02.06.2022

Nachhaltigkeitsmanagement auch für kleinere Unternehmen?

Wer mit den großen Hunden pinkeln will, muss sich gewaltig strecken, um das Bein hoch genug zu bekommen. Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility hängen aber nicht von der Größe des Unternehmens ab. Eher umgekehrt gilt: je nachhaltiger, desto erfolgreicher Ihr Unternehmen.

Nachhaltigkeitsmanagement kleinere Unternehmen

Verdiene und tue Gutes?

Ja; denn „nur wer Geld verdient, kann auch Gutes tun“, weiß der Volksmund. Klar ist: für Ihr Unternehmen steht die Wirtschaftlichkeit von Entscheidungen an erster Stelle. Das heißt aber nicht, dass andere Erwägungen nicht auf den weiteren Plätzen Beachtung verdienen und Eingang in Ihre Entscheidungen finden können. Umgekehrt wird ein Schuh draus: „Nur wer Gutes tut, kann auch Geld verdienen.“ Also eher: Tue Gutes und verdiene dran!

Was aber ist „Gutes“?

Man kann es als Vorantreiben einer nachhaltigen Entwicklung im Unternehmen sehen, das heißt auch in jedem kleineren Unternehmen. Die Vorteile einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung liegen damit auf der Hand. Der Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung in der DIN EN ISO 26000:2020 benennt sie entsprechend:

  1. Größere Wettbewerbsfähigkeit und Ansehen.
  2. Zunehmende Fähigkeit, Kunden zu gewinnen und zu binden.
  3. Messbar bessere Motivation der Angestellten und Arbeitsmoral als in anderen Unternehmen.
  4. Erleichterter Zugang zu Krediten.
  5. Engere Beziehung zu Medien, Lieferanten, Anwohnern usw.

Was ist die Grundidee der Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit ist zweifellos das Wort der Stunde. Werden heutzutage Strategien entwickelt, Pläne entworfen oder Programme auf den Weg gebracht, steht nahezu immer die Nachhaltigkeit als Leitprinzip dahinter. Der Begriff ist jedoch mehr als eine Mode. In einer Zeit der Umbrüche, des Wandels und der Transformationen gibt das Prinzip der Nachhaltigkeit eine Richtung vor. Nachhaltigkeit ist wie ein Kompass, an den sich Gesellschaft, Politik und Wirtschaft halten können, um Wege in eine bessere Zukunft zu finden. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit richtet sich demnach nicht nur an eigenen, kurzfristigen Interessen aus, sondern ist verschränkt mit den Zielen, ökologisch verantwortlich und sozial gerecht zu handeln. Nachhaltiges Handeln bewahrt nicht nur die natürlichen Lebensgrundlagen für uns und kommende Generationen, sondern ermöglicht auch allen Menschen eine Teilhabe am Wohlstand. Noch vor wenigen Jahrzehnten wirkten solche Ziele unrealistisch und utopisch. Mit der Digitalisierung sind viele Gleichgewichte und Gewissheiten ins Wanken geraten. Digitale Technologien eröffnen neue Handlungsspielräume und bringen damit eine neue Dynamik in die Bemühungen, die Welt nachhaltiger zu gestalten. Zugleich sieht die Bundesregierung in Nachhaltigkeit einen guten Wegweiser, mit dieser Dynamik umzugehen und den Wandel aktiv zu gestalten. Vor allem die vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland hätten dies längst verstanden. Durch ihre Nähe zu Kunden und Mitarbeitern wüssten sie um ihre unternehmerische Digitalverantwortung. Mit ihrer Innovationskraft trieben gerade sie sowohl die digitale als auch die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft an.

Der heilige Bernhard von Clairvaux (geboren um 1090 auf Burg Fontaine-lès-Dijon bei Dijon; gestorben am 20. August 1153 in Clairvaux bei Troyes in Frankreich), ein mittelalterlicher Abt, Kreuzzugsprediger, Kirchenlehrer, frühscholastischer Mystiker und als einer der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens für dessen Ausbreitung über ganz Europa verantwortlich, hat den Gedanken der Nachhaltigkeit mit begründet in seinem Gedicht „Schale der Liebe“:

Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal,

der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt,

während jene wartet, bis sie gefüllt ist.

Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter.

Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott.

Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen, und dann ausgießen.

Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen.

Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.

Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut?

Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle,

wenn nicht, schone dich.

Rund ein halbes Jahrtausend später bringt die Idee der Nachhaltigkeit im Jahr 1560 die Holzfällerregel auf den Punkt: „Es soll nur so viel Holz geschlagen werden, wie nachwachsen kann.“ Damit wird klar, was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Nachhaltige Unternehmensführung meint mehr: die Einhaltung

  • vorhandener Regeln,
  • Wertschöpfung und Liquiditätssicherung,
  • ökologische und soziale Verantwortung,
  • Förderung des Gemeinwesens.

Die Brundtland-Kommission hat die „Nachhaltige Entwicklung“ 1987 wie folgt definiert: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ (Our Common Future, World Commission on Environment and Development – WCED). Die Brundtland Kommission, auch Weltkommission für Umwelt und Entwicklung genannt, veröffentlichte 1987 den Report „Unsere gemeinsame Zukunft“. Darin formuliert und definiert sie erstmals das Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Sie gab damit den Anstoß für einen weltweiten Diskurs und öffentliche Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit. Die deutsche Version gab der damalige Forschungsminister Volker Hauff heraus. Die WCED formuliert nachhaltige Entwicklung als eine, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“. Zwei Schlüsselbegriffe sind wichtig:

  • Bedürfnisse, insbesondere die Grundbedürfnisse der Ärmsten der Welt sollen Priorität haben
  • Beschränkungen, die der Stand der Technologie und der sozialen Organisation auf die Fähigkeit der Umwelt ausübt, gegenwärtige und zukünftige Bedürfnisse zu befriedigen.

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Dementsprechend sind die Ziele wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit in allen Ländern – Industrie- und Entwicklungsländern, marktorientierten oder zentral gelenkten. Für die Weltkommission ist die Menschheit nachhaltiger Entwicklung fähig. Sie könne gewährleisten, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen.

Schön gesagt – doch ist das nicht etwas für große Unternehmen?

Nein. Die Bundesregierung sieht die gesamte Wirtschaft, alle Unternehmen, groß, mittel oder klein, in der Pflicht. Sie schreibt: „Kleine, mittelständische, wie auch global agierende Unternehmen tragen eine große Verantwortung für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung.“ (vergleiche unseren Beitrag „Nachhaltigkeit managen – ein Vorschlag zur Einführung“.) Zum Gelingen einer nachhaltigen Entwicklung tragen ihrer Ansicht nach neben den großen deutschen Industriekonzerne vor allem die „zahlenmäßig überwiegenden kleinen und mittelständischen Betriebe und Unternehmen“ bei. Kleine und mittlere Unternehmen seien oft in ihrer Region verankert. Mit dem Markterschließungsprogramm (MEP) und den Exportinitiativen unterstützt das BMWK vor allem kleine und mittlere Unternehmen, eine nachhaltige Präsenz sowie Netzwerke auf neu zu erschließenden wie auf bestehenden Märkten zu sichern und aufzubauen.

Gerade kleinere Unternehmen benötigen Unterstützung bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen. Gefordert sind eine Art „Aufklärung“ über das Thema und pragmatische Umsetzungstipps. Auch wenn die Bezeichnung zunächst technisch klingt: Die DIN EN ISO 26000 bietet genau das. Dabei handelt es sich nicht um eine zertifizierbare Norm wie z. B. die DIN EN ISO 9001 für das Qualitätsmanagement. Sie ist praxisorientierter als jene gehalten und bietet viele Informationen und pragmatische Handlungsempfehlungen.

Auf 116 Seiten plus Anhänge erläutert sie in der Fassung 2020 die wesentlichen Aspekte von Nachhaltigkeit:

  • Abschnitt 1: Festlegung des Anwendungsbereiches der Norm.
  • Abschnitt 2: Erläuterung von Schlüsselbegriffen mit Bezug zu gesellschaftlicher Verantwortung.
  • Abschnitt 3: Beschreibung
    • des Konzeptes der gesellschaftlichen Verantwortung,
    • seine Anwendung auf Unternehmen
    • Anwendbarkeit in kleinen und mittleren Unternehmen.
  • Abschnitt 4: Erläuterung der Grundsätze der gesellschaftlichen Verantwortung.
  • Abschnitt 5: Identifizierung von für das Unternehmen relevanten Anspruchsgruppen oder Stakeholdern:
    • Ansprüche welcher Gruppen an das Unternehmen
    • Erwartung beispielsweise von Kunden an das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit
    • Erwartungen von Mitarbeitern
    • Erwartungen des Staates

Definition und Untersuchung der Anspruchsgruppen.

Daraus lassen sich dann Maßnahmen für das Unternehmen ableiten.

  • Abschnitt 6: Einführung in Kernthemen der gesellschaftlichen Verantwortung
  • Abschnitt 7: praxisnahe Handlungsempfehlungen zur Umsetzung einzelner Aspekte der Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Verantwortung im Unternehmen.
  • Anhang: Neben einem Abkürzungsverzeichnis und Literaturhinweisen finden sich im Anhang der Norm noch Beispiele freiwilliger Initiativen und Hilfsmittel.

Wie wenden Sie als Unternehmen die Norm in der Praxis an?

Gemäß der Norm gehen Sie in folgenden Schritten zur Einführung eines Systems zum Nachhaltigkeitsmanagement in Ihrem Unternehmen vor:

  1. Anerkennung der gesellschaftlichen Verantwortung im Unternehmen
  2. Identifizierung und Einbindung der Stakeholder (Anspruchsgruppen an das Unternehmen)
  3. Auswahl der im Unternehmen umzusetzenden Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung
  4. Umsetzung der Handlungsfelder (Berichtswesen, Messung)
  5. laufende Anpassung an die Unternehmenswirklichkeit

Soziale Verantwortung ist kein Selbstläufer. Sie muss erlernt werden. Zu ihr muss man sich bekennen. Sie muss man erarbeiten. Doch wie, womit? Hier tut sich ein weites Feld für innovative Unternehmen auf. Wer hat die beste Idee? Eine EU-Initiative widmet einen Wettbewerb dieser Frage. Mehr dazu lesen Sie in dem Beitrag „EU sucht Geschäftsideen mit sozialer Innovation“.

Autor*in: Franz Höllriegel