02.08.2023

Besonderheiten beim Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer

Arbeitnehmer oder Arbeitgeber? Das ist die Frage. Von ihr hängt ab, ob Ihr GmbH-Geschäftsführer steuer- oder abgabenpflichtig oder beides oder keins von beiden ist. Das Vertrackte an beiden Pflichtigkeiten ist: Sie legen es im Voraus fest. Wer zu spät kommt, den bestraft das Gesetz.

Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer

Wonach erfolgen Steuer- und Abgabenpflicht Ihres GmbH-Geschäftsführers? 

Nach seinem Status: 

  • Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer: verfügt über mindestens 50 Prozent der Anteile an Ihrer GmbH 
  • Alleingesellschafter-Geschäftsführer: hält 100 Prozent der Gesellschaftsanteile  
  • Minderheitsgesellschafter: hält weniger als 50 Prozent der Gesellschaftsanteile. 

Ist jeder mitarbeitende Gesellschafter zugleich Geschäftsführer? 

Nein, nicht jeder automatisch. Die Beurteilung zum Sozialversicherungsstatus kann schwierig sein. Maßgebend sind hier:  

  • die Vergleichbarkeit der Tätigkeit mit fremden Dritten und  
  • die Einflussmöglichkeit über die Gesellschaftsanteile.  

Einfache mitarbeitende Gesellschafter sollten deswegen in jedem Fall ein Statusfeststellungsverfahren durchlaufen.  

Welcher ist abgabenpflichtig zur Sozialversicherung, wer lohnsteuerpflichtig? 

Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer oder Alleingesellschafter sind keine Arbeitnehmer im Sinne der Sozialversicherung, aber lohnsteuerrechtliche Arbeitnehmer. Auch Minderheitsgesellschafter sind – wie Fremdgeschäftsführer – lohnsteuerliche Arbeitnehmer, aber im Regelfall sozialversicherungspflichtig. Minderheitsgesellschafter können ausnahmsweise sozialversicherungsfrei sein, wenn sie z.B. über eine Sperrminorität verfügen und somit Gesellschafterbeschlüsse verhindern können. Dieses Recht können Sie als GmbH ihnen beispielsweise im Gesellschaftsvertrag einräumen.  

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Wann sollte diese Einräumung erfolgen? 

Einerseits nur nach Durchlaufen eines entsprechenden Statusfeststellungsverfahrens. Andererseits im Voraus. Vereinbarungen mit beherrschenden Gesellschaftern müssen, um steuerlich wirksam zu sein, im Voraus klar und eindeutig getroffen sein. Ohne dies sieht die Sozialversicherung eine Gegenleistung nicht als schuldrechtlich begründet an. Rückwirkende Vereinbarungen zwischen Ihnen als Gesellschaft und Ihrem beherrschenden Gesellschafter sind steuerrechtlich unbeachtlich, wie der Bundesfinanzhof (BFH) schon 1970 entschieden hat (Urteil vom 23.09.1970, Az.: I R 116/66).  

Was geschieht bei einem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot? 

Dies wäre normalerweise eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). In der Folge müssten Sie Lohnabrechnungen anpassen und Lohnsteuerabzüge über einen geänderten Einkommensteuerbescheid korrigieren. Beispiele für solche Verstöße sind: 

  • nachträgliche vertragliche Genehmigung der privaten Nutzung von Firmenfahrzeugen 
  • rückwirkende Lohnerhöhungen oder Tantieme-Zusagen 
  • neue Provisionsvereinbarungen für bereits abgelaufene Zeiträume 

Leistungen an Ihren beherrschenden Gesellschaftern nahestehende Personen bedürfen zu ihrer steuerlichen Anerkennung ebenfalls einer im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung (BFH, Urteil vom 22.02.1989, Az.: I R 9/85).  

Gibt es für solche Vereinbarungen irgendwelche Formvorschriften? 

Ja, und zwar folgende: 

  • Vereinbarungen mit Gesellschafter-Geschäftsführern müssen zwecks steuerlicher Anerkennung zivilrechtlich wirksam sein. Maßgebend hierfür ist u.a. das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). 
  • Als Alleingesellschafter verfassen Sie unverzüglich nach der Beschlussfassung eine Niederschrift in Form eines Protokolls und unterschreiben es. 
  • Keine Formvorschrift in dem Sinne, aber eine Empfehlung: Wer schreibt, der bleibt! Wenn Sie die Vereinbarung nur mündlich fassen, können Sie sich selbstverständlich auf die Existenz eines mündlich abgeschlossenen Vertrags berufen. Dann haben Sie aber im Falle, dass dies angezweifelt wird, einen entsprechenden Nachweis zu führen. Sie tragen die Beweislast für Ihre Behauptung, dass die Vereinbarung mündlich getroffen wurde. Können Sie das aber nicht, haben Sie den Nachteil des fehlenden Nachweises zu tragen, wenn Sie sich auf die Existenz des Vertrags zur Begründung des Betriebsausgabenabzugs berufen. Das hat der BFH mit Urteil vom 29.07.1992 entschieden (Az.: I R 28/92).  

Worum ging es in dem Urteil? 

U.a. um den fehlenden Nachweis der Existenz eines Darlehensvertrages. An einer GmbH, gegründet durch notariellen Vertrag vom 13. Februar 1979, hielten das Stammkapital von zunächst 22.000 DM drei Gesellschafter:  

  • G einen Geschäftsanteil im Nominalwert von 2.000 DM; betrieb ursprünglich vor der Gründung der GmbH in W einen Lebensmittelgroßhandel als Einzelunternehmen 
  • Sohn U von G einen von 10.000 DM 
  • Sohn B von G ebenfalls einen von 10.000 DM  

Durch Geschäftsüberlassungsvertrag vom 22. Dezember 1978 verkaufte G sein Einzelunternehmen zum 31. Dezember 1978 an seine Söhne U und B, die sich mit Wirkung ab diesem Datum zu einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) zusammenschlossen. Der Verkauf umfasste gemäß der damaligen Steuerbilanz alle Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens. Zu den Passiva zählten damals Darlehensverbindlichkeiten gegenüber U in Höhe von 244.706,08 DM und gegenüber B in Höhe von 260.159,66 DM. Als Gegenleistung für die Übertragung des Einzelunternehmens versprachen U und B dem G die Zahlung einer lebenslangen Rente in Höhe von monatlich 2.500 DM, die an die Lebenshaltungskosten anzupassen und nach dem Tode des G an dessen Witwe weiterzubezahlen war. Für die OHG stellte man eine Eröffnungsbilanz auf, die im Wesentlichen der Bilanz des Einzelunternehmens entsprach und später als Umwandlungsbilanz mit verwendet wurde. In der Eröffnungsbilanz wurde die Rentenverbindlichkeit gegenüber G passiviert. Gleichzeitig wurden bestimmte Aktiva um einen entsprechenden Betrag höher bewertet.  

Wie kam der Fall ins Rollen? 

Nach einer Außenprüfung des Finanzamtes. Es sah das Wertverhältnis zwischen der Rentenverbindlichkeit gegenüber G von rund 290.000 DM und dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens im Wert von rund 650.000 DM als ungleich an. Es behandelte deshalb die Rentenverbindlichkeit als eine private Versorgungsrente mit der Folge, dass es die Differenz zwischen Rentenzahlungen und Minderung der Rentenverbindlichkeit nicht als Betriebsausgabe, sondern als Rückzahlung des von U und B dem G gewährten Darlehens ansetzte. Außerdem sah es die an U und B als Geschäftsführer der GmbH gezahlten Gehälter als teilweise unangemessen an. Jeder Geschäftsführer erhielt für 1979 132.233 DM, für 1980 111.525 DM und für 1981 133.968 DM. In diesen Zahlen ist eine Gewinntantieme enthalten, die jedoch an U und B nicht ausbezahlt, sondern als Darlehen behandelt wurde.  

Ein schriftlicher Darlehensvertrag bestand nicht. Sicherheiten waren nicht vereinbart. Größere Beträge sollten erst ein Jahr nach Anforderung der Rückzahlung fällig sein. Das FA sah für jeden Geschäftsführer ein Gehalt von nur 105.000 DM jährlich als angemessen an. Es behandelte die Differenzbeträge als vGA nach § 8 Körperschaftsteuergesetzes (KStG).  

Wie sah der BFH die Sache? 

Es teilte die vom Finanzgericht (FG) vertretene Rechtsauffassung einer vGA in Höhe der Tantiemezahlungen. Die Tantiemevereinbarungen seien tatsächlich nicht durchgeführt worden. Das FG sei weiter zutreffend davon ausgegangen, dass U und B, die zusammen mehr als 90 v. H. der Stimmrechte an der Klägerin hielten, wegen der Verfolgung gleichgerichteter Interessen als beherrschende Gesellschafter der Klägerin anzusehen seien.  

Leistungen der klagenden GmbH an sie dürften deshalb den Gewinn nur dann mindern, wenn sie auf einer auch tatsächlich durchgeführten Vereinbarung beruhen. Dazu hat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Behandlung von Arbeitslohn einer dem Unternehmen als Arbeitgeber nahestehenden Person als Betriebsausgabe nur dann als Betriebsausgabe zugelassen, wenn der Arbeitslohn entweder:  

  • zeitnah ausbezahlt wurde oder  
  • nachweisbar ein Darlehen vereinbart wurde.  

Die „darlehensweise Überlassung“ durch stillschweigende Umbuchung in der betrieblichen Buchführung hat der BFH mangels einer zivilrechtlichen Vereinbarung nicht als tatsächliche Durchführung anerkannt. Unklar sei insoweit lediglich, ob und wann eine Vereinbarung über Zinsen und Sicherheiten zu verlangen ist. Auf letztere Frage komme es jedoch im Streitfall nicht an. Es fehle bereits an dem Nachweis der Existenz eines Darlehensvertrages. Ein solcher ist nachweislich erst am 1. Januar 1982 und damit nach Ablauf der Streitjahre abgeschlossen worden. Die GmbH behauptete die Existenz eines vorher mündlich abgeschlossenen Vertrages, konnte sie jedoch nicht nachweisen. Den Nachteil des fehlenden Nachweises habe sie zu tragen, weil sie sich auf die Existenz des Vertrages zur Begründung des Betriebsausgabenabzuges der Tantiemezahlungen berufen habe. Müsse die Revision vor dem BFH deshalb von dem Fehlen einer Darlehensvereinbarung ausgehen, so bedeute die Nichtauszahlung der Gewinntantiemen die Nichtdurchführung der Tantiemevereinbarung. In Höhe der Tantiemebeträge sei deshalb eine vGA im Sinne der genannten Vorschrift anzusetzen.  

Wie hat der Hof die Rentenvereinbarung gesehen? 

Sie könne nur dann mit Darlehensforderungen von U und B verrechnet werden, wenn in tatsächlicher Hinsicht feststehe, dass entsprechende Forderungen bestanden und die Zahlungen zur Erfüllung der Forderungen geleistet wurden. Insbesondere zu der letztgenannten Voraussetzung habe das FG keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Sollten die Rentenzahlungen nicht in Erfüllung von Darlehensforderungen von U und B geleistet worden sein, so könnten sie eine Betriebsausgabe sein. In diesem Falle wäre allerdings die Frage nach einer vGA in Höhe der eingetretenen Gewinnminderung zu beantworten. Dies wäre dann der Fall, wenn die Klägerin zivilrechtlich zu den Zahlungen nicht verpflichtet gewesen sein sollte. Jedoch muss nicht die vertragliche Rentenverpflichtung gegenüber G auf die Klägerin übergegangen sein. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Rentenverbindlichkeit entweder unter dem Namen der OHG (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) versprochen oder durch besonderen Rechtsakt auf die OHG übertragen worden wäre. Sollte die OHG die Rentenverpflichtung gegenüber G nicht übernommen haben, so könnte dieselbe auch nicht auf die Klägerin übergegangen sein. Die Klägerin hätte dann eine persönliche Rentenverbindlichkeit ihrer Gesellschafter U und B mit der Folge erfüllt, dass die Zahlungen den Gewinn der Klägerin nicht mindern dürfen. 

Autor*in: Franz Höllriegel