Leitende Angestellte – wie sind sie arbeitsrechtlich gestellt?
Sie entlassen Kollegen, genießen selbst Kündigungsschutz – und können trotzdem gefeuert werden. Sie sind Arbeitgebern nahe – und sitzen in Aufsichtsräten auf der Arbeitnehmerbank. Leitende Angestellte: Spieler und Spielball zugleich.
Leitende Angestellte und Arbeitgeber
Stärker als jede andere Gruppe der Industriegesellschaft sind Leitende Angestellte von sozialer Deklassierung bedroht. Das erkannte schon vor fast 50 Jahren der damalige Präsident des Bundesarbeitsgerichtes, Professor Dr. Gerhard Müller. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert.
Nach außen hin zeigen sich besonders größere Unternehmen arbeitnehmerfreundlich wie nie. Homeoffice, Teilzeit und betriebliche Sportangebote – den Firmen ist kaum etwas zu teuer, um im Wettbewerb um Fachkräfte und im Kampf um einen Platz in der Hitparade der beliebtesten Arbeitgeber zu bestehen.
Doch wehe, die so heiß umworbenen Mitarbeiter mit Führungsfunktion sind im Unternehmen angekommen oder gar schon mehrere Jahre verdienstvoll etabliert: dann werden andere Seiten aufgezogen, zitierte schon 2015 die „Welt“ den Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph Abeln. Rechtswidrige Versetzungen, Entzug von Aufgaben, Leitungsbefugnissen und Degradierungen – alles keine Seltenheit.
Ein Grund für den zunehmend ruppigen Umgangston unter Führungskräften: „Je rüder, desto besser – damit erzieht man auch die, die bleiben dürfen“, so der Arbeitsrechtler.
Weder Position des Arbeitgebers noch die eines Arbeitnehmers
Leitende Angestellte stehen aufgrund ihrer Stellung, Funktion und Aufgaben dem Arbeitgeber nahe, andererseits sitzen sie in Form eines garantierten Sitzes auf der Arbeitnehmerbank von Unternehmen, die dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 unterliegen.
Was aber ist ein Leitender Angestellter? Ausschlaggebend dafür, ob ein Mitarbeiter Leitender Angestellter ist, sind
- das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und
- das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
So definiert das Kündigungsschutzgesetz Leitende Angestellte
Nach § 14 Abs. 2 KSchG und der Rechtsprechung dazu sind Leitende Angestellte zu einem prägenden Teil ihrer Tätigkeit zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung einer bedeutenden Anzahl von Arbeitnehmern berechtigt.
Der Leitende Angestellte in diesem Sinne genießt zwar grundsätzlich Kündigungsschutz. Er kann eine Kündigung durch eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht angreifen. Doch nützt ihm das in der Praxis wenig. Der Arbeitgeber kann in diesem Falle einen sogenannten Auflösungsantrag stellen. Der Arbeitgeber muss diesen Auflösungsantrag nicht einmal begründen. Das Gericht wird dann das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auflösen. Diese richtet sich in der Regel nach der Faustformel, halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Der Leitende Angestellte kann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verhindern.
So definiert das Betriebsverfassungsrecht Leitende Angestellte
Leitender Angestellter ist über die Bestimmung des KSchG hinaus nach § 5 Abs. 3 BetrVG, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
- zur selbstständigen Einstellung und Kündigung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG),
- Generalvollmacht oder im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend Prokura hat (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG),
- regelmäßig sonstige Aufgaben im Wesentlichen frei von Weisungen wahrnimmt oder maßgeblich beeinflusst, die für Bestand und Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG).
Betriebsverfassungsgesetz auf Leitende Angestellte nicht anwendbar
Auf Leitende Angestellte in diesem Sinne finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes mit wenigen Ausnahmen keine Anwendung. Bestehen nach Überprüfung der im BetrVG genannten Gesichtspunkte noch immer Zweifel, ob ein Mitarbeiter leitender Angestellter ist, erfolgt eine weitergehende Prüfung folgender Kriterien:
- Zuordnung des Mitarbeiters zu den leitenden Angestellten bei den letzten Wahlen zu Arbeitnehmervertretungen,
- Einer Leitungsebene zugehörig mit überwiegend leitenden Angestellten,
- Regelmäßiges, im Unternehmen für Leitende Angestellte übliches Jahresarbeitsentgelt,
- Regelmäßig dreimal so hohes Gehalt wie nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV): 109.620 Euro p. a. alte Bundesländer, 97.020 Euro p. a. neue Bundesländer.
Leitende Angestellte fallen nicht unter Sozialplan
Die Nichtanwendbarkeit der Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes kann für Leitende Angestellte gravierende, insbesondere bei einer Betriebsänderung sogar existenzielle Folgen haben.
Arbeitgeber und Betriebsrat können sich ausdrücklich darauf einigen, auch den leitenden Angestellten etwaige Ansprüche aus einem Sozialplan zu gewähren.
Einigen sie sich darauf nicht, verlieren die Führungskräfte bei einschneidenden Maßnahmen, wie z. B. einer Betriebsstilllegung, ihren Arbeitsplatz ohne finanzielle Kompensation. Da sie keine Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind, haben sie auch kein Recht darauf, in einem Sozialplan berücksichtigt zu werden.
Betriebsrat vertritt ihre Interessen nicht
Auch im Bereich der personellen Einzelmaßnahmen fallen Leitende Angestellte nicht unter die Betriebsverfassung. Der Arbeitgeber kann sie ohne Zustimmung des Betriebsrats versetzen.
Im Falle einer Kündigung bedarf es lediglich einer Mitteilung des Arbeitgebers an den Betriebsrat. Eine förmliche Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG unter Mitteilung der Gründe für die Kündigung muss nicht durchgeführt werden.
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