03.04.2018

E-Card vorerst abgewandt

Brüssel will grenzüberschreitenden Dienstleistern das Geschäft erleichtern. Von der E-Card verspricht die EU-Kommission weniger Bürokratie. Gewerkschaften befürchten mehr Scheinselbständigkeit, Unternehmen lehnen die Karte ab – und das EU-Parlament jetzt auch.

EU-Card

Keine Mehrheit für E-Card im IMCO

Den Gnadenstoß verpasste einer „E-Card“ vergangene Woche der Binnenmarktausschuss des Europaparlaments (IMCO). In seiner Abstimmung verwarf er einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Einführung einer Europäischen elektronischen Dienstleistungskarte, kurz „E-Card“. Wie die Steuerberaterorganisation Datev in einer Pressemitteilung berichtet, hatte zuvor der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) das kontrovers diskutierte Legislativdossier zur Einführung der Dienstleistungskarte vehement abgelehnt. Auch ein letzter Versuch einer Kompromissfindung im IMCO-Ausschuss fand demnach keine Mehrheit im Binnenmarktausschuss.

Erleichterung für grenzüberschreitendes Geschäft?

Wäre es nach der Kommission gegangen, hätte die elektronische europäische Dienstleistungskarte Dienstleistern – etwa Ingenieurbüros oder IT-Beratern – das grenzüberschreitende Geschäft erleichtern sollen. Die „E-Card“ sollte den bürokratischen Aufwand für Dienstleister aus dem EU-Ausland verringern. So hätte ein Elektroinstallateur aus Prag mithilfe der Karte künftig die Möglichkeit haben sollen, an einer zentralen Stelle in seinem Heimatland seine Qualifikation online nachzuweisen, bevor er seine Dienste im EU-Ausland anbietet. Anschließend hätte er sich mit der auf Tschechisch verfassten elektronischen Dienstleistungskarte in Sachsen niederlassen können. Die deutschen Behörden hätten in dem Verfahren nur sehr kurze Fristen gehabt, um die auf der E-Karte angegebene Qualifikation zu überprüfen.

Dienstleistungspaket

Die Dienstleistungskarte ist Teil eines Dienstleistungspakets, das die EU-Kommission im Januar 2017 vorgelegt hatte. Bei der Vorstellung des Pakets erklärte der Vizepräsident der Kommission, Jyrki Katainen, seinerzeit, dass eine bessere Nutzung des Binnenmarktes zu mehr Arbeitsplätzen führen würde.

Steuerberaterverband gegen Richtlinienentwurf

Der DStV hatte sich von Beginn an gegen die Einführung einer europäischen Dienstleistungskarte ausgesprochen. Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission und der Kompromissvorschlag im Binnenmarktausschuss seien „gespickt gewesen mit Verfahrensvorgaben, die nicht praxistauglich waren, teilweise sogar den verlässlichen Rechtsverkehr gefährdet hätten“, so DStV-Präsident Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Harald Elster. Stattdessen hätte die Dienstleistungskarte „unmittelbar zu einer weiteren Fragmentierung des Binnenmarktes für Dienstleistungen geführt und die bestehenden Qualitätsstandards und den Verbraucherschutz massiv gefährdet“.

Deregulierungswahnsinn

Umso erfreuter zeigte sich der Steuerberaterverband über den Ausgang der Abstimmung. Die gewählten Vertreter der Bevölkerung hätten sich „endlich gegen den Deregulierungswahnsinn der EU-Kommission aufgelehnt“. Es sei schon schlimm genug, dass es die Richtlinienentwürfe zur Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung und zur Reform des Notifizierungsverfahrens durch den Binnenmarktausschuss des Europaparlaments geschafft hätten.

Faktische Einführung des Herkunftslandprinzips

Im Bundeswirtschaftsministerium war man ebenfalls nicht begeistert von der Idee einer „E-Card“. Dort befürchtet man, dass mit der Dienstleistungskarte die faktische Einführung des sogenannten Herkunftslandprinzips droht, wonach auch für Niederlassungen in Deutschland die Gesetzesvorgaben des Mitgliedstaates gelten, aus dem der Dienstleister kommt. „Dies lehnt die Bundesregierung ab, denn unser Ziel ist es, auch künftig die bewährten Sozialstandards in unserem Land und die Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten vor Ort effektiv gewährleisten zu können“, zitiert der „Tagesspiegel“ aus einer Stellungnahme des Ministeriums.

KMU-Dachverband befürchtete Sozialdumping

Laut dem Bericht hatte sich überdies der europäische KMU-Dachverband Union Européenne de l’Artisanat et des Petites et Moyennes Entreprises (UEAPME) gegen die „E-Card“ ausgesprochen. Dessen Brüsseler Vertreter Luc Hendrickx befürchtete von ihr „mehr Sozialdumping“. Hendrickx’ Dachverband vertritt zwölf Millionen kleine und mittlere Unternehmen, die europaweit 55 Millionen Menschen beschäftigen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gehört zu den Mitgliedern. Der hatte zuvor schon zusammen mit anderen Verbänden Widerstand gegen die Dienstleistungskarte geäußert.

E-Card und Scheinselbständigkeit

Mit dem ZDH hatten in engem Schulterschluss der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) an Parlamentarier des EU-Parlaments appelliert, das Vorhaben der EU-Kommission abzulehnen. Die Dienstleistungskarte werde „Scheinselbstständigkeit erleichtern und damit die Umgehung von Tarifverträgen ermöglichen“, heißt es in einem Schreiben der drei Organisationen an Europaabgeordnete, aus dem der Berliner „Tagesspiegel“ zitiert.

Neues BSG-Urteil zu Scheinselbständigkeit

Stichwort Scheinselbständigkeit: Mit ihr beschäftigen sich Gerichte und Behörden seit vielen Jahren. Die Rechtsprechung entwickelt hierfür immer neue Kriterien und Vorgaben. Das Pro oder Contra hängt häufig an Kleinigkeiten. „Meisterbrief AKTUELL“ (04/2018) berichtet über ein neues Urteil, das nun ein weiteres Kriterium in den Vordergrund rücken soll. Das Bundessozialgericht soll mit dem Urteil „einen weiteren Maßstab“ gesetzt haben – in wie fern, dazu alles Wissenswerte in dem Wirtschaftsbrief für das Deutsche Handwerk.

 

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Autor*in: Franz Höllriegel