06.02.2024

Hinweisgeberschutzgesetz – und jetzt?

Der größte Lump im ganzen Land, ist und bleibt der Denunziant. Damit ist der Zeitgenosse gemeint, der die Obrigkeit anonym informiert. Das ist in Deutschland jetzt gesetzlich geschützt, optional auch anonym, heißt aber nicht Denunzieren, sondern Hinweisgeben oder Whistleblowing.

Hinweisgeberschutzgesetz

Seit wann ist Hinweisgeben und wodurch geschützt?

Seit 02.07.2023 durch das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Es setzt die EU-Whistleblower-Richtlinie 2019/1937 vom 16.12.2019 in nationales Recht um. Die EU-Länder können den Anwendungsbereich auf Verstöße gegen nationales Recht erweitern. Wer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mögliche Compliance-Verstöße bemerkt, soll diese anzeigen können, ohne negative Folgen wie Diskriminierung, Degradierung oder Entlassung befürchten zu müssen.

Wie war die Situation bisher?

Bislang drohten massive Benachteiligungen demjenigen, der Missstände und Rechtsverstöße bei einem Unternehmen oder einer Behörde aufdeckte und öffentlich machte.

Was ist Whistleblowing?

Der Begriff Whistleblowing beschreibt den Vorgang, wenn eine Information an die Öffentlichkeit gelangt, die bisher unter Verschluss gehalten wurde. Somit ist ein Hinweisgeber oder Whistleblower eine Person, die wichtige interne Informationen preis gibt, die der Allgemeinheit sonst nicht zur Verfügung stünden. Im Englischen wird auch häufig der Begriff leak benutzt, wenn eine vertrauliche Information an die Öffentlichkeit gelangt. Leaken von Informationen ist für Hinweisgeber nicht ungefährlich. Deswegen bleiben viele von ihnen lieber anonym. Dennoch gibt es einige bekannte Ausnahmefälle, in denen Hinweisgeber trotz möglichen Konsequenzen, wie Repressalien am Arbeitsplatz bis hin zur Strafverfolgung und einem vorzeitigen Karriereende, selbst direkt an die Öffentlichkeit treten. Das Umfeld aus dem heraus geleakt wird, kann vielfältig sein und unter anderem in diesen Bereichen stattfinden:

  • Politik
  • Behörden
  • Verwaltung
  • Wirtschaftsunternehmen
  • weitere Bereiche

Schlagzeilen machte im Sommer 2013 der ehemalige US-amerikanische Geheimdienstinformatiker Edward Snowden. Er hatte in seiner Zeit als Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA dessen weltweite Überwachungs- und Spionagepraktiken öffentlich gemacht und wird seither von den USA mit Haftbefehl weltweit gesucht. Für seine Enthüllungen wurde er mehrfach von nichtstaatlichen Organisationen ausgezeichnet. Im Jahr 2014 erhielt er den Ehrenpreis des Right Livelihood Award. Snowden lebt seit 2013 im Exil in Moskau, weil er kein Asyl in westlichen Staaten bekam. Für jemanden, der wie Snowden Missstände öffentlich macht, im übertragenen Sinne die Warnpfeife bläst, hat sich die Bezeichnung Whistleblower eingebürgert. Die Whistleblower-Richtlinie soll in der EU einen einheitlichen Schutz für Hinweisgeber vor Benachteiligungen gewährleisten.

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Für wen besteht Handlungsbedarf?

Für Unternehmen, Behörden und sonstigen Organisationen mit 50 und mehr Beschäftigten. Verstöße gegen das HinSchG stellen Ordnungswidrigkeiten dar, und es drohen Geldbußen bis zu 50.000 Euro. Das HinSchG schützt hinweisgebende Personen. Hierunter versteht es:

  • natürliche Personen,
  • die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit
  • Informationen über Verstöße erlangt haben und
  • diese melden oder
  • offenlegen.

Es können dies sein sämtliche Beschäftigte eines Unternehmens oder einer Behörde, unabhängig davon, ob sie angestellt oder selbstständig, Gesellschafter, Auszubildende, Praktikanten oder Mitarbeiter von Lieferanten sind. Der Schutz des Gesetzes erstreckt sich auf beendete Arbeitsverhältnisse und solche, die sich noch im Anbahnungsstadium befinden.

Zu was verpflichtet das Gesetz Unternehmen oder Behörden?

Zur Einrichtung interner Anlaufstellen. Darüber hinaus richtet das Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle. Die Länder können eigene externe Meldestellen für Meldungen einrichten, die die jeweiligen Landes- und Kommunalverwaltungen betreffen. Mehrere private Organisationen mit 50 bis 249 Mitarbeitern dürfen eine gemeinsame Meldestelle einrichten.

Welchen Meldekanal nehmen Hinweisgeber?

Sie können wählen, ob sie den internen oder externen Meldekanal wählen. Wenn sie keine Repressalien befürchten, sollten sie bevorzugt die interne Meldestelle wählen und sich erst an die externe Stelle wenden, wenn intern keine Abhilfe geschaffen wurde. Wollen Sie als Arbeitgeber vermeiden, dass sich ein Hinweisgeber aus Ihrer Organisation bereits im ersten Schritt an die externe Meldestelle wendet, empfiehlt es sich, den internen Meldekanal so attraktiv wie möglich zu gestalten. Um eine interne Meldestelle effektiv und in Übereinstimmung mit den vielfältigen rechtlichen Anforderungen – etwa in arbeits- und datenschutzrechtlicher Hinsicht – zu betreiben, sollten Sie als Unternehmen unverzüglich handeln. Es ist Ihnen als Unternehmen des Hinweisgebers untersagt, die Kommunikation zwischen diesem und Meldestellen zu behindern.

Die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist komplex und sollte rechtzeitig vorbereitet werden. Die internen und externen Meldestellen unterliegen dem Vertraulichkeitsgebot, haben das im HinSchG vorgesehene Verfahren einzuhalten und die gebotenen Folgemaßnahmen §§ 17, 18, 28, 29 HinSchG zu treffen.

Wie sieht eine interne Meldestelle aus?

Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers Anreize schaffen, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an die externe Meldestelle zunächst an die interne Meldestelle wenden. Zu diesem Zweck stellt die betreffende Organisation seinen Beschäftigten leicht zugängliche und verständliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens zur Verfügung. Dabei darf sie die Möglichkeit der Nutzung der externen Meldestelle jedoch nicht beschränken oder erschweren.

Welche Meldungen schützt das HinSchG?

Folgende Meldungen über Verstöße gegen EU-Recht oder nationales Recht:

  • alle Straftaten
  • lebens- oder gesundheitsgefährdende Ordnungswidrigkeiten

Verstöße gegen Rechtsvorschriften nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 10 HinSchG u.a. : Datenschutzverstöße, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Insiderhandel und Korruption

Was sind typische Fälle, bei denen Hinweisgeber zur Aufklärung beitragen?

  • Korruption/Compliance-Verstöße
  • Insiderhandel
  • Datenmissbrauch
  • Menschenrechtsverletzungen
  • Diskriminierungen am Arbeitsplatz
  • Umweltverschmutzungen

Wie sieht der Schutz des Hinweisgebers aus?

Durch das Verbot von Repressalien und deren Androhung gegen hinweisgebende Personen. Dem Hinweisgeber kann bei Repressalien ein Schadensersatzanspruch zustehen. Macht ein Hinweisgeber substanziiert geltend, dass er wegen einer Meldung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit benachteiligt wurde, z.B. wenn er nach der Meldung eine Kündigung erhalten hat, hat nicht der Hinweisgeber, sondern der Arbeitgeber die Beweislast. Der Arbeitgeber weist nach, dass zwischen der Benachteiligung, also beispielsweise der Kündigung, und der Meldung keinerlei Verbindung besteht.

Als interne Ansprechpartner sollten Organisationen vorrangig Ombudspersonen wie z. B. Rechtsanwalt oder Mitarbeiter der Compliance-Abteilung beauftragen. Die interne Meldestelle kann über ein elektronisches Hinweisgebersystem organisiert werden. Das System ist in der Regel über jedes internetfähige Gerät als digitales Meldesystem, telefonisch oder per E-Mail rund um die Uhr nutzbar. Dabei sind Datenschutz und Anonymität lückenlos gewährleistet. Eine technische Rückverfolgung von Hinweisen darf nicht möglich sein.

Wie lässt sich ein elektronisches Hinweisgebersystem organisieren?

Durch ein digitales System online. Mit einem digitalen Hinweisgebersystem erfüllen Sie als Organisation die wichtigsten Anforderungen der EU-Richtlinie und es entspricht voll und ganz dem heutigen Kommunikationsverhalten. Meldungen per Telefon oder E-Mail kann ein Dienstleister in das digitale Meldesystem eingepflegt werden, der Sie als Unternehmen bei der Einführung eines digitalen Hinweisgebersystems unterstützt und den gesamten Meldeprozess betreut.

Muss der Hinweisgeber sich bei seiner Meldung identifizieren?

Nicht unbedingt. Es liegt bei der Organisation, ob ihre Meldestelle die Angaben zur Person des Hinweisgebers verlangt oder nicht. Nach dem Gesetz sollen interne und externe Meldestellen war anonyme Hinweise bearbeiten. Eine Verpflichtung zur Bearbeitung anonymer Hinweise sieht das Gesetz nicht vor (§§ 16 und 27  HinSchG). Der Gefahr von Nachteilen für Hinweisgeber beugt das HinSchG ohnedies durch deren Verbot an mehreren Stellen vor, solange ein „hinreichender Grund zur Annahme“ besteht, dass die gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprechen.

Was sind die Anforderungen für ein Meldesystem?

Die Informationen über den unternehmensinternen Meldeprozess, z.B. im Rahmens eines Compliance-Management-Systems, sowie über alternative externe Meldewege an zuständige Behörden müssen leicht verständlich und zugänglich sein, und zwar für alle Whistleblower, egal ob eigene Mitarbeiter, externe Dienstleister, Zulieferer oder sonstige Geschäftspartner. Alle über die Meldewege erlangten Informationen sollen sicher aufbewahrt werden, damit sie gegebenenfalls als Beweismaterial verwendbar sind.

Gibt es zeitliche Vorgaben bei einer Whistleblowing-Meldung?

  • Der Eingang einer internen Meldung ist dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Meldung zu bestätigen.
  • Nach weiteren drei Monaten müssen Sie als Unternehmen auf die Meldung reagieren,
  • diese im Rahmen eines Compliance Managements nachverfolgen und
  • den Whistleblower über die ergriffenen oder geplanten Folgemaßnahmen informieren.

Was geschieht, wenn Sie als Unternehmen nicht zeitgemäß reagieren?

Erfolgt auf den ursprünglichen internen Hinweis keine Reaktion und macht der Hinweisgeber seine Kritik dann z.B. im Internet öffentlich, hat er einen Anspruch auf Schutz vor Repressalien. Eine interne Meldung ist zudem gar nicht erst erforderlich, wenn eine unmittelbare Gefahr für die Öffentlichkeit droht.

Welchen Vorteil bietet Ihnen als Unternehmen Whistleblowing?

Da Hinweisgeber Missstände aufdecken und über Fehlverhalten berichten, ist der Begriff Whistleblowing für viele Menschen positiv besetzt. Hinweisgeber tragen entscheidend dazu bei, Rechtsverstöße aufzudecken und zu unterbinden. Dies liegt nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern auch von Ihnen als betroffenem Unternehmen selbst.

Was ist der Unterschied zwischen Whistleblowing und Denunzieren?

Für den Duden ist ein Denzuniant eine „Person, die jemanden denunziert“. „Denunzieren“ wiederum bedeutet „aus persönlichen niedrigen Beweggründen anzeigen“. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) geht weiter und spricht von „jemandem, der aus niedrigen, meist egoistischen Beweggründen andere anzeigt, verdächtigt“.

Solche Gründe können zum Beispiel das Erlangen eines persönlichen Vorteils sein. Dabei sind falsche Beschuldigungen ein beliebtes Mittel der Denunziation. Unter Denunziation fällt zum Beispiel, wenn ein Kollege behauptet, ein anderer Kollege würde das Büro zu früh verlassen. Der erste Kollege erhofft sich, das Ansehen seines Kollegen zu mindern und die anstehende Beförderung zu erhalten. Er verschweigt allerdings bei seiner Meldung, dass sein Kollege die Gleitzeit nutzt und den Arbeitstag so früh beginnt, dass er auch deutlich früher gehen kann.

Denunzianten erhoffen sich aus ihrer Anzeige einen persönlichen Vorteil. Sie zeichnet andererseits ein besonders Maß an Feigheit aus. Sie wissen um die Niederträchtigkeit ihres Tuns und sind deswegen meistens bestrebt, ihre Identität nicht preiszugeben. Wesensmerkmal der Denunziation ist deswegen die Anonymität, weswegen der Gesetzgebern wohlweislich die Anonymität eines Meldesystems nicht verpflichtend vorschreibt, sondern nur als Option anbietet. Whistleblower melden ihre Beobachtungen trotz der drohenden persönlichen Nachteile offen mit Nennung von Ross und Reiter. Die Motivation von Whistleblower und Denunziant könnte deswegen gegensätzlicher nicht sein. Auch die Inhalte der Meldungen unterscheiden sich. Whistleblower decken illegale Aktivitäten aus oben genannten Bereichen auf und wollen die Öffentlichkeit schützen. Dafür riskieren sie ihre Karriere und mehr.

Fazit: Als Unternehmen oder Organisation sollten Sie das Mittel der Anonymität an der Meldestelle vermeiden, wenn Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, über die Anonymität der Denunziation in Unternehmen oder Organisation oder als Behörde in Staat und Gesellschaft Vorschub leisten zu wollen.

P.s.: Als Journalist ist man vergleichsweise gut beraten, anonyme Informanten grundsätzlich zu ignorieren. Dies kann durchaus geschehen, ohne gleichzeitig den verpflichtenden Informantenschutz zu verletzen. Anonymität heißt, dass selbst der Journalist keine Kenntnis über eine Informationsquelle besitzt. Diese sollte er aber in jedem Fall besitzen, will er mit einer Information an die Öffentlichkeit gehen. Gleiches gilt übrigens auch für die Wissenschaft.

Autor*in: Franz Höllriegel