Geschäftsführer sind keine normalen Angestellten
Geschäftsführer sehen sich in der Lohnbuchhaltung wie normale Angestellte behandelt. Doch dem ist nicht so. Arbeits-, Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht gehen nämlich nicht Hand in Hand. Wenn dann noch das Gesellschaftsrecht hinzutritt, wird es oftmals unübersichtlich.
Wo scheiden sich die Geister bei dem „Geschäftsführer“?
Der Geschäftsführer ist der Leiter des Unternehmens oder eines Betriebes.
- Er steht dem betrieblichen Bereich vor,
- kümmert sich darum, dass sich das Unternehmen entwickelt,
- trifft alle wesentlichen, alltäglichen Entscheidungen.
Bei nicht alltäglichen Entscheidungen stimmt er sich mit dem Eigentümer des Unternehmens ab. Nach GmbH-Recht ist der Geschäftsführer einziges vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft (GmbH). Dazu bestimmt § 35 GmbHG:
„(1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten […]
(2) Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. […]“
Der Begriff „Geschäftsführer“ hat neben der umgangssprachlichen Tätigkeitsbeschreibung die Bedeutung als
- gesetzliche Vertretungsaufgabe einer GmbH ohne Anteile als Fremdgeschäftsführer
- als Gesellschafter-Geschäftsführer mit:
- Minderheitsanteilen
- Mehrheitsanteilen
- Alleingesellschafter.
Bedeutet GmbH-Vertretung zugleich Vorhandensein eines Arbeitsverhältnisses?
Nein. Die tägliche Praxis unterscheidet zwischen:
- Tätigkeit: Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers
- rechtliche Vertretung: Organstellung des Geschäftsführers in der GmbH
Wie wird der Geschäftsführer im Sinne des GmbH-Organs?
Bei der Gründung einer GmbH als Träger von Rechten und Pflichten. Durch sie entsteht eine juristische Person.
Was heißt juristische Person?
Eigentlich ist es keine Person. Das Wort Person leitet sich von dem lateinischen Verbum personare ab, hindurchklingen. Dahinter steht die Vorstellung im Alten Rom, wo man – wie übrigens in Venedig heute noch – gern Masken trug, so dass die Stimme des Sprechers durch diese Maske hindurch erklang, was dann in der Sprachevolution zur Bedeutungsübertragung von der Maske auf den dahinter sprechenden und durchklingenden Menschen führte.
Eigentlich ist eine Person also ein Mensch und damit juristisch ein Subjekt mit allen Rechten und Pflichten. Bei der juristischen Person fehlt es zunächst an einem dahinter stehenden menschlichen Subjekt, es ist nur ein juristisches Konstrukt, das eigentlich für sich genommen noch keine menschliche Verantwortlichkeit mit sich führt, im Geschäftsleben aber ein eigenes juristisches Leben führt. So behandeln sie andere Wirtschaftsteilnehmern auch. Die GmbH kann beispielsweise:
- Grundstückseigentümer werden
- Personal einstellen
- Dinge mieten
Eine juristische Person ohne menschliche Verantwortlichkeit? Wie geht das?
Eben, eigentlich überhaupt nicht. Deswegen benötigt dieses juristische Konstrukt GmbH wie alle juristischen Personen eine natürliche Person, einen verantwortlichen Menschen, der für die GmbH handeln kann. Diese natürliche Person verpflichtet mit ihren Erklärungen die GmbH. Diese natürliche Person ist der Geschäftsführer, ohne den die GmbH grundsätzlich nicht existieren könnte. Die §§ 35 bis 52 GmbH-Gesetz (GmbHG) regeln die Vertretung und die Geschäftsführung der GmbH.
Wie wird die GmbH juristisch aktionsfähig?
Durch den Gesellschaftsvertrag oder Satzung der GmbH. Sie beurkundet der Notar zu ihrer Gründung bei Eintragung in das Handelsregister. Dabei wird gemäß § 6 GmbHG der erste Geschäftsführer von möglicherweise mehreren Geschäftsführern der GmbH bestimmt und ebenfalls ins Handelsregister eingetragen. Dazu bestimmt § 39 GmbHG:
„(1) Jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
(2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen.
(3) Die neuen Geschäftsführer haben in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. […]“
Wer bestimmt den ersten Geschäftsführer?
Die Gesellschafter der GmbH per Beschluss einer Gesellschafterversammlung. Er enthält neben der Überschrift als „Gesellschafterbeschluss“ Ihrer betreffenden GmbH:
- das Datum der Versammlung,
- Anzahl der Dafür-Stimmen oder Einstimmigkeit
- Inhalt des Beschlusses
- Name, Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers,
- Bestellung samt Wirkungszeitpunkt zum Geschäftsführer
- Alleinvertretung der Gesellschaft
- Befreiung von § 181 BGB.
Benötigt die Organstellung des Geschäftsführers einen Arbeitsvertrag?
Nein, die Organstellung als Geschäftsführer erfolgt tatsächlich durch Beschluss und Eintragung ins Handelsregister. Ein Arbeitsvertrag ist dafür nicht notwendig. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang auch nicht von:
- Vergütungsregelungen,
- Urlaub oder
- Sozialversicherungen.
Die Organstellung steht neben einer möglichen, aber nicht notwendigen arbeitsvertraglichen Regelung. Geschäftsführer als Organ der GmbH kann man sein:
- ohne Arbeitsvertrag
- ohne Vergütung
- ohne Arbeitseinsatz.
Kann der Geschäftsführer mit seiner GmbH Geschäfte machen?
Nein. Zwar sind GmbH und Geschäftsführer zwei Personen: juristisch und natürlich – aber eben nur eine natürliche Person. Solche Geschäfte enthielten die Gefahr eines Missbrauchs. § 181 BGB bestimmt deswegen, dass ein Vertreter mit Ausnahme der Erfüllung einer Verbindlichkeit keine Rechtsgeschäfte zwischen dem Vertretenen und sich selbst machen kann, hier also ein Geschäftsführer keine Rechtsgeschäfte mit seiner GmbH. Allerdings kann eine GmbH den Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag von dieser Regelung befreien, was zumal bei Alleingesellschaftern gemacht wird.
Der Bundgerichtshof Anfang 2023 ein Urteil zur Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft gefällt (BGH, Beschluss vom 17.01.2023 – II ZB 6/22). Danach ist bei der Beschlussfassung über seine Bestellung als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nach § 181 Fall 1 BGB beschränkt. 112 Satz 1 Aktiengesetz (AktG) ist auf die Bestellung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht anwendbar.
Worum ging es in dem Fall?
Um eine GmbH in Gründung; sie hatte den Antrag gestellt. Alleinige Gesellschafterin ist eine J AG, deren Vorstandsmitglieder D, Dr. E und Dr. T diese entweder jeweils gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied oder jeweils allein gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Mit notariell beglaubigter Urkunde vom 4. Dezember 2019 bevollmächtigten Dr. E und Dr. T., „handelnd als gesamtvertretungsbefugte Geschäftsführer der J AG“, Dr. O, die J AG u.a. bei der Gründung einer oder mehrerer Gesellschaften mit beschränkter Haftung und der Bestellung eines oder mehrerer Geschäftsführer zu vertreten.
Am 5. Dezember 2019 errichtete Dr. O in seiner Eigenschaft als Vertreter der J AG in notarieller Form die Antragstellerin. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer hat:
- Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein.
- Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft von zwei Geschäftsführern gemeinsam oder von einem Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten.
In einer zugleich abgehaltenen Gesellschafterversammlung bestellte er die drei vorgenannten Vorstandsmitglieder der Alleingesellschafterin zu Geschäftsführern der Antragstellerin. Im April 2020 meldete der verfahrensbevollmächtigte Notar die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister an.
Lief die Eintragung einwandfrei ab?
Nicht ganz. Mit Zwischenverfügung vom 29. April/29. Mai 2020 hat das Amtsgericht als Registergericht ein Eintragungshindernis mitgeteilt. Die Antragstellerin sollte im Hinblick auf den Geschäftsführerbestellungsbeschluss vom 5. Dezember 2019 bezüglich der Vorstandsmitglieder Dr. E und Dr. T eine Genehmigung durch den Aufsichtsrat der Alleingesellschafterin samt zusätzlicher Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 Fall 1 BGB für den konkreten Einzelfall nachreichen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG Frankfurt als Beschwerdegericht die Zwischenverfügung aufgehoben, soweit über die Vorlage einer Genehmigung des Aufsichtsrats der Alleingesellschafterin für den Geschäftsführerbestellungsbeschluss vom 5. Dezember 2019 hinaus die Vorlage einer Befreiung der Vorstandsmitglieder von den Beschränkungen des § 181 Fall 1 BGB für den konkreten Einzelfall verlangt worden war, und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht ließ Rechtsbeschwerde der Antragstellerin zu, die ihren Eintragungsantrag weiter verfolgte.
Mit Erfolg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält nach Ansicht des BGH der rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Zur Erteilung der Genehmigung der Bestellung der beiden Vorstandsmitglieder Dr. E und Dr. T zu Geschäftsführern sei nicht der Aufsichtsrat der Alleingesellschafterin berufen, auch wenn die auf die Bestellung der Vorstandsmitglieder Dr. E und Dr. T zu Geschäftsführern der Antragstellerin gerichtete Beschlussfassung schwebend unwirksam gewesen sei.
Ist die Rechtsprechung des BGH zu § 181 BGB anwendbar?
Soweit sie sich auf Beschlüsse über Maßnahmen der Geschäftsführung oder sonstige gemeinsame Gesellschaftsangelegenheiten bezieht, bei denen ein Gesellschafter das Stimmrecht für sich und zugleich auch für einen anderen Gesellschafter ausübt, nicht und auf Beschlüsse, mit denen sich ein Vertreter des Alleingesellschafters zum Geschäftsführer bestellt, nicht übertragbar. Das persönliche Interesse des Vorstandsmitglieds am Beschlussgegenstand sei wegen seiner Selbstbetroffenheit nicht identisch mit den mitgliedschaftlichen Interessen der Alleingesellschafterin. Der Stimmrechtsvertreter, der nicht Gesellschafter ist, nehme nicht selbst an der verbandsinternen Willensbildung und dem Ringen darum teil, wie das vom Gesellschaftszweck geprägte gleichgerichtete Interesse am besten zu verwirklichen sei. Vielmehr trete hier die von § 181 BGB abzuwehrende Gefahr eines Interessenwiderstreits hervor. Bei ihm werde das eigene Interesse am Abstimmungsergebnis nicht durch ein mindestens gleichstarkes eigenes Interesse am Gedeihen der Gesellschaft aufgewogen.