.xhtml. Dieser Abfragedienst steht Ihnen kostenlos zur Verfügung. Dort können Sie gegebenenfalls eine Bestätigung der Gültigkeit der Bescheinigung erhalten. Bestätigt das BZSt die Gültigkeit nicht, oder können Sie als Leistungsempfänger die elektronische Abfrage nicht durchführen, ist eine Nachfrage beim auf der Freistellungsbescheinigung angegebenen Finanzamt möglich.
Müssen Sie als Bauherr oder Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft jede Freistellungsbescheinigung nachprüfen?
Nein, man kann von Ihnen nicht verlangen zu prüfen, ob diese vom Finanzamt zwischenzeitlich zurückgezogen wurde. Nur wenn Sie als Auftraggeber davon ausgehen können, dass mit der Bescheinigung etwas nicht stimmt, gehen Sie dem nach. Für sich alleine führt das Unterlassen einer Internetabfrage beim BZSt oder einer Rückfrage beim Finanzamt für Sei nicht zur Haftung aus Fahrlässigkeit.
Wann kommen Sie als potentieller Leistungsempfänger in Frage?
Wenn Sie zu einem dieser Kreise gehören:
- Unternehmen gemäß § 2 UStG,
- juristischen Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 und 3 EStG,
- Kleinunternehmer gemäß § 19 UStG,
- Pauschal versteuernde Land- und Forstwirte gemäß § 24 UStG und
- Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen wie Vermietung und Verpachtung von
- Grundstücken
- Gebäuden
- Gebäudeteilen.