Lohnversteuerung von Abfindungen nach der Fünftelregelung
Der Mensch gewöhnt sich nicht an alles. Damit sich ein Mitarbeiter mit seiner Entlassung abfindet, kann eine Abfindung seinen Abschied von seinem Arbeitsplatz in Ihrem Unternehmen versüßen. Die Abfindung lässt sich steuerlich abfedern – Sie müssen nur die Regeln kennen.
Wieso abfedern? Waren Abfindungen früher nicht mal steuerfrei?
Ja, früher; seit 2008 nicht mehr. Sie sind allerdings immer noch sozialversicherungsfrei. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gehören nur Zahlungen in einem laufenden Arbeitsverhältnis zum beitragspflichtigen Entgelt, wohingegen Abfindungen für die Zeit nach Beschäftigungsende gezahlt werden. Seit 01.01.2008 unterliegen Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes der vollen Steuerpflicht.
Steuerfrei sind Entschädigungen, die einem Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot (z.B. wegen Geschlecht, Alter, Herkunft, sexueller Orientierung) gezahlt werden. Hierbei handelt es sich um einen immateriellen Schaden nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG). Er ist ein echter Schadensersatz und stellt keine Einnahme aus dem Dienstverhältnis dar. Steuerpflichtig sind hinwiederum Entschädigungen, die ein Arbeitnehmer erhält, wenn er unter Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot entlassen wird. In diesem Fall handelt es sich um Ersatz eines materiellen Schadens für die entgangenen Einnahmen nach § 15 Abs. 1 AGG.
Die Voraussetzungen für die Steuerpflicht von Abfindungen hat die Finanzverwaltung in einem Abfindungserlass laut einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 01.11.2013 (BStBl. I 2013, S. 1326) beschrieben. Im Gegenzug gibt es eine Steuererleichterung: die Fünftelregelung in § 34 Einkommensteuergesetz (EStG).
Was besagt die Fünftelregelung?
Sie verteilt die Steuerlast fiktiv auf fünf Jahre. Der Steuertarif ist nicht linear, sondern progressiv aufgebaut. Er steigt mit zunehmenden Einkünften massiv an. Bekommt Ihr Arbeitnehmer eine Abfindung, würde das zusammen mit seinen übrigen Einkünften des Kalenderjahres zu einer enormen Steuerbelastung führen. Die Fünftelregelung soll diesen Effekt abmildern. Um die Steuer für die Abfindung zu berechnen, wird diese nicht tatsächlich, sondern nur fiktiv auf fünf Jahre verteilt ermittelt:
- Zunächst die Steuer, die für die normalen Einkünfte ohne die Abfindung anfällt.
- Anschließend die Steuer für die normalen Einkünfte zuzüglich eines Fünftels der Abfindung.
- Der Unterschiedsbetrag mit Fünf multipliziert ergibt die Steuer für die Abfindung.
Sagen wir, Ihr Arbeitnehmer ist alleinstehend, hat keine Kinder, erzielt 2023 einen Arbeitslohn von 40.000 Euro und bekommt von Ihnen als seinem Arbeitgeber eine Abfindung von 60.000 Euro.
- tarifliche Einkommensteuer (Est)1 für 40.000 Euro: 7.828 Euro
- tarifliche ESt1 für 52.000 Euro (40.000 Euro + 1/5 von 60.000 Euro): 12.092 Euro
- Unterschiedsbetrag: 4.264 Euro
- ESt1 für die Abfindung (4.264 Euro × 5): 21.320 Euro
- ESt1 insgesamt (7.828 Euro + 21.320 Euro): 29.148 Euro
Zum Vergleich: Ohne Fünftelregelung ergäbe sich bei einem Einkommen von 100.000 Euro eine ESt1 von 32.027 Euro. Ihr Arbeitnehmer spart somit 2.879 Euro.
1 laut BMF-Steuerrechner
Wann ist die Fünftelregelung möglich?
Die begünstigte Besteuerung nach dieser Regelung ist nur bei außerordentlichen Einkünften im Sinne des § 34 EStG möglich. Im Lohn- und Gehaltsbereich kommen dabei in Betracht:
- Entschädigungen für entgangene Einnahmen: Hierzu gehören die Abfindungen. Merkmal solcher Entschädigungen ist, dass an die Stelle der eigentlich geschuldeten Leistung eine andere tritt. Die Steuerpflicht besteht in jedem Fall, ohne dass es auf einen Rechtsgrund wie z.B. Aufhebungsvertrag oder Kündigungsschutzklage ankommt.
- Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit: Das sind Einnahmen, die über mehr als ein Jahr hinweg erwirtschaftet, aber in einer Summe ausbezahlt werden wie z.B.:
- Jubiläumszuwendungen
- Gehaltsnachzahlungen
- Überstundenvergütungen.
- Zufluss in einem Kalenderjahr: Voraussetzung für die Fünftelregelung ist weiter, dass die Abfindung dem Arbeitnehmer zufließt und deshalb zu einer erhöhten Steuerbelastung führen könnte. Unerheblich ist dabei:
- ob tatsächlich eine höhere Steuer anfällt,
- ob die Abfindung in nur einer Summe oder in Teilzahlungen ausbezahlt wird, solange der Zufluss innerhalb eines Veranlagungszeitraums erfolgt.
Nehmen wir zum Beispiel an, Sie als Arbeitgeber vereinbaren mit Ihrem Arbeitnehmer mit Aufhebungsvertrag vom 10.02.2023 eine Abfindung in Höhe von 20.000 Euro. Sie wird in Raten zu 5.000 Euro am 01.03., 01.06., 01.09. und 01.12. fällig. Die Voraussetzung für die Fünftelregelung wäre damit erfüllt, da die Abfindung insgesamt im Veranlagungszeitraum 2023 steuerlich erfasst wird.
Sind jahresübergreifende Teilzahlungen zulässig?
Nur ausnahmsweise. Zahlen Sie als Arbeitgeber die Abfindung in Teilzahlungen über mehr als ein Jahr hinweg, ist das für die Fünftelregelung grundsätzlich abträglich. Ausnahmen erlaubt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) allerdings in folgenden Fällen:
- Sie als Arbeitgeber zahlen zusätzliche Entschädigungen aus Gründen der sozialen Fürsorge wie z.B.:
- Weiternutzung des Firmenwagens
- Outplacement-Beratung
- Übernahme von Versicherungsbeiträgen
Voraussetzung ist, dass diese weniger als 50 Prozent der Hauptleistung betragen und nur für eine gewisse Übergangszeit gezahlt werden.
- Eine Teilzahlung in einem späteren Kalenderjahr beträgt nicht mehr als zehn Prozent der Hauptleistung.
- Die Auszahlung war zwar in einer Summe vorgesehen, wurde wegen besonderer Umstände (z.B. Zahlungsschwierigkeiten des Arbeitgebers) aber auf zwei Jahre verteilt, oder Ihr Arbeitnehmer war auf eine Vorauszahlung angewiesen.
Für Pensionsansprüche, die über drei Jahre hinweg ausgezahlt werden, kommt laut BFH die Fünftelregelung nicht in Betracht; es fehle an der Zusammenballung der Einkünfte (Urteil vom 15.12.2022, Az.: VI R 19/21).
Was bedeutet Zusammenballung von Einkünften?
Damit die Fünftelregelung greifen kann, führt die Abfindung zu einer Zusammenballung von Einkünften führt, die mit einer erhöhten Steuerbelastung einhergeht. Eine solche nimmt man in folgenden Fällen an:
- Ist die Abfindung höher als die bis zum Jahresende wegfallenden Einkünfte, ist die Voraussetzung generell erfüllt.
- Ist die Abfindung nicht höher als die bis zum Jahresende wegfallenden Einkünfte, ist die Voraussetzung nur dann erfüllt, wenn Ihr Arbeitnehmer weitere Einkünfte erzielt, die er bei Fortführung des Arbeitsverhältnisses z.B. in einem neuen Arbeitsverhältnis nicht gehabt hätte.
Wie können Sie eine Zusammenballung erreichen?
Am ehesten, wenn die Abfindung höher als die wegfallenden Einkünfte angesetzt wird bzw. Ihr Arbeitnehmer möglichst spät im Kalenderjahr ausscheidet.
Nehmen wir als erstes Beispiel an, Ihr Arbeitnehmer hat ein Monatsgehalt von 2.500 Euro. Er scheidet aufgrund einer Kündigung durch Sie als sein Arbeitgeber zum 31.10.2023 aus und erhält eine Abfindung in Höhe von 10.000 Euro. Die Zusammenballung der Einkünfte prüfen Sie nun anhand einer Vergleichsberechnung wie folgt:
1. Schritt: Ermittlung der Einkünfte ohne Ausscheiden
Arbeitslohn bis 31.10.2023 (2.500 Euro × 10 Monate = 25.000 Euro) zuzüglich wegfallender Arbeitslohn 01.11.–31.12.2023 (2.500 Euro × 2 Monate = 5.000 Euro) ergibt 30.000 Euro.
2. Schritt: Ermittlung der Einkünfte aufgrund des Ausscheidens
Arbeitslohn bis 31.10.2023 (2.500 Euro × 10 Monate = 25.000 Euro) zuzüglich Abfindung 10.000 Euro ergibt 35.000 Euro.
Lösung: Eine Zusammenballung liegt vor, weil die Abfindung von 10.000 Euro höher ist als die bis Jahresende entfallenden Einkünfte von 5.000 Euro. Die Fünftelregelung zöge somit.
Ein anderes Beispiel: Ihr Arbeitnehmer hat ein Monatsgehalt von 2.500 Euro. Er scheidet aufgrund einer Kündigung durch Sie als sein Arbeitgeber zum 31.05.2023 aus und erhält eine Abfindung in Höhe von 10.000 Euro. Die Zusammenballung der Einkünfte prüfen Sie nun anhand einer Vergleichsberechnung wie folgt:
1. Schritt: Ermittlung der Einkünfte ohne Ausscheiden
Arbeitslohn bis 31.05.2023 (2.500 Euro × 5 Monate = 12.500 Euro) zuzüglich wegfallender Arbeitslohn 01.06.–31.12.2023 (2.500 Euro × 7 Monate = 17.500 Euro) ergibt 30.000 Euro.
2. Schritt: Ermittlung der Einkünfte aufgrund des Ausscheidens
Arbeitslohn bis 31.05.2023 (2.500 Euro × 5 Monate = 12.500 Euro) zuzüglich Abfindung 10.000 Euro ergibt 22.500 Euro.
Lösung: Eine Zusammenballung liegt nicht vor, weil die 10.000 Euro-Abfindung kleiner ist als die bis Jahresende entfallenden Einkünfte von 17.500 Euro. Die Anwendung der Fünftelregelung wäre damit unzulässig.
Was bedeutet das für Ihre Praxis als Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren?
Bis 31.12.2023 waren Sie als Arbeitgeber nach § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG verpflichtet, die Fünftelregelung bereits im Lohnsteuerverfahren anzuwenden, wenn sie zum Zahlungszeitpunkt erkennen konnten, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt wären. Übrigens können auch Minijobber Abfindungen erhalten. Was dann gilt, erfahren Sie in unserem Download unter www.lohn-und-gehaltsprofi.de
Aufgrund des geplanten, vom Bundesrat auf Betreibern der Union im Zusammenhang mit der Dieselsubvention für die Landwirtschaft gestoppten Wachstumschancengesetzes sollen Sie als Arbeitgeber für alle Lohnzahlungszeiträume ab 01.01.2024 nicht mehr verpflichtet sein, die Fünftelregelung bereits im Lohnsteuerverfahren zu berücksichtigen. Dem Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zufolge wolle man einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten, da der Berechnungs- und Verwaltungsaufwand für Sie als Arbeitgeber wegfalle. Stattdessen prüfen die Wohnsitzfinanzämter die Fünftelregelung im Veranlagungsverfahren, sodass Ihr Arbeitnehmer keine Nachteile zu befürchten hätte.
Mit dem Wachstumschancengesetz will die Bundesregierung Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen verbessern. Nachdem der Regierungsentwurf im parlamentarischen Verfahren keine Mehrheit gefunden hat, konnte sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am 21. Februar 2024 auf eine Beschlussempfehlung zum Wachstumschancengesetz einigen. Diese Beschlussempfehlung hat der Bundestag am 23. Februar 2024 angenommen. Damit das Gesetz jedoch endgültig in Kraft treten kann, muss nun noch der Bundesrat zustimmen. Die nächste Sitzung ist für den 22. März 2024 geplant.