Das Nachweisgesetz in der Lohnpraxis
Aus den Augen, aus dem Sinn. Dem wirkt das Nachweisgesetz entgegen. Da hat Ihr Mitarbeiter bei Einstellung oder Vertragsänderungen etwas schriftliches in der Hand. Doch genau das war lange umstritten. Die Bundesregierung will nun auch E-Mails bei Arbeitsverträgen akzeptieren.
Waren E-Mails zur Übermittlung von Arbeitsverträgen umstritten?
Ja, das Nachweisgesetz (NachwG) in der Fassung seit August 2022 war da unmissverständlich: „Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“ Sie als Unternehmen und Arbeitgeber konnten bis vor kurzem den Nachweis also nicht in sonstiger Textform etwa durch Zusendung einer PDF per E-Mail erbringen – es sollte schriftlich auf Papier „mit Brief und Siegel“ sozusagen sein. Das erschien umso unverständlicher, als es sich um die Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (2019/1152) handelt. Deren Art. 3 erlaubt die Möglichkeit der elektronischen Verarbeitung ausdrücklich.
Viele Experten hatten sich bei der Anhörung im Bundestag im Juni 2022 am meisten gegen die Vorschrift im § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG gesträubt:
„Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.“
Daraus ergab sich, dass für den Nachweis der im NachweisG gelisteten Vertragsbedingungen die Schriftform gefordert wurde und die elektronische Form nicht ausreichend war.
Was will die Bundesregierung nun demgegenüber akzeptieren?
Sie hat nach Informationen der Bundesrechtsanwaltskammer (Brak) sich am Donnerstag, den 21. März 2024, darauf geeinigt, die Schriftform im Nachweisgesetz durch die Textform gemäß § 126b BGB zu ersetzen. Arbeitsverträge können damit bald digital vereinbart werden, etwa durch eine E-Mail. Eine eigenhändige Unterschrift auf Papier, wie es § 126 BGB fordert, wäre dann nicht mehr nötig.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) hat den Regierungsentwurf für das Vierte Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz, BEG IV) vorgelegt und soll darin die Änderung nachträglich noch eingearbeitet haben.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung äußerten sich die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der drei Ampel-Fraktionen zu der erzielten Einigung: Irene Mihalic von Bündnis 90/Die Grünen sieht darin einen „großen Schritt zur Vereinfachung für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen.“ Katja Mast von der SPD betont die damit vereinfachten Prozesse sowie die größere „Transparenz und Sicherheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“. Die gefundene Lösung stelle zudem sicher, dass im Streitfall beweisfeste Dokumente eingefordert werden könnten. Johannes Vogel von der FDP freut sich über den „wesentlichen Schritt zu mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie“ sowie die Entlastung der deutschen Wirtschaft.
Der Referentenentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz IV hat bereits entsprechende Schriftformerfordernisse in anderen Rechtsgebieten zur Textform heruntergestuft, etwa im Vereins- und im Gesellschaftsrecht. Zudem sollen die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege wie z.B. Rechnungskopien, Kontoauszüge und Lohn- und Gehaltslisten von zehn auf acht Jahre verkürzt werden.
Was bestimmt das neue NachwG darüber hinaus?
Es bestimmt: Sie als Arbeitgeber
- fixieren in Textform, also auch per E-Mail und PDF
- alle wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses
- innerhalb bestimmter Fristen
- unterschreiben sie
- übermitteln sie Ihrem Arbeitnehmer
Ihr Lohnsachbearbeiter wird in der Praxis für die Vollständigkeit der Lohn- und Personalakten sorgen. Er dient Ihnen also hier als Ihre unternehmensinterne Kontrollinstanz für die Umsetzung des Nachweisgesetzes in Ihrem Unternehmen.
Für wen gilt das NachwG?
- Für Ihre Arbeitnehmer
- Für Ihre Praktikanten, die Anspruch auf Mindestlohn haben.
Was enthält die Nachweisliste?
15 Punkte:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien
- Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen Enddatum oder vorhersehbare Dauer
- Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, Hinweis darauf:
- Arbeitnehmer kann an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder
- seinen Arbeitsort frei wählen
- kurze Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
- sofern vereinbart, Dauer der Probezeit
- Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts samt:
- Vergütung von Überstunden
- Zuschläge
- Zulagen
- Prämien
- Sonderzahlungen
- getrennt anzugebende andere Bestandteile des Arbeitsentgelts
- Fälligkeit
- Art der Auszahlung
- des Weiteren vereinbarte:
- Arbeitszeit
- Ruhepausen
- Ruhezeiten
- Schichtarbeit
- Schichtsystem
- Schichtrhythmus
- Voraussetzungen für Schichtänderungen
- bei Arbeit auf Abruf nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz:
- Vereinbarung, dass Ihr Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall erbringt
- Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden
- Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist
- Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat
- sofern vereinbart, Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
- Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
- etwaiger Anspruch auf von Ihnen als Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
- wenn Sie als Arbeitgeber Ihrem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagen, Name und Anschrift des Versorgungsträgers, soweit nicht dieser schon zu dieser Information verpflichtet ist
- bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Ihn en als Arbeitgeber und Ihrem Arbeitnehmer einzuhaltendes Verfahren, mindestens:
- Textformerfordernis
- Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
- Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 Kündigungsschutzgesetz ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden
- allgemein gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren:
- Tarifverträge
- Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
- Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen
Wann übermitteln Sie als Arbeitgeber Ihrem Arbeitnehmer die Niederschrift?
- mit den Angaben nach Nr. 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung
- mit den Angaben nach Nr. 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses
- mit den übrigen Angaben spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses
Im Downloadbereich unter www.steuersparbrief.com haben wir Ihnen die Rechtslage für „Arbeitsverträge, die bereits vor dem 01.08.2022″ bestanden haben dargestellt.
Wie sieht die Nachweisliste für Praktikanten aus?
Ganz ähnlich wie bei einem Arbeitnehmer, nur nicht so umfangreich. Wenn Sie als Arbeitgeber einen Praktikanten einstellen mit Anspruch auf Mindestlohn, fältt er wie ein Arbeitnehmer unter das Nachweisgesetz. Als Arbeitgeber sind Sie dann verpflichtet, unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrags, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten zu übermitteln. In die Niederschrift nehmen Sie hier mindestens auf:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien
- mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele
- Beginn und Dauer des Praktikums
- Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit
- Zahlung und Höhe der Vergütung
- Dauer des Urlaubs
- allgemein gehaltenen Hinweis auf
- Tarifverträge
- Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die – soweit vorhanden – auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind
Im Normalfall dient als Nachweis der Arbeitsvertrag, der von beiden Parteien unterschrieben ist. Kommen Sie als Arbeitgeber Ihren Pflichten per Niederschrift nach, die nur Sie unterschreiben und an den Arbeitnehmer übergeben, achten Sie auf eine schriftlich quittierte Empfangsbestätigung oder zumindest einen Zeugen für die Übergabe der Niederschrift – ansonsten können Sie Ihre Pflichterfüllung später nicht gerichtsfest nachweisen und sind weiterhin von einem Bußgeld bedroht.
Was gilt bei Auslandsaufenthalt Ihres Arbeitnehmers?
Soll Ihr Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erbringen, übermitteln Sie als Arbeitgeber Ihrem Arbeitnehmer vor dessen Abreise die Niederschrift nach Absatz 1 Satz 1 mit allen wesentlichen Angaben nach Absatz 1 Satz 2 und folgenden zusätzlichen Angaben:
- Land oder Länder, in dem bzw. in denen er die Arbeit im Ausland leisten soll, und die geplante Dauer der Arbeit
- Währung, in der die Entlohnung erfolgt
- sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten
- Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr
Ändern sich die wesentlichen Vertragsbedingungen einer Beschäftigung, teilen Sie dies Ihrem Arbeitnehmer spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam werden, in Textform mit.
Fällt ein Auslandsaufenthalt unter die Entsenderichtlinie innerhalb der EU, muss die Niederschrift folgende zusätzliche Angaben enthalten:
- Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer nach dem Recht des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in dem oder in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, Anspruch hat
- Link zu der einzigen offiziellen nationalen Website, die der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, betreibt.
Die Entsenderichtlinie legt Mindestbedingungen für die Entsendung von Arbeitskräften zwischen den EU-Mitgliedstaaten fest, z.B. gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Über eine A1-Bescheinigung dokumentieren Sie bei der Entsendung, dass Ihr Arbeitnehmer noch im Heimatland sozialversichert ist.