08.02.2021

Selbstbeurlaubung mitten im Kündigungsschutzverfahren

Fährt ein Arbeitnehmer während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens ungenehmigt in den Urlaub, kann die Arbeitgeberseite eine fristlose Kündigung aussprechen. Eine Abmahnung ist nicht notwendig, erklärt das LAG Baden-Württemberg.

Selbstbeurlaubung

Im Entscheidungsfall hatte ein Unternehmen dem Prozessmanager Automotive im April 2018 gekündigt. Hiergegen hatte sich der Mitarbeiter mit einer Kündigungsschutzklage gewehrt. Während des Verfahrens einigten sich die Parteien auf eine Prozessbeschäftigung.

Achtung

Gerade bei Kündigungsschutzverfahren, die sich in die Länge ziehen, kann eine solche Prozessbeschäftigung empfehlenswert sein. Der Arbeitgeber trägt in jedem Kündigungsschutzverfahren ein sog. Annahmeverzugsrisiko. Verliert er nämlich den Prozess, muss er in der Regel den rückständigen Lohn für die gesamte Zeit nachzahlen, ohne dass dafür eine Arbeitsleistung erbracht wurde. Bei einer Prozessbeschäftigung vereinbaren die Parteien kurz und knapp gesagt eine befristete Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung. Allerdings gibt es auch hier einige Fallstricke, die im Vorfeld mit einem Arbeitsrechtler besprochen werden sollten.

Urlaubsantritt ohne Genehmigung

Offenbar zog sich das Verfahren auch hier in die Länge, denn der Prozessmanager beantragte im März 2019 Urlaub für einen Monat. Bevor die Arbeitgeberseite darauf überhaupt reagieren konnte, trat der Arbeitnehmer drei Tage später eigenmächtig seinen Urlaub an.

Eine gute Gelegenheit für eine fristlose Kündigung, dachte sich wohl die Arbeitgeberseite. In der Zwischenzeit hatte allerdings das Arbeitsgericht Heilbronn die erste ordentliche Kündigung vom April 2018 gekippt. Der nunmehr fristlos gekündigte Arbeitnehmer musste erneut tätig werden und gegen die fristlose Kündigung vorgehen. Auch diese wurde vom Arbeitsgericht Heilbronn für unwirksam erklärt. Das ließ der Arbeitgeber nicht auf sich sitzen und ging in die Berufung.

Vertragspflichten verletzt

Das LAG Baden-Württemberg sah hier jedoch die Arbeitgeberseite im Recht. Die Stuttgarter Richter erklärten die fristlose Kündigung für wirksam. Bei einem eigenmächtigen Urlaubsantritt habe der Arbeitgeber das Recht, fristlos zu kündigen, da der Mitarbeiter die arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Dies müsse auch während eines Kündigungsschutzverfahrens im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses gelten.

Eine Abmahnung sei nicht notwendig gewesen, da der Arbeitnehmer nicht habe erwarten dürfen, dass der Arbeitgeber den eigenmächtigen Urlaubsantritt billige (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2020, Az. 17 Sa 1/20).

Achtung

Das LAG Baden-Württemberg hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellung, inwieweit ein eigenmächtiger Urlaubsantritt während einer Prozessbeschäftigung eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Unter dem Aktenzeichen 2 AZR 457/20 ist das Revisionsverfahren mittlerweile auch anhängig. Wir warten gespannt auf den Ausgang und werden berichten.

Autor*in: Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa