10.10.2024

Neues zum umsatzsteuerlichen Reihengeschäft

Immer der Reihe nach. Wenn Sie dies als Unternehmen befolgen, können Sie auf Umsatzsteuererleichterungen im Rahmen eines sogenannten Reihengeschäfts hoffen. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dazu im April 2023 entsprechende Klarstellungen getroffen.

Reihengeschäft

Worum handelt es sich bei den Klarstellungen des BMF?

Um ein Verwaltungsschreiben zur Anwendung der seit dem 1. Januar 2020 geltenden neuen Vorschriften für Reihengeschäfte. Dieses Schreiben war von der Branche lange erwartet. Erst nach über drei Jahren hatte es das BMF endlich veröffentlicht (BMF vom 25.04.2023, III C 2 – S 7116-a/19/10001 :003).

Was ist laut BMF ein Reihengeschäft?

Geregelt ist das Reihengeschäft in § 3 Abs. 6a Umsatzsteuergesetz (UStG). Ein Reihengeschäft:

  • schließen mindestens drei Unternehmern
  • über denselben Gegenstand
  • bei Beförderung oder Versendung
  • unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer
  • mit mehrere Lieferungen
  • einer Warenbewegung
  • bei gesondert betrachteten Lieferort und Lieferzeitpunkt

Die Warenbewegung des Gegenstands gehört nur zu einer der Lieferungen. Diese ist die bewegte Beförderungs- oder Versendungslieferung, bei welcher allein in Betracht kommt Steuerbefreiung:

  • gemäß § 6 UStG für Ausfuhrlieferungen oder
  • gemäß § 6a UStG für innergemeinschaftliche Lieferungen.

Bei allen anderen, ruhenden Lieferungen in der Reihe findet keine Warenbewegung statt. Sie werden entweder vor oder nach der Beförderungs- oder Versendungslieferung ausgeführt. Liefergeschäfte, die mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand abschließen und bei denen keine Beförderung oder Versendung stattfindet ie z.B. Grundstückslieferungen, können nicht Gegenstand eines Reihengeschäfts sein.

Sind gleich mehrere Akteure an der Warenbewegung beteiligt, handelt es sich um eine gebrochene Beförderung oder Versendung und es kann kein Reihengeschäft vorliegen.

Wer kann die Warenbewegung durchführen?

Ein an einem Reihengeschäft beteiligter Lieferer, Abnehmer oder ein vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragter Dritter. Ein Beförderungs- oder Versendungsfall liegt daher sogar dann vor, wenn der letzte Abnehmer den Gegenstand der Lieferung selbst abholt oder abholen lässt. Beauftragter Dritter kann z.B. sein:

  • ein selbstständiger Spediteur
  • ein Lohnveredler
  • ein Lagerhalter

Er braucht jeweils nicht unmittelbar in die Liefervorgänge eingebunden zu sein.

Eine Ware gilt grundsätzlich als unmittelbar am Lieferort angelangt, wenn Sie als am Reihengeschäft beteiligter Unternehmer befördert oder versandt haben; diese Voraussetzung ist bei einer gebrochene Beförderung oder Versendung durch mehrere beteiligte Unternehmer nicht erfüllt. Sie ist aber erfüllt, wenn Beförderung oder Versendung an einen beauftragten Dritten ausgeführt wird, der nicht unmittelbar in die Liefervorgänge eingebunden ist.

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Die Bedingung von Reihengeschäften über „denselben Gegenstand“ verhindert, dass die Ware innerhalb der Reihe bearbeitet worden sein darf, um weiterhin als umsatzsteuerliches Reihengeschäft zu gelten. Im Fall der vorhergehenden Be- oder Verarbeitung des Gegenstands durch einen vom Lieferer beauftragten Dritten ist Gegenstand der Lieferung der be- oder verarbeitete Gegenstand.

Welche möglichen Fallgruppen gibt es?

Es lassen sich unter Umständen umsatzsteuerbefreiten bewegten Lieferung folgende Fallgruppen bestimmen:

  • Beförderung/Versendung durch den ersten Lieferer: der erste Lieferer transportiert Ware, die erste Lieferung stellt die bewegte Lieferung dar.
  • Beförderung/Versendung durch den letzten Abnehmer: dieser transportiert die Ware, die letzte Lieferung stellt die bewegte Lieferung dar.
  • Beförderung/Versendung durch einen Zwischenhändler: ein mittlerer Unternehmer transportiert im Reihengeschäft, das aktive, für alle Beteiligten einheitliche Wahlrecht besteht, wem die bewegte Lieferung zugeordnet wird:
    • widerlegbare Vermutung: grundsätzlich der Lieferung des vorangegangenen Unternehmers zugeuordnet
    • Nachweis durch Zwischenhändler: auf das Inland beschränkte Warenbewegung im Reihengeschäft, Zwischenhändler kann Warenbewegung seiner eigenen Lieferung zuordnen, wenn er nachweist, dass er den Gegenstand in seiner Eigenschaft als Lieferer befördert bzw. versendet hat.

Wer ist Zwischenhändler?

Ein Unternehmer, der nicht Erster oder Letzter in der Leistungskette ist. Zum Zwischenhändler wird ein mittlerer Unternehmer jedoch erst, wenn er auch den Transport veranlasst. Dabei können Sie als ein solcher Unternehmer durch Verwendung einer bestimmten Umsatzsteuer-Identitätsnummer (USt-IdNr.) die Zuordnung der bewegten Lieferung und damit das Greifen einer Umsatzsteuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung aktiv steuern.

Was wäre ein typisches Reihengeschäft?

Nehmen wir an, Sie sind ein Unternehmer aus Leverkusen. Sie bestellen bei dem Großhändler „Handelshaus“ aus Bottrop eine dort nicht vorrätige Maschine. „Handelshaus“ gibt die Bestellung an den Hersteller „Bauideen“ in Dänemark weiter. „Bauideen“ befördert die Maschine mit eigenem Lkw unmittelbar in Ihr Unternehmen nach Leverkusen.

Sie als Unternehmen in Leverkusen und Ihre Geschäftspartner „Handelshaus“ und „Bauideen“ schließen über dieselbe Maschine Liefergeschäfte ab, welche durch eine Beförderung unmittelbar von „Bauideen“ als erstem Unternehmen in der Lieferreihe direkt an Sie als Abnehmer und in der Reihe letztem Unternehmen gelangt. Damit betreiben Sie drei ein typisches Reihengeschäft. Aus Sicht des Finanzamtes liegen umsatzsteuerlich zwei Lieferungen vor:

  • die bewegte Lieferung von „Bauideen“ an „Handelshaus“ und
  • die unbewegte Lieferung von „Handelshaus“ an Ihr Unternehmen.

Es läge ebenfalls ein Reihengeschäft vor, wenn „Handelshaus“ Hersteller „Bauideen“ anweisen würde, die Maschine zur Zwischenlagerung an einen von Ihnen als Unternehmer in Leverkusen benannten Lagerhalter nach Hannover zu befördern. Auch hier schlössen mehrere Unternehmer über dieselbe Maschine Liefergeschäfte ab, die Maschine würde unmittelbar vom ersten Unternehmer an einen vom letzten Abnehmer benannten Lagerhalter befördert. Mit der auftragsgemäßen Übergabe der Maschine an den Lagerhalter wäre die Voraussetzung des unmittelbaren Gelangens an den letzten Abnehmer erfüllt.

Würde es einen Unterschied machen, wenn Orte der Lieferung im Inland oder Ausland lägen?

Ja, je nachdem, ob:

  • bei bewegter Lieferung: der Ort der Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 6 UStG. Danach gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt.
  • bei sämtlichen übrigen, ruhenden Lieferungen: die Orte der Lieferung bestimmen sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG. Ruhende Lieferungen, die:
    • der bewegten Lieferung vorangehen, gelten an dem Ort als ausgeführt, an dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt,
    • die der bewegten Lieferung nachfolgen, an dem Ort, an dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

Bei Reihengeschäften mit Bezug zum Drittland kann der Nachweis der Beförderung oder Versendung durch den Zwischenhändler jedoch sowohl durch Verwendung einer im Ausgangsstaat erteilten USt-IdNr. als auch einer Steuernummer erfolgen.

Was bedeutet „Verwendung“?

Nach Auffassung des BMF erfordert der Begriff „Verwendung“ spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung ein aktives Tun des mittleren Unternehmers. Hierzu halten Sie als Zwischenhändler die verwendete USt-IdNr. in dem jeweiligen Auftragsdokument schriftlich fest. Eine auf dem Auftragsdokument formularmäßig abgedruckte USt-IdNr. reicht daher nicht aus. Eine mündliche Verwendung erfordert eine Dokumentation sowohl der USt-IdNr. als auch des Zeitpunkts der Verwendung. Dabei reicht jedoch die einmalige Verwendung für alle zukünftigen Lieferungen aus. Ausnahmsweise kann eine Verwendung auch konkludent angenommen werden, wenn alle Parteien die Beurteilung einheitlich getroffen und ihre damit zusammenhängenden Deklarationspflichten vollständig erfüllt haben.

Im Fall eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts liegt ein positives Tun des Zwischenhändlers vor, wenn:

  • Ihre Lieferung als Zwischenhändler an Ihren Käufer die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt,
  • Sie als Zwischenhändler hierfür eine ordnungsgemäße Rechnung erteilt haben und
  • der Käufer den innergemeinschaftlichen Erwerb in zutreffender Weise erklärt hat.

Wie ordnen Sie grenzüberschreitende Warenbewegung zu?

Davon hängt ab, wer von Ihnen im Reihengeschäft die Möglichkeit der Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung erhält. Nur die umsatzsteuerlich als bewegt eingeordnete Lieferung qualifiziert für eine Steuerbefreiung im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder Ausfuhrlieferung.

Wer trägt die Transportverantwortlichkeit?

Bei der Versendung richtet sie sich nach Auftragserteilung an den selbstständigen Beauftragten. Eine abweichende Zuordnung ist nur zulässig, wenn der Unternehmer nachweist, dass die Beförderung bzw. die Versendung auf Rechnung eines anderen Unternehmers erfolgt ist und dieser tatsächlich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstands während des Transports getragen hat.

Hierbei kommt den Incoterms (International Commercial Terms der Internationalen Handelskammer ICC) eine besondere Bedeutung zu. Sie können ein Indiz für die Beantwortung der Frage darstellen, wer den Transport veranlasst hat und wer das Risiko des Warenuntergangs trägt. Die Incoterms regeln zwischen den Parteien die Verteilung von:

  • Kosten
  • Risiken
  • Sorgfaltspflichten

Bei einem gebrochenen Transport, bei dem eine Transportveranlassung – etwa aus Logistikgründen – von mehreren Beteiligten gleichzeitig ausgeht, kommt es aus deutscher Sicht nicht zu einem Reihengeschäft. Folge davon ist das Risiko einer Straferwerbsteuer, wenn ein anderer EU-Mitgliedstaat dennoch ein Reihengeschäft annimmt. Für den Zeitraum bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn die Zuweisung der Transportverantwortlichkeit von den Beteiligten einvernehmlich abweichend von den Neuregelungen in Abschn. 3.14 Abs. 7 bis 11 UStAE bestimmt worden ist. Ist die Zuordnung der Beförderung oder Versendung zu einer der Lieferungen von einem an dem Reihengeschäft beteiligten Unternehmer aufgrund des Rechts eines anderen Mitgliedstaats ausnahmsweise nach anderen Grundsätzen vorgenommen worden, wird von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn dieser anderen Zuordnung gefolgt wird.

Wie verhält es sich bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft?

Dabei handelt es sich um einen Sonderfall des Reihengeschäfts im Sinne des § 25b Abs. 1 UStG. Diese Regel soll den Verwaltungsaufwand für beteiligte mittlere Unternehmer verringern (wir berichteten).

Autor*in: Franz Höllriegel