24.02.2020

Haftung des Geschäftsführers gegenüber Geschäftspartnern

Die unwissenden Bauern ernten dicke Kartoffeln. Manchmal handeln sie aber mit Zitronen. So wollte kürzlich ein Agrar-Betrieb den Chef eines Landhandels persönlich wegen Untreue belangen. Ohne Erfolg. In einem solchen Fall haften Sie als Geschäftsführer nicht, entschied der BGH.

Haftung gegen Geschäftspartner

Welche Besonderheit wies der entschiedene Fall auf?

Es ging um die Frage: sind Sie als GmbH-Geschäftsführer gegenüber den Geschäftspartnern Ihrer GmbH regresspflichtig, wenn Sie sich persönlich etwas zuschulden kommen lassen? Besteht hierbei gegen Sie persönlich eine Schadensersatzpflicht gegenüber den GmbH-Geschäftspartnern?

Geklagt hatte ein landwirtschaftliches Unternehmen gegen den GmbH-Geschäftsführer einer Mühle, die einen Landhandel betreibt. Das Agrarunternehmen belieferte die Mühlen-GmbH in Juli und August 2012 mit Weizen. Diese lagerte ihn ein und verkaufte ihn dann zu von dem klagenden landwirtschaftlichen Betrieb bestimmten Zeitpunkten zum jeweiligen Tagespreis. Die aus den Verkäufen erzielten Erlöse flossen auf ein Konto der GmbH. Das Agrarunternehmen bezog seinerseits von der GmbH Saatgut, Dünger und Ähnliches. Beide hatten dafür einen Kontokorrent vereinbart.

Was ist ein Kontokorrent?

Ihn vereinbaren Kaufleute untereinander oder mit Nichtkaufleuten zu Vereinfachung und Vereinheitlichung des Zahlungsverkehrs. Man sagt sich, man stehe sowieso laufend (italienisch: corrente) in ständiger Geschäftsverbindung mit gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten. Warum also nicht diese Forderungen oder Verbindlichkeiten laufend verrechnen?

Besser als jede einzelne Forderung oder Verbindlichkeit jeweils bei deren Fälligkeit isoliert zu erfüllen. So lässt sich eine Vielzahl von Zahlungsvorgängen auf die Begleichung einer einzigen Überschussforderung eindampfen. Dadurch wird die Zahlungsabwicklung zwischen den Geschäftspartnern zudem sicherer. Beide können sich darauf verlassen, dass ihre Forderungen aufgrund der laufenden Geschäftsverbindung ständig mit Gegenforderungen der anderen Seite verrechnet werden. Das Risiko der Nichterfüllung ist zumindest begrenzt.

Konnten sich auch die beiden Landwirtschaftsunternehmen darauf verlassen?

Nein, eben nicht. Der zwischen ihnen getroffenen Kontokorrentabrede zufolge sollte die Auszahlung des Differenzguthabens von der GmbH an das Agrarunternehmen im Februar des Folgejahres erfolgen. Doch eine solche Zahlung erfolgte nicht. Auch viele andere Landwirte guckten in die Röhre. Der beklagte Chef der Mühlen-GmbH stellte am 30. Juli 2013 einen Insolvenzantrag für die GmbH, der aber mangels Masse abgewiesen wurde. Die Mühlen-GmbH konnte die Forderungen nicht mehr bedienen, weil ihr beklagter Geschäftsführer mehrere hunderttausend Euro aus dem Vermögen der GmbH für betriebsfremde Zwecke verwendet hatte.

Bei der GmbH war also nichts zu holen?

Zunächst dachte das auch der klagende landwirtschaftliche Betrieb. Aber er wollte sich damit nicht zufrieden geben. Er nahm darauf den Geschäftsführer persönlich auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Anspruch. Er hafte wegen

  • Insolvenzverschleppung,
  • Betrugs,
  • Verletzung von Geschäftsführerpflichten.

Aber dieser Weg erwies sich vor dem BGH als Sackgasse. Der lehnte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ab. Dafür reiche eine Pflichtverletzung des Mühlen-Geschäftsführers nicht aus, selbst wenn sie zu einem Vermögensschaden führe. Vielmehr müsse das Verhalten des Geschäftsführers gerade auch im Verhältnis zu dem landwirtschaftlichen Betrieb als Vertragspartner sittenwidrig sein.

Was setzt ein sittenwidriges Verhalten voraus?

Nach Auffassung des BHG eine speziell gegenüber dem Vertragspartner bestehende Treuepflicht, die der Geschäftsführer hätte verletzt haben müssen. Nach Ansicht der Karlsruher Richter gibt es aber keine Treuepflicht gegenüber außenstehenden Dritten wie der Mühlen-GmbH als Vertragspartnerin des Landwirtschaftsbetriebes.

Heißt das, Sie als ein GmbH-Geschäftsführer brauchen Ihr Geschäft nicht ordnungsgemäß zu führen?

Nein, natürlich nicht. Ihnen als GmbH-Geschäftsführer obliegt nach § 43 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Dazu gehört auch, dass Sie als solcher für das rechtmäßige Verhalten Ihrer Gesellschaft und das Einhalten ihrer gesetzlichen Verpflichtungen sorgen müssen. Diese Verpflichtung besteht aber, so die Karlsruher Richter, grundsätzlich nur im Verhältnis zur Gesellschaft (BGH, Urteil vom 07.05.2019, Az.: VI ZR 512/17).

Was bedeutet Haftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung?

Ein Anspruch darauf setzt voraus:

  • Sittenwidrigkeit und
  • Vorsatz, also Absicht ooder billigende Inkaufnahme.

Sittenwidrig und damit ausschlaggebend für einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB ist es, wenn Sie als GmbH-Geschäftsführer mit Ihrem Handeln das Anstandsgefühl billig und gerecht denkender Menschen verletzen. Dabei verletzen Sie als solcher mit einem Unterlassen oder Verhalten die guten Sitten nur, wenn das geforderte Handeln einem sittlichen Gebot entspricht. Hinzukommen müssen Umstände, die das schädigende Verhalten oder Unterlassen nach allgemeiner Geschäftsmoral und allem, was als anständig gilt, verwerflich machen, sei es

  • wegen seines Zwecks oder
  • wegen des angewandten Mittels oder
  • mit Rücksicht auf die gezeigte Gesinnung

(BGH, Urteil vom 19.10.2010, Az.: VI ZR 124/09).

Nur einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht nachkommen, genügt da nicht.

Wo wäre denn der Punkt erreicht, an dem auch der BGH sagt, jetzt reicht’s?

Als besonders verwerflich sieht der BGH zwei Verhaltensweisen an:

  • Verschleierung der wirtschaftlichen Lage der GmbH,
  • Verletzung der Treue- und Fürsorgepflichten, indem die GmbH die Geschäftstätigkeit mit von Gläubigern anvertrauten Vermögenswerten fortführt, obwohl dies erkennbar deren Interessen stark gefährdet.

In solchen Fällen hafteten Sie als GmbH-Geschäftsführer persönlich gegenüber den Vertragspartnern Ihrer Gesellschaft. Im zu entscheidenden Fall verschleierte aber die GmbH ihre wirtschaftliche Lage nicht. Auch hat sie nach Ansicht des BGHs Gelder des Agrar-Unternehmens nicht treuhänderisch verwahrt. Es habe jedenfalls keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Strafgesetzbuch (StGB) bestanden.

Was besagt Vermögensbetreuungspflicht?

Sie ist in dem genannten „Untreue“-Paragraphen 266 StGB festgelegt. Verkürzt zusammengefasst darf man danach eine eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen nicht missbrauchen. Wer es trotzdem tut, den bedroht das Gesetz mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder Geldstrafe.

Eine Vermögensbetreuungspflicht träfe Sie als GmbH nur dann, wenn Sie als Geschäftsführer, also als Täter in einer Beziehung zu Ihrem geschädigten Vertragspartner ständen, die eine über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich brächte. Das ist normalerweise nur bei fremdnützigen Schuldverhältnissen einer Geschäftsbesorgung der Fall, also etwa bei Sicherungsverträgen oder der Kaution in Mietverträgen.

Wie können Sie Vertragspartner Ihrer GmbH absichern?

Sicherlich keine unberechtigte Frage. Der eine oder andere Vertragspartner von Ihnen könnte sie sich angesichts dieses BGH-Urteils schon stellen. Aber das konnte er sich bislang auch schon fragen. Immerhin betritt der BGH damit ja kein Neuland, sondern setzt mit seinem Urteil nur seine bisherige Rechtsprechung fort, dass allein aus der Stellung des Geschäftsführers als Organ der GmbH keine Garantenpflicht gegenüber Dritten besteht und nur die Gesellschaft haftet.

Sie können ihren Vertragspartner versichern, dass ihr Vermögen bei Ihnen trotzdem gut aufgehoben ist. Um sie vor dem Risiko des Forderungsausfalls bei Insolvenz oder Überschuldung Ihrer GmbH – weiß man’s? Kann jedem passieren – zu schützen, könnten Sie eine vertragliche Vereinbarung mit Ihnen als Geschäftsführer Ihrer GmbH – zumal als mittelständische inhabergeführte GmbH – als Verhandlungsmasse bei Vertragsverhandlungen einbringen. Sie müsste enthalten, dass Sie als dieser Geschäftsführer Ansprüche Ihrer Vertragspartner aus laufender Geschäftsbeziehung regelmäßig durch eine Bürgschaft absichern.

Autor*in: Franz Höllriegel