GmbH-Fremdgeschäftsführer: Kündigungsschutz vom BGH bestätigt
Alle Menschen gleich? Vergleichbar, allenfalls. Die UN-Erklärung der Menschenrechte bestimmt: sie seien „gleich an Rechten“. Gilt das auch für Fremdgeschäftsführer? Manche Gerichte meinen, nein. Der BGH belehrt sie: das AGG gilt für sie – unter bestimmten Voraussetzungen.
Was ist ein Fremdgeschäftsführer?
Ein Geschäftsführer einer GmbH, der selbst keine Gesellschaftsanteile besitzt.
Also doch wohl zunächst ein Mensch?
Ja. Aber das allein reicht Juristen nicht, um sie mit anderen Menschen gleichzustellen, wie es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fordert.
Was gehört sonst noch dazu?
Das hat der Bundesgerichtshofs (BGH) in seiner Entscheidung vom 26.03.2019 (Az.: II ZR 244/17) genau erklärt. Danach sind Fremdgeschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG. In dem Fall sah der Geschäftsführervertrag eines Fremdgeschäftsführers vor, dass ab seinem 61. Lebensjahr beide Parteien mit einer Frist von sechs Monaten den Geschäftsführervertrag kündigen können. Was die GmbH dann auch tat. Sie kündigte dem Geschäftsführer, nachdem er diese Altersgrenze erreicht hatte. Der klagte dagegen wegen Altersdiskriminierung. Er unterlag damit vor den ersten beiden Instanzen.
Der BGH teilte jedoch die Meinung des Klägers und verwies das Verfahren zurück an das Berufungsgericht. Er stellte klar, dass die Vorschriften des AGG zum Schutz vor Diskriminierungen im Erwerbsleben auf GmbH-Fremdgeschäftsführeranstellungsverträge anwendbar sei. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH sei, so das oberste Gericht, „bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG anzusehen“, als bei seiner Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift „eröffnet ist“.
Was ist damit gemeint?
Was der BGH damit sagen will: ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist nach Europarecht ein Arbeitnehmer im Sinne des AGG; denn: bei Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrages sei das AGG sachlich anwendbar, oder: seine Kündigung als Geschäftsführer muss den Regeln des AGG folgen. Und die sehen nun mal vor, dass eine Kündigung nicht aus diskriminierenden Gründen erfolgen darf.
Dabei geht es zunächst um den Begriff „Arbeitnehmer“. Nach Ansicht des BGH sind die Vorschriften des AGG auf die Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft, also hier einer GmbH, anzuwenden. Die Frage ist also: sind diese Leitungsorgane Arbeitnehmer nach EU-Recht? Dazu hatte der EuGH bereits 1986 im Fall „Lawrie-Blum“ (Az.: Rs. C-66/85 vom 03.07.1986) bestimmt, dass „Arbeitnehmer eine Person ist, die:
- während einer bestimmten Zeit
- für eine andere Person
- nach deren Weisungen
- Leistungen erbringt,
- für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“.
Im vorliegenden Fall sah der BGH eine Weisungsgebundenheit des Fremdgeschäftsführers. Folge: Das AGG ist anzuwenden.
Tipp der Redaktion
Wenn Ihnen dieser Beitrag gefällt und Sie sich für solche und ähnliche Themen interessieren, lesen Sie jetzt 14 Tage kostenlos eine Ausgabe des „GmbH-Brief AKTUELL“. Dabei haben Sie freien Zugriff auf das ganze Media-Paket! (Online-Zugangsdaten in der Ausgabe.) Incl. aller Ausgaben im Archiv, Video-Seminare und Downloads zu Checklisten, Mustertexten und anderen Arbeitshilfen!
Worin bestand hier die Diskriminierung?
Die Kriterien dafür sind in der EU-Altersdiskriminierungsrichtline festgelegt. Sie verbietet eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters. Die altersbedingte Kündigungsmöglichkeit mit Eintritt in das 61. Lebensjahr stellt aber danach und nach Ansicht des BGH eine solche Benachteiligung des Fremdgeschäftsführers dar. Außerdem erlaubt § 10 AGG eine Diskriminierung aufgrund des Alters nur aufgrund eines legitimen Ziels aus dem Sachverhalt. Ein solcher Rechtfertigungsgrund sei aber in diesem Fall nicht ersichtlich.
Was bedeutet die Entscheidung in der Praxis für Ihre GmbH mit einem Fremdgeschäftsführer?
Zunächst einmal, dass dieser kein Arbeitnehmer ist. Er genießt als solcher keinen allgemeinen Kündigungsschutz (siehe Bundesarbeitsgericht BAG, Entscheidung vom 21.09.2017, Az.: 2 AZR 865/16). Zum anderen aber bedeutet es, dass bestimmte Arbeitnehmerrechte, wie das AGG, für Ihren Fremdgeschäftsführer anwendbar seien. In einer anderen früheren, der „Danosa-Entscheidung“ vom 11.11.2010 (Az.: C-232/09), hatte der EuGH entschieden, dass eine Fremdgeschäftsführerin hinsichtlich der Mutterschutzrichtlinie nach EU-Recht Arbeitnehmerin ist und damit Mutterschutz genießt. Zu der Frage, ob bei anderen Gesetzen, die eine europarechtliche Grundlage haben, wie die zur Arbeitszeit, zum Urlaub oder zum Arbeitsschutz, nach EU-Recht ebenfalls Fremdgeschäftsführer von GmbHs als Arbeitnehmer anzusehen wären, hat der BGH noch keine Stellung genommen.
Als GmbH mit Fremdgeschäftsführer sollten Sie entsprechende Geschäftsführer-Anstellungsverträge überprüfen. Wenn diese Regelungen zu Altersgrenzen unter dem gesetzlichen Renteneintrittsalter enthalten, sollten Sie diese gegebenenfalls anpassen.
Doppelstellung des GmbH-Geschäftsführers
Organ der GmbH | Angestellter der GmbH (Dienstvertrag) |
Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem GmbHG. | Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Geschäftsführeranstellungs- bzw. Geschäftsführervertrag sowie aus den Regelungen zum Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB (z.B. zu Gehalt, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Ebenso können Arbeitnehmerrechte im Ausnahmefall anwendbar sein (AGG, Mutterschutzgesetz, AGB). |
Beendigung der Tätigkeit durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, damit wird die Organstellung beendet. | Beendigung der Tätigkeit erfolgt durch Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags. |