10.10.2024

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern – so das Ziel der Politik. Ihm dient das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“. Es reformiert u.a. das Aufenthaltsgesetz und soll Fachkräften aus dem Ausland den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt weiter erleichtern.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Was regelte bereits das Aufenthaltsgesetz?

Das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) regelt:

  • Aufenthalt
  • Erwerbstätigkeit
  • Integration von Ausländern in das Bundesgebiet.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung in Deutschland (Fachkräfteeinwanderungsgesetz), verkündet am 18.08.2023 im Bundesgesetzblatt ändert als sogenanntes Artikelgesetz gleichzeitig mehrere Gesetze. Es tritt in Etappen ab dem 18.11.2023 bis 2026 vollständig in Kraft.

Was ist Fachkräfteeinwanderung nach diesem Gesetz?

Nach ihm ruht sie auf drei Säulen:

  • Fachkräftesäule: Schwerpunkt, seit 18.11.2023 in Kraft, soll Fachkräften die Voraussetzungen vereinfachen zur Erlangung von
    • Aufenthaltserlaubnis
    • Blauer Karte EU
  • Erfahrungssäule: soll Arbeitskräften mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung unter bestimmten Voraussetzungen die Einwanderung ermöglichen, seit 18.11.2023 in Kraft
  • Potenzialsäule: berücksichtigt, ob das Potenzial einer Arbeitskraft, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, Einführung der neuen „Chancenkarte“, eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitssuche, seit 01.06.2024 in Kraft. Grundvoraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 18 a, 18 b AufenthG und der Blauen Karte EU ist, dass der betreffende Ausländer aus einem Drittstaat ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorweisen kann. Im Gegensatz dazu ist dies für eine Einwanderung auf Basis der Potenzialsäule nicht erforderlich. Für ausländische Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die noch kein Arbeitsplatzangebot vorweisen können, aber Potenzial für den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen, führen die Vorschriften der §§ 20a, 20b AufenthG neuer Fassung eine „Chancenkarte“ ein.

Was ist die Blaue Karte EU?

Sie erlaubt Arbeitnehmern aus Drittstaaten eine Beschäftigung in Deutschland. Sie benötigen grundsätzlich dafür einen Aufenthaltstitel wie z. B. eine Aufenthaltserlaubnis. Sie ist maßgeblicher Aufenthaltstitel für akademische Fachkräfte aus Drittstaaten. Drittstaaten gehören nicht zum europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und der Schweiz. Beschäftigung von Bürgern aus letzteren Staaten und der EU ist in Deutschland ohne Genehmigung möglich.

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Wer erteilt die Blaue Karte EU?

Die Ausländerbehörden in einem vereinfachten Verfahren ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit. Voraussetzung nach bislang geltendem Recht beim Antragsteller ist:

  • abgeschlossenes Hochschulstudium
  • Mindestgehaltsgrenze von 58.400 Euro brutto im Jahr 2023
  • Übereinstimmung Hochschulabschluss mit der geplanten Beschäftigung

Für wie lange gilt die Blaue Karte EU?

Sie ist ein befristeter Aufenthaltstitel grundsätzlich für die Dauer von vier Jahren. Beträgt die Dauer des Arbeitsvertrages weniger als vier Jahre, wird die Blaue Karte EU für die Dauer des Arbeitsvertrages zuzüglich von drei Monaten erteilt. Erforderlich ist jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines Arbeitsvertrags oder eines verbindlichen Arbeitsplatzangebots für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist eine Verlängerung möglich. Innerhalb der ersten zwölf Beschäftigungsmonate kann die zuständige Ausländerbehörde den Arbeitsplatzwechsel der Inhaberin / des Inhabers einer Blauen Karte EU für 30 Tage aussetzen und innerhalb dieses Zeitraums ablehnen.

Als eine außerhalb der EU lebende Person benötigen Sie in der Regel ein Visum zum Zweck der Erwerbstätigkeit, das von der zuständigen deutschen Auslandsvertretung ausgestellt wird. Mit diesem Visum können Sie nach Deutschland einreisen. Anschließend müssen Sie vor Ablauf des Visums bei der örtlichen Ausländerbehörde die Blaue Karte EU beantragen.

Es gelten folgende Ausnahmen:

  • visumfrei können einreisen Staatsangehörige
    • Australiens
    • Israels
    • Japans
    • Kanadas
    • der Republik Korea
    • Neuseelands
    • des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und
    • der Vereinigten Staaten von Amerika

Sie können einreisen und müssen innerhalb von drei Monaten die Blaue Karte EU bei der für Ihren Wohnort zuständigen Ausländerbehörde beantragen. Nach Erteilung der Blauen Karte EU können Sie die Beschäftigung aufnehmen.

  • Personen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat seit mindestens zwölf Monaten eine Blaue Karte EU besitzen, dürfen visumfrei nach Deutschland einreisen. Die Blaue Karte EU in Deutschland muss innerhalb eines Monats nach der Einreise bei der für Ihren Wohnort zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden.
  • Personen, die bereits mit einem anderen Aufenthaltstitel in Deutschland leben, können die Blaue Karte EU bei der für Ihren Wohnort zuständigen Ausländerbehörde beantragen.

Inwiefern erleichtert das Fachkräfteeinwanderungsgesetz den Erwerb der Blauen Karte EU?

Es erleichtert ihn:

  • für Fachkräfte mit abgeschlossenem tertiären Bildungsprogramm wie z. B.:
    • Fachhochschule
    • Berufsakademie
  • bei einem Hochschulabschluss gleichwertigem Abschluss
  • mit mindestens dreijähriger Ausbildungszeit
  • gemäß § 18g AufenthG in der Neufassung unter bestimmten Voraussetzungen geringere Gehaltsgrenzen von
    • 800 Euro 2023
    • 682,80 Euro für Berufsanfänger
  • kein Hochschulabschluss bei IT: nach Abs. 2 dieser Vorschrift erhält ein Ausländer mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eine „kleine Blaue Karte EU“ zur Ausübung eines IT-Berufes, wenn:
    • Mindestgehaltsschwelle erreicht
    • mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung
    • erforderliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten auf Niveau eines Hochschulabschlusses oder vergleichbar mit tertiärem Bildungsprogramm

Wer entscheidet über die Erteilung?

Nach der Neufassung des Gesetzes steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr im Ermessen der Behörde, sondern besteht als Anspruch, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen. Außerhalb der Sonderregelungen für die Blaue Karte EU ist die Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte in den §§ 18a,18b AufenthG neuer Fassung geregelt. Sie ermöglicht Arbeitskräften aus Drittstaaten mit qualifizierter Berufsausbildung oder akademischer Ausbildung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Deutschland.

Stimmen Berufs- und akademische Ausbildung überein wie bei der Blauen Karte EU?

Nein, die Übereinstimmung von erworbener Qualifikation und ausgeübter qualifizierter Beschäftigung erübrigt sich für den Aufenthaltstitel nach diesen Vorschriften in der Neufassung des Gesetzes. Sofern eine Berufsausbildung oder akademische Ausbildung vorliegt, kann der Betreffende also jede qualifizierte Beschäftigung ausüben.

Können Ausländer aus Drittstaaten ohne in Deutschland anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss arbeiten?

Ja, aber nur in nicht reglementierten Berufen gemäß § 19c Abs. 2 AufenthG und § 6 Beschäftigungsverordnung (BSchV) in der neuen Fassung. Voraussetzung hierfür sind:

  • mindestens zwei Jahre Berufserfahrung
  • im Herkunftsland staatlich anerkannter Berufsabschluss: Eine formelle Anerkennung ihres Berufsabschlusses in Deutschland ist nicht mehr erforderlich.

Droht da nicht qualifizierten Menschen ein Abrutschen in den Niedriglohnsektor?

Dies soll die Voraussetzung verhindern:

  • einer bestimmten Gehaltsschwelle
  • oder Tarifgebundenheit von Ihnen als Arbeitgeber

Was gilt für reglementierte Berufe?

Solche sind z. B.

  • medizinische Berufe
  • selbstständige Handwerksmeister

Für diese bleibt die Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation in Deutschland weiterhin erforderlich. Nach der gesetzlichen Neuregelung darf der Antrag auf Anerkennung eines Berufsabschlusses aber nach Einreise nach Deutschland erfolgen. In diesem Fall verpflichten sich Fachkräfte wie auch Sie als ihr Arbeitgeber nach § 16d Abs. 3 AufenthG in der neuen Fassung zu einer Anerkennungspartnerschaft. Ihre Fachkraft kann dann sofort eine Beschäftigung bei Ihnen aufnehmen und braucht nicht auf den Abschluss des Anerkennungsverfahrens zu warten.

Wie funktioniert die Chancenkarte?

Sie ist eine zunächst auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis:

  • zur Suche nach einer Erwerbstätigkeit oder
  • zur Durchführung von Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen als „Suchchancenkarte“. Sie kann einem Ausländer aus einem Drittstaat erteilt werden, wenn
    • er entweder die Voraussetzungen einer Fachkraft erfüllt oder
    • er mindestens sechs Punkte in der Kriterientabelle für Fachkräfteeinwanderer erreicht
    • sein Lebensunterhalt gesichert ist

Welche Rechte verschafft die Chancenkarte?

Sie berechtigt den Inhaber:

  • durchschnittlich 20 Stunden pro Woche zu arbeiten
  • eine Probebeschäftigung von jeweils höchstens zwei Wochen auszuüben
    • jeweils qualifiziert
    • auf eine Ausbildung abzielt oder
    • für eine Ausbildung geeignet
  • im Rahmen einer Maßnahme zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen nach § 16d AufenthG aufgenommen zu werden.

Für welche Kriterien gibt es Punkte?

Gemäß der Tabelle für folgende Gesichtspunkte:

  • Qualifikation
  • Deutsch- und Englischkenntnisse
  • Berufserfahrung
  • Deutschlandbezug
  • Alter
  • Potenzial der Lebens- oder Ehepartnerpartner

Tabelle für Kriterien der Fachkräfteeinwanderer

Nr. 1: Festgestellte Gleichwertigkeit einer ausländischen Berufsqualifizierung bzw. Erteilung einer Berufsausübungserlaubnis für einen reglementierten Beruf 4 Punkte
Nr. 2 Gute Deutschkenntnisse (mindestens Niveau B2) 3 Punkte
Nr. 3: Ausreichende Deutschkenntnisse (mindestens Niveau B1) 2 Punkte
Nr. 4: Hinreichende Deutschkenntnisse (mindestens Niveau A2) 1 Punkt
Nr. 5: Englischkenntnisse auf dem Niveau C1 1 Punkt
Nr. 6: Fünf Jahre im Zusammenhang mit der Berufsqualifikation stehende Berufserfahrung binnen der letzten sieben Jahre 3 Punkte
Nr. 7: Zwei Jahre im Zusammenhang mit der Berufsqualifikation stehende Berufserfahrung binnen der letzten sieben Jahre 2 Punkte
Nr. 8: Berufsqualifikation in einem Mangelberuf 1 Punkt
Nr. 9: Nicht älter als 35 Jahre 2 Punkte
Nr. 10: Älter als 35 aber jünger als 40 Jahre 1 Punkt
Nr. 11: Rechtmäßiger mindestens 6-monatiger Voraufenthalt im Bundesgebiet 1 Punkt
Nr. 12: Ehegatte/Lebenspartner erfüllt die Voraussetzungen der Chancenkarte, beantragt bei derselben zuständigen Stelle eine Chancenkarte und es erfolgte eine gemeinsame Einreise nach Deutschland 1 Punkt
Autor*in: Franz Höllriegel