21.03.2025

BVerfG: Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften erlaubt!

Die steuerfreie Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaften wurde neu bewertet. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass auch Schwestergesellschaften mit identischer Beteiligung Buchwertübertragungen steuerneutral vornehmen dürfen. Unternehmen sollten prüfen, ob sie von dieser Neuregelung profitieren können.

Steuerfreie Übertragung von Wirtschaftsgütern – was bedeutet das?

Bestimmte Wirtschaftsgüter lassen sich innerhalb von Unternehmen steuerneutral übertragen, ohne dass stille Reserven aufgedeckt werden müssen. Die gesetzliche Grundlage bietet § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, der die steuerfreie Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Betriebsvermögen regelt. Nun hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass diese Regelung auch auf beteiligungsidentische Schwestergesellschaften ausgeweitet werden muss.

Worum ging es im Streitfall?

Eine Personengesellschaft (F1 GmbH & Co. KG) übertrug zwei bebaute Grundstücke zum Buchwert auf ihre Schwestergesellschaft (F2 KG). Beide Gesellschaften hatten identische Gesellschafterstrukturen. Das Finanzamt erkannte die steuerfreie Buchwertübertragung nicht an und setzte Gewinne aus dem Verkauf an, was die Gesellschaft für unrechtmäßig hielt. Der Fall landete vor dem Finanzgericht, dann vor dem Bundesfinanzhof (BFH) und schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die Finanzverwaltung argumentierte, dass durch die Übertragung zwischen zwei rechtlich eigenständigen Gesellschaften ein Wechsel des Rechtsträgers stattfinde, wodurch die stillen Reserven aufgedeckt und besteuert werden müssten. Die Kläger hielten dem entgegen, dass die wirtschaftliche Substanz erhalten bleibe und keine Gewinnrealisierung vorliege. Sie beriefen sich darauf, dass auch nach der Übertragung die Gesellschafterstruktur unverändert blieb und daher keine Besteuerung gerechtfertigt sei.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG stellte klar, dass die bisherige Regelung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG darstellt. Wären beide Wirtschaftsgüter innerhalb einer einzigen Personengesellschaft übertragen worden, wäre die Steuerneutralität gewahrt geblieben. Dasselbe müsse auch für beteiligungsidentische Schwestergesellschaften gelten, da die wirtschaftliche Substanz unverändert bleibe. Das Gericht entschied, dass eine solche Beschränkung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt und der Gesetzgeber rückwirkend ab dem 31.12.2000 eine gesetzliche Anpassung vornehmen muss.

Eine wesentliche Begründung des Gerichts war, dass der Gesetzgeber bereits früher über eine Ausweitung der Regelung nachgedacht, diese aber bewusst nicht umgesetzt habe. Dennoch sei die Benachteiligung von Schwestergesellschaften nicht sachlich begründet, da eine wirtschaftliche Gewinnerzielung nicht vorliege. Daher wurde die bestehende Regelung für verfassungswidrig erklärt.

Auswirkungen für die Praxis

  • Wirtschaftsgüter können nun steuerneutral zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften übertragen werden.
  • Kein Zwang zur Aufdeckung stiller Reserven, wenn der wirtschaftliche Zusammenhang bestehen bleibt.
  • Steuerpflichtige können sich in laufenden Verfahren auf das Urteil berufen und ggf. Einspruch gegen Steuerbescheide einlegen.
  • Bis zur gesetzlichen Neuregelung bleibt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG weiterhin anwendbar, nun auch für Schwestergesellschaften.
  • Unternehmen mit bestehender Praxis der Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Gesellschaften haben nun Rechtssicherheit und können ihre steuerlichen Planungen entsprechend anpassen.

Steuerliche und unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eröffnet neue Gestaltungsspielräume für Unternehmen. Bisher mussten Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns oder einer Unternehmensgruppe steuerlich aufwendig geplant werden, um keine stillen Reserven aufzudecken. Nun können beteiligungsidentische Gesellschaften ihre Wirtschaftsgüter flexibel übertragen, ohne sofortige steuerliche Belastungen befürchten zu müssen.

In der Praxis bedeutet dies:

  • Erleichterte betriebliche Umstrukturierungen, insbesondere innerhalb von Konzernen und Unternehmensgruppen.
  • Mehr Flexibilität bei der Vermögensaufteilung, beispielsweise zur Optimierung von Finanzierungskonzepten.
  • Bessere Steuerplanung, da stille Reserven nicht mehr zwangsläufig aufgedeckt werden müssen.
  • Reduzierung steuerlicher Risiken, da nun eine klare Rechtslage für Schwestergesellschaften besteht.

Dennoch bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber die Anpassung umsetzt und ob es neue Bedingungen oder Einschränkungen geben wird. Unternehmen sollten daher steuerliche Beratung in Anspruch nehmen, um die neuen Möglichkeiten optimal zu nutzen.

Fazit: Handlungsbedarf für Unternehmen

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bringt Klarheit für Personengesellschaften mit identischen Beteiligungsverhältnissen. Steuerpflichtige sollten prüfen, ob sie von der neuen Rechtslage profitieren und in laufenden Steuerverfahren rechtzeitig Einspruch einlegen. Unternehmen, die Umstrukturierungen planen, sollten sich steuerlich beraten lassen, um die neuen Gestaltungsspielräume optimal zu nutzen.

Autor*in: Franz Höllriegel