Fristlose Kündigung: mit vorsorglicher Urlaubsbewilligung rechtens
Gekündigt – aber was machen wir mit dem Resturlaub? Wenn ordentlich, kein Problem: dann nimmt Ihr gekündigter Mitarbeiter ihn in der Kündigungsfrist. Aber was bei fristloser Kündigung? Man kündigt ordentlich und verrechnet Resturlaub mit Restvergütung – vorsorglich.
Dürfen Sie als Arbeitgeber kündigen und vorsorglich Urlaub gewähren?
Ja, so jedenfalls entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (Urteil vom 04.09.2019, Az. 4 Sa 15/19). In dem Fall hatte ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter fristlos und zusätzlich hilfsweise ordentlich gekündigt – was in solchen Fällen eigentlich regelmäßig geschieht, um wenigstens eine ordentliche Kündigung durchzubekommen, wenn schon die fristlose Kündigung vor Gericht keinen Bestand haben und unwirksam sein sollte. Im Kündigungsschreiben hatte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter für diesen Fall „vorsorglich“ dessen Resturlaub bewilligt.
Was heißt „vorsorglich“?
Dazu hat 2001 das Bundesarbeitsgericht Stellung genommen. Mit dem Wort „vorsorglich“, so das Bundesarbeitsgericht, versehe man die Kündigung mit einer auflösenden Bedingung. Sie soll verdeutlichen, dass der Arbeitgeber sich vorrangig auf einen anderen, aber nicht gegebenen Beendigungstatbestand beruft. Eine Kündigung ist, wie Advocatio Rechtsanwälte, München, ausführen, grundsätzlich bedingungsfeindlich. Sie darf nicht an Bedingungen geknüpft sein.
Das Bundesarbeitsgericht halte dies hier ausnahmsweise für zulässig. In einer Kündigung müsse man aber dem zu kündigenden Arbeitnehmer klarmachen, dass die Kündigung aus der Sicht des Arbeitgebers gelten soll. Sätze wie z.B. „Sofern sich die Auftragslage bis zum … verbessert, werden Sie weiter beschäftigt und die Kündigung gegenstandslos“ würden zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, egal wie sich tatsächlich die Auftragslage entwickelt (BAG, Urteil vom 15.03.2001 – 2 AZR 705/99).
War der Mitarbeiter in dem Fall vor dem LAG Baden-Württemberg zufrieden?
Nein. Im Anschluss an die Kündigung hatte der Arbeitgeber die Vergütung bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abgerechnet und seinem Mitarbeiter einen Betrag als Urlaubsabgeltung für noch nicht genommen Resturlaub gezahlt. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage. Man verglich sich auf eine ordentliche Kündigung. Bis dahin sollte das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet werden.
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Kam der Arbeitgeber dem nach?
Teilweise. Er verrechnete die noch für den Lauf der Kündigungsfrist zu zahlende Vergütung mit der seiner Ansicht nach bereits geleisteten Urlaubsabgeltung. Mit dieser Verrechnung war der Mitarbeiter nicht einverstanden. Er zog erneut vor Gericht. Er war der Meinung, die vorsorgliche Gewährung des Urlaubs sei unzulässig:
- Während der Kündigungsfrist sei nicht klar gewesen, ob überhaupt eine Arbeitspflicht bestanden habe. Ohne bestehende Arbeitspflicht aber habe er von einer solchen nicht wirksam befreit werden können.
- Zudem sei er wegen der vorrangig ausgesprochenen fristlosen Kündigung verpflichtet gewesen, sich zur Vermeidung von Sperrzeiten bei der Agentur für Arbeit umgehend arbeitsuchend zu melden und sich für Vermittlungsangebote bereitzuhalten. Ein unbeschwerter Urlaub sei unter diesen Umständen nicht möglich gewesen.
Aus Sicht des Arbeitnehmers eigentlich logisch …
… aber nicht für das Gericht. Es gab dem Arbeitgeber Recht:
- Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die vorsorgliche Urlaubsgewährung für den Fall, dass eine fristlose Kündigung unwirksam sei, grundsätzlich zulässig.
- Auch die sozialrechtlichen Mitwirkungspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit stünden der Urlaubsgewährung nicht entgegen. Diese seien schließlich nicht nur bei einer fristlosen, sondern auch bei einer ordentlichen Kündigung einzuhalten.
Die Urlaubsgewährung innerhalb der Kündigungsfrist sei unter diesem Gesichtspunkt bisher noch nie infrage gestellt worden. Die vorsorgliche Urlaubsgewährung sei deshalb zulässig gewesen.
Wie funktioniert die Urlaubsgewährung bei einer fristlosen Kündigung?
Die Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung sind sehr hoch. Wer schon einmal eine fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht begründen musste, kann ein Lied davon singen. In der betrieblichen Praxis kündigt man deswegen üblicherweise nicht nur fristlos, sondern vorsorglich – man kann auch sagen hilfsweise – gleichzeitig ordentlich.
Diese Vorgehensweise kann jedoch die unliebsame Folge haben, dass Sie als Arbeitgeber, der einem Mitarbeiter kündigt, zusätzlich zu der für die Kündigungsfrist geschuldeten Vergütung noch Urlaubsabgeltung zu leisten hat, sofern sich nur die ordentliche Kündigung als wirksam herausstellt. Diese Folge können Sie als Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG dadurch verhindern, dass Sie Ihrem gekündigten Mitarbeiter vorsorglich im Kündigungsschreiben seinen Resturlaub bewilligen und ihm entweder sofort die Urlaubsvergütung bezahlt oder zumindest vorbehaltlos zusagt.
Wie formulieren Sie als Arbeitgeber eine solche fristlose Kündigung?
Sie teilen Ihrem zu kündigenden Mitarbeiter in einem Schreiben zweierlei mit:
- Sollte die fristlose Kündigung wirksam sein, dass Sie ihm seinen Resturlaub abgelten.
- Sollte sie unwirksam sein, dass Sie ihm hilfsweise ordentlich gekündigt haben.
Für letzteren Fall regeln Sie Folgendes:
- In welcher Zeit Ihr Mitarbeiter seinen sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub unmittelbar nach Zugang der Kündigung zu nehmen habe.
- Dass die gezahlte Abgeltung dann als Zahlung des Urlaubsentgeltes für den betreffenden Zeitraum zu verstehen sei.
- Und dass Sie in jedem Fall ihm für die Zeit seines Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zusagen.
Wir haben ein solches Kündigungsschreiben für Sie ausformuliert und zum Herunterladen bereitgestellt.