02.07.2024

Grundsatzentscheidung des BGH zur Geschäftsführer-Haftung

Haftungsrisiken für das Führungspersonal ausschließen oder begrenzen – so der Zweck der GmbH & Co. KG. Insbesondere privat wollen die Gesellschafter möglichst nicht haften müssen. Doch wie steht es um den Geschäftsführer dieser GmbH? Hier gehen die Meinungen auseinander.

Geschäftsführer-Haftung

Was ist die GmbH & Co. KG?

Eine besondere Form der Kommanditgesellschaft (KG). Eine KG hat zwei Arten von Gesellschaftern:

  • Die unbeschränkt haftenden Komplementäre und
  • die Kommanditisten.

Die GmbH & Co. KG entsteht durch eine Kombination von GmbH und mindestens einer weiteren – in der Regel natürlichen – Person als Gesellschafter der KG.

Wer hat bei einer GmbH & Co. KG das Sagen?

Die Geschäftsführer. Sie führen die Geschäfte der Komplementär-GmbH. Inwieweit die Geschäftsführung für die Kommanditgesellschaft persönlich haftet, ist immer wieder Gegenstand von Debatten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) haften gemäß § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz (GmbHG) Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG im Fall einer Sorgfaltspflichtverletzung auch gegenüber der Kommanditgesellschaft.

Worin besteht die Besonderheit einer GmbH & Co. KG?

Darin, dass die Komplementärstellung in der KG von einer GmbH wahrgenommen wird. Hierdurch erreicht man eine Art „haftungsbeschränkte Personengesellschaft“, eine Kombinierung

  • der personengesellschaftlichen Struktur einer KG mit der
  • Haftungsbeschränkung einer GmbH.

Da bei der GmbH & Co. KG zwei verschiedene Rechtsformen miteinander verbunden sind, ergeben sich eine ganze Reihe von Besonderheiten. Gleichwohl nimmt das Gesetz nur an wenigen Stellen Bezug auf diese Gesellschaftsform. Folge: der Betrieb einer solchen Gesellschaft bringt einen Mehraufwand mit sich.

Welche Vorteile hat diese Gesellschaftsform?

Neben dem besonderen Vorteil der Haftungsbeschränkung ist die Möglichkeit zentral, Verluste der GmbH und Co. KG auf der Gesellschafterebene im Fall einer natürlichen Person als in Grenzen mit Gewinnen anderer Einkünfte zu verrechnen. Weitere Vorteile sind:

  • alleinige Leitung des Gesamtunternehmens auch bei Beteiligung vieler Kommanditisten beim Geschäftsführer der Komplementär-GmbH
  • Übertragungsmöglichkeit der Geschäftsführung auf einen Nichtgesellschafter, die Fremdgeschäftsführung. Dies kann z.B. bei Nachfolgesachverhalten zur Sicherung der Unternehmensfortführung wichtig sein, wie die IHK Offenbach am Main ausführt.
  • flexible Gesellschaftsform, Änderungen des Gesellschaftsvertrags der KG müssen nicht beurkundet, können lediglich notariell zum Handelsregister angemeldet werden.
  • Möglichkeit der flexiblen Beschaffung neuen Eigenkapitals durch Aufnahme von Kommanditisten.
  • Wirtschaftsgüter können steuerlich buchwertneutral übertragen werden.
  • Höhere Fungibilität, also Möglichkeit, ein Wertpapier problemlos austauschen zu können, bei der Anteilsübertragung, weil steuerlich statt Anteilen Wirtschaftsgüter übertragen werden.
  • Unkomplizierter Zugriff der Gesellschafter auf ihre Gewinnanteile
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Dem stehen welche Nachteile gegenüber?

  • Hoher Beratungsbedarf aufgrund der komplexen Gesellschaftsstruktur.
  • Vergleichsweise hohe Kosten und Formalitäten beim Betrieb beider Gesellschaftsformen.
  • Hohe Publizitätspflichten durch Offenlegung der Jahresabschlüsse von GmbH und KG.
  • Fehlender Kapitalmarktzugang.

Wer haftet bei einer GmbH & Co. KG?

Grundsätzlich:

  • ein Kommanditist mit seiner Einlage beschränkt und
  • ein Komplementär mit seinem gesamten Vermögen unbeschränkt.

Mit der GmbH nimmt aber eine haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft die Komplementärstellung ein. Deswegen gibt es bei der GmbH & Co. KG ausschließlich beschränkt haftende Gesellschafter. Die Folge ist, dass es keine Vollhafter mehr gibt. Diese faktische Haftungsbeschränkung ist der Grund für den besonderen Firmenzusatz „GmbH & Co.“. Laut IHK Offenbach am Main soll dies den Rechtsverkehr auf die besondere Haftungssituation aufmerksam machen.

Stellung in der GmbH & Co. KG

Haftungsumfang

Kommanditist – keine Haftung mit privatem Vermögen

– Haftungsbegrenzung durch die im Handelsregister

Komplementär-GmbH – persönliche Haftung

– GmbH haftet mit ihrem gesamten Vermögen

Gesellschafter der Komplementär-GmbH – Haftung begrenzt auf die Höhe der Stammeinlage
Geschäftsführer – Haftung für Verletzung der Sorgfaltspflichten nach § 43 Abs. 2 GmbHG

Haftet der Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG immer gegenüber der Kommanditgesellschaft?

Die bereits aufgestellten Grundsätze zur Haftung bleiben bestehen. Sie hat der BGH ausdrücklich bekräftigt. Für Diskussion sorgte aber diese Frage unter der Konstellation, dass die Wahrnehmung der Geschäftsführung nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist. In einer Entscheidung hat der BGH (Urteil vom 14.03.2023, Az.: II ZR 162/21) ergänzend zur Geschäftsführerhaftung in der GmbH & Co. KG Stellung genommen.

Worum ging es dabei?

Ausgangspunkt war eine insolvente GmbH & Co. KG. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft war zur Geschäftsführung ausschließlich eine Kommanditistin, eine GmbH, berechtigt. Die Kommanditgesellschaft warb Anlegegelder ein, um sie einer inzwischen insolventen AG als Immobiliendarlehen zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensvertrag sah eine umfangreiche Besicherung vor. Die laufenden Zinsen sollten an die Anleger ausgeschüttet werden. Die GmbH & CO. KG nahm in diesem Zusammenhang eine Überweisung an die AG vor, die aber wegen unzureichender Besicherung des Darlehensbetrags im Widerspruch zu den Vereinbarungen des Darlehensvertrags stand. Es wurde zudem keine weitere Sicherheit im Zusammenhang mit der betreffenden Auszahlung bestellt. Die betreffende Kommanditisten-GmbH führte daneben die Geschäfte einer Vielzahl weiterer Kommanditgesellschaften.

Der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG nahm daraufhin einen Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH, welcher selbst an der Überweisung nicht mitgewirkt hatte, auf einen Teilbetrag der ausgezahlten Summe wegen Schadensersatzes in Anspruch.

Was hat der BGH entschieden?

Im Leitsatz:

  • Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft.
  • Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

Der Hof verurteilte den Geschäftsführer zur Zahlung des eingeforderten Schadensersatzes. Nach Ansicht des BGH steht dem Insolvenzverwalter gegen den GmbH-Geschäftsführer ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zu.

Wie begründet der BGH seine Entscheidung?

  • Verletzung der Sorgfaltspflichten durch den Geschäftsführer im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG: durch die unterlassene Verhinderung der Überweisung an die AG. Dabei sei es unerheblich, dass die Überweisung des Darlehensbetrags nicht in den Aufgabenbereich des beklagten Geschäftsführers fiel. Den Geschäftsführer treffe die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung im Ganzen, somit auch bei einer Verteilung der Aufgaben zwischen der Geschäftsführung wegen seiner Allzuständigkeit Überwachungspflichten außerhalb seiner eigenen Ressorts. Die Reichweite seiner Überwachungspflichten richte sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Insbesondere muss der Geschäftsführer Hinweisen auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden Ressort immer und unverzüglich nachgehen. Bei pflichtgemäßer Ausübung seiner Überwachungspflichten hätte der beklagte Geschäftsführer, so der BGH, den Missstand im Kerngeschäft erkannt und die unberechtigte Überweisung des Darlehensbetrags an die AG verhindert.
  • Schutzbereich des § 43 Abs. 2 GmbHG eröffnet: Der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haftet gegenüber der Kommanditgesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wie gegenüber der GmbH. Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstrecke sich somit im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft.
  • Pflichtenkreis der Geschäftsführung immer gleich groß: Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstrecke sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist. Eine Mehrfach-Geschäftsführung ändere am Pflichtenkreis des Geschäftsführers nichts. Die Kommanditgesellschaft dürfe darauf vertrauen, dass sich der Geschäftsführer bei Übernahme der Aufgabe einen Überblick über die mit der Geschäftsführung verbundenen Aufgaben verschafft und die ihm anvertrauten Geschäfte, unabhängig von der Anzahl weiterer übernommener Geschäftsführungen, mit der geschuldeten Sorgfalt vornimmt. Die geschäftsführende GmbH müsse ihre Aufgaben auf das Maß beschränken, in dem es ihr möglich ist, die von ihr geschuldeten Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

Was bedeutet das Urteil des BGH für Sie als Geschäftsführer einer Kommanditisten-GmbH?

Es führt Ihnen Ihr Haftungsrisiko vor Augen:

  • Als Geschäftsführer einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haften Sie gegenüber der Kommanditgesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Sie können sich als solcher nicht damit herausreden, dass Sie nicht Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen seien.
  • Wenn eine Kommanditisten-GmbH die Geschäftsführung einer Vielzahl vom Kommanditgesellschaften übernimmt, sollten Sie als Geschäftsführer darauf achten, dass genügend zeitliche und fachliche Kapazitäten vorhanden sind, um den damit verbundenen Aufgaben in ausreichendem Maße nachzukommen.
  • Als Geschäftsführer beachten Sie, nicht nur die Sorgfaltspflichten innerhalb des eigenen Ressorts zu erfüllen, sondern auch darüber hinaus auf Ihre umfangreichen Überwachungspflichten hinsichtlich der gesamten Tätigkeit der betreffenden Gesellschaft.

Der BGH geht von einer Allzuständigkeit des Geschäftsführers aus. Deswegen der Rat an Sie als Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG:

  • Stellen Sie sich als solcher immer wieder die Frage, ob Sie Ihr Amt ordnungsgemäß und im Interesse der Gesellschaft ausüben!
  • Teilen Sie die Aufgaben in Ressorts, um das tägliche Geschäft zu bewältigen!
  • Aber: Überwachen Sie die Tätigkeiten des jeweils anderen Geschäftsführers!
  • Verschließen Sie als Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH vor dem Tätigwerden der fachfremden Ressorts nicht die Augen! Es kann gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zur persönlichen Inanspruchnahme durch die GmbH & Co. KG führen.
Autor*in: Franz Höllriegel