Statusfeststellungsverfahren für den angestellten Geschäftsführer
Der Beitrag zur Sozialversicherung – ein leidiges Thema. Als Arbeitgeber sollen Sie ihn für Ihren angestellten Geschäftsführer sicherstellen. Doch ist er überhaupt sozialversicherungspflichtig? Hierfür gibt es das Statusfeststellungsverfahren. Es soll vor Fehleinschätzung schützen.
Welchen Zweck hat das Statusfeststellungsverfahren?
Es klärt rechtsverbindlich, ob Ihr Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig oder -frei ist. Darüber ergeht ein entsprechender Bescheid. Das Verfahren soll Auftragnehmern und Auftraggebern in Zweifelsfällen Rechtssicherheit darüber verschaffen, ob eine selbständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung besteht. Zuständig ist die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) als bundesweite Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen.
Welche Instrumente kommen im Statusfeststellungsverfahren zum Einsatz?
Folgende Instrumente entwickeln seit April 2022 das Statusfeststellungsverfahren weiter:
- Prognoseentscheidung: ermöglicht die Feststellung des Erwerbsstatus‘ schon vor Aufnahme der Tätigkeit und damit frühzeitiger als früher.
- Erwerbsstatus: nur nach diesem wird die Versicherungspflicht festgestellt, nicht mehr wie früher aufgrund abhängiger Beschäftigung. Dies soll die Beteiligten und die Clearingstelle von bürokratischem Aufwand entlastet und das Verfahren vereinfachen.
- Gruppenfeststellung für gleiche Auftragsverhältnisse: Auftraggeber gleicher Auftragsverhältnisse brauchen nunmehr nicht mehr für alle Auftragnehmer separate Statusfeststellungsverfahren zu beantragen.
- Dreieckskonstellationen: Wenn ein Dritter beteiligt ist, kann damit in einem Verfahren geklärt werden, wer der Arbeitgeber ist.
- Widerspruchsverfahren: ermöglicht eine mündliche Anhörung.
Diese seit April 2022 bestehenden Regelungen gelten im Wesentlichen zunächst zeitlich begrenzt bis zum 30. Juni 2027. Vor Ablauf der Befristung erfolgt eine Prüfung, ob die Neuerungen dauerhaft gelten sollen. Hierzu legt die DRV bis zum 31. Dezember 2025 einen Erfahrungsbericht vor.
Wie wird das Statusfeststellungsverfahren eingeleitet?
Auf zwei alternativen Wegen:
- Pflicht: automatisches Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der DRV; Ihre Lohnbuchhaltung meldet Ihren Arbeitnehmer der Krankenkasse mit Meldegrund 10, Beginn der Beschäftigung mit Statusangabe zur anzumeldenden Person:
- Status 1: Verwandter, Ehegatte, Lebenspartner oder Kind von Ihnen als Arbeitgeber
- Status 2: geschäftsführender Gesellschafter Ihrer GmbH
- ohne gesondertes Meldekennzeichen: Fremdgeschäftsführer mit Arbeitsvertrag, sind in jedem Fall sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer.
- Freiwillig: Besteht keine Pflicht zum Statusfeststellungsverfahren, können Sie als Arbeitgeber ein solches bei Bedarf trotzdem zur Klärung von Unsicherheiten beantragen. Antragsformulare finden Sie bei der Deutschen Rentenversicherung online oder als PDF
Wieso sollten Sie als Arbeitgeber das Verfahren freiwillig durchlaufen?
Zur rechtlichen Absicherung auch auf freiwilliger Basis, wenn möglicherweise zu klären ist, ob eine Selbstständigkeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt, führen Sie ein Statusfeststellungsverfahren durch. Ansonsten besteht insbesondere bei freien Mitarbeitern oder Ein-Mann-Subunternehmen in jeder Sozialversicherungsprüfung das Risiko, dass diese rückwirkend als abhängig Beschäftigte eingestuft werden. Die finanzielle Belastung bei Nachzahlung von Sozialversicherungsbeträgen wäre für Sie als Arbeitgeber enorm.
Was sieht die gesetzliche Regelung zum Statusfeststellungsverfahren vor?
Gesetzlich Grundlage ist § 7a Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach können Sie als beteiligten an dem Verfahren bei der DRV schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Die Einzugsstelle stellt einen entsprechenden Antrag, wenn sich aus Ihrer Meldung als Arbeitgeber gemäß § 28a, Meldepflicht, ergibt, dass Ihr Beschäftigter Ihr Ehegatte, Lebenspartner oder Kind oder Ihr geschäftsführender Gesellschafter Ihrer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Die DRV entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Darüber hinaus teilt sie den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt Ihnen eine angemessene Frist für Ihre Angaben und Einsendung Ihrer Unterlagen. Wenn sie einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten nicht entspricht, teilt sie Ihnen schließlich mit:
- welche Entscheidung sie beabsichtigt
- die Tatsachen für ihre Entscheidung
- die Ihnen offenstehende Möglichkeit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern.
Prüft die Clearingstelle auch unabhängig?
Nein, sie handelt aus keinem Eigeninteresse heraus, womöglich möglichst viele Menschen in die Pflichtversicherung zu drängen. Als Verwaltungsbehörde ist sie unmittelbar gebunden:
- an Gesetze
- an die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit
Sie hält sich strikt an diese Vorgaben. Im Übrigen wird ihre Arbeit kontinuierlich durch die Gerichte und die zuständigen Aufsichtsbehörden geprüft. Dieser enge Rahmen soll ausschließen, dass sie eigene Interessen verfolgt. Außerdem zahlen Betroffene im Fall einer Entscheidung auf abhängige Beschäftigung nicht nur in die Rentenversicherung ein, sondern sie bekommen auch etwas zurück, z.B. in Form von Anwartschaften, die man dadurch erwirbt.
Wird denn nicht immer die Versicherungspflicht festgestellt?
Nein, keineswegs immer stellt die Clearingstelle die Versicherungspflicht eines Beschäftigten in der gesetzlichen Rentenversicherung fest. So ging es beispielsweise in den im Juni 2019 vom Bundessozialgericht entschiedenen Klagen zu honorarärztlichen Tätigkeiten ganz überwiegend nur um eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Den Ärzten stand für diese Beschäftigung ein Befreiungsrecht von der Rentenversicherungspflicht zu, da sie in einem berufsständischen Versorgungswerk versichert waren. Zudem waren die meisten Betroffenen privat kranken- und pflegeversichert. In vielen anderen Sachverhalten ist ebenfalls nur die Versicherungspflicht in einzelnen Zweigen der Sozialversicherungspflicht streitig oder der Beschäftigte ist in der gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin versicherungsfrei. Die Clearingstelle der DRV Bund entscheidet also nicht nur in Sachen Rentenversicherung, sondern immer für die gesamte Sozialversicherung.
Wie oft stellt die Clearingstelle eine abhängige Beschäftigung fest?
Allein in den vergangenen drei Jahren hat die Clearingstelle eigenen Angaben zufolge jedes Jahr in weniger als der Hälfte aller Fälle auf eine abhängige und versicherungspflichtige Beschäftigung entschieden. 2018 wurden demnach in den geprüften rund 21.000 Fällen rund 14.000 Erwerbstätige als selbstständig eingestuft. Das heißt, bei fast zwei Drittel der geprüften Fälle handelt es sich um selbstständige Tätigkeiten.
Werden gleichartige Fälle auch gleich entschieden?
Dabei gilt: gleich ist nicht immer gleich. Manche Fälle scheinen auf den ersten Blick gleichartig zu sein, zum Beispiel wenn zwei Personen als Kameramann arbeiten und die Beteiligten die gleichen Vertragsmuster verwenden. Trotzdem kann es sich in dem einen Fall um eine abhängige Beschäftigung handeln, im anderen Fall aber Selbstständigkeit vorliegen.
Also kann es zu ungleichen Entscheidungen kommen?
Ja, die Clearingstelle prüft jeden Einzelfall individuell und eingehend anhand der von den Beteiligten gemachten Angaben und der von ihnen eingereichten Unterlagen. Diese Prüfung kann ergeben, dass die Tätigkeiten der beiden Kameraleute rechtlich nicht vergleichbar sind. Dies ist der Fall, wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei Umsetzung der Vertragsbeziehung unterschiedlich sind, etwa weil der eine Kameramann tatsächlich seine Tätigkeit im Wesentlichen allein gestalten kann, während der andere arbeitsteilig mit anderen Mitarbeitern seines Arbeitgebers zusammenarbeitet und Weisungen erhält.
Sind die Prüfkriterien für die Statusbeurteilung noch zeitgemäß?
Ja, sie sind für moderne agile Arbeitsformen geeignet und insgesamt nicht zu streng. Was Betroffene als streng empfinden mögen, rührt der DRV zufolge daher, dass die Clearingstelle zur Abklärung der im Einzelfall vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse einen zumeist umfangreichen Fragenkatalog übersendet. Dieser sei aber unverzichtbar, weil für die Statusabgrenzung eine Gesamtabwägung aller Kriterien nötig sei. Die Clearingstelle habe keine Spielräume, die von der Rechtsprechung entwickelten Prüfkriterien abzuschwächen und weniger streng zu entscheiden.
Bisher sei aus Sicht der DRV nicht erkennbar, dass die Statusbeurteilung moderner agiler Arbeitsformen – gekennzeichnet vor allem durch Projektarbeit und weitgehend eigenständig arbeitende Mitarbeiter – anhand der Prüfkriterien nicht möglich sei. Richtig sei allerdings, dass die Prüfkriterien für die Statusbeurteilung nicht statisch sind, sondern kontinuierlich fortentwickelt und konkretisiert werden. Dies geschehe durch die Rechtsprechung und sei der gesetzgeberischen Konzeption des § 7 SGB IV zu verdanken, der die Abgrenzung der Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit regele. Der Gesetzgeber habe keine fixen Einzelmerkmale vorgegeben, sondern sich für die weiche Umschreibung eines Typus der Beschäftigung entschieden. Diese gesetzliche Regelungstechnik mache den Beschäftigungsbegriff flexibel und sei seine Stärke zumal bei sich ändernden sozialen Strukturen.
Wie werden Hochqualifizierte und Spezialisten behandelt?
Bei ihnen tritt an die Stelle der Weisungsgebundenheit die Eingliederung. Eine Eingliederung ist gegeben, wenn der Mitarbeiter eine (Teil-)Leistung innerhalb der vom Arbeitgeber vorgegebenen Organisationsabläufe erbringt, die dortigen Betriebsmittel nutzt und arbeitsteilig in den vorgegeben Strukturen mit anderem Personal zusammenarbeitet. Im Zusammenspiel mit den zahlreichen weiteren Abgrenzungskriterien kommt man bei modernen Arbeitsformen zu richtigen und sachgerechten Ergebnissen.
Wie transparent ist das Statusverfahren?
Alle Unterlagen, die Grundlage für die Statusabgrenzung durch die Clearingstelle sind, werden online veröffentlicht. Als Beteiligte haben Sie ein Recht auf Akteneinsicht. Zu allen Formularen gebe es entsprechende Hinweistexte, heißt es seitens der DRV dazu. Vor der Entscheidung würden Sie als Betroffener überdies über die voraussichtliche Entscheidung informiert und könnten selbst dann noch darauf reagieren, indem Sie zum Beispiel Unterlagen nachreichen. Bei Verständnisfragen könnten Sie sich jederzeit an einen Ansprechpartner aus der Clearingstelle wenden.