Arbeitszeitmodelle für die Viertagewoche
Not macht erfinderisch. Das gilt auch bei Fachkräftemangel. Er macht Arbeitgeber kreativ bei der Suche nach Personal. Ein Mittel, um Bewerber aufmerksam zu machen, böte sich in einer Viertagewoche. Doch erfordert sie von Ihnen als Arbeitgeber die Beachtung einiger Besonderheiten.

Was heißt Viertagewoche?
Im Grunde nichts anderes als
- vier Tage in der Woche arbeiten,
- drei Tage frei.
Sie verteilen als Arbeitgeber also die Wochenarbeitszeit Ihrer Mitarbeiter auf vier Tage.
Für die Viertagewoche nennt die „Tagesschau“ zwei Varianten:
- komprimierte Viertagewoche oder „Belgisches Modell“, in Belgien gesetzlich verankert:
- Der Beschäftigte erledigt sein bisheriges Arbeitsvolumen an nur vier Tagen,
- bei einer 40-Stunden-Woche ein so von acht auf zehn Stunden am Tag verlängerter Arbeitstag.
- nicht komprimierte, sondern reduzierte Arbeitszeit: Beschäftigte arbeitet nicht mehr 40, sondern nur noch 32 Stunden pro Woche meistens bei gleicher Bezahlung. Etwa Großbritannien, Spanien und Island haben diese Variante getestet.
Drei verschiedene Arbeitszeitmodelle kommen in Betracht:
- Modell 1 Gleichbleibender Lohn und gleiche Arbeitszeit:
- Die wöchentlichen Arbeitsstunden verringern Sie nicht, sondern verteilen sie auf vier statt fünf Tage in der Woche.
- Ihre Mitarbeiter können die Arbeitsblöcke individuell aufteilen.
- Sie beachten die Regelungen des Arbeitszeitrechts und des Arbeitsschutzes.
- Zulässig ist ein Arbeitstag von zehn Stunden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt nicht mehr als acht Stunden pro Werktag (Montag bis Samstag) gearbeitet wird.
- Im Falle eines Zehn-Stunden-Arbeitstags ordnen Sie als Arbeitgeber keine einzige Überminute mehr an.
- Freiwillige Überstunden der Mitarbeiter sind nicht gestattet. Sie könnten sie bei einem regelmäßigen Zehnstundentag also nur an einem fünften oder sechsten Tag in der Arbeitswoche leisten.
- Modell 2 Weniger Geld und reduzierte Arbeitszeit:
- Verringern Sie Arbeitszeit und Gehalt auf 80 Prozent, handelt es sich um ein Teilzeitmodell.
- Als Arbeitgeber ordnen Sie die Teilzeit nicht einseitig von sich aus an. Hierfür bedarf es einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Ihnen als Arbeitgeber und Ihrem Arbeitnehmer.
- Beschäftigt Ihr Betrieb mindestens 15 Mitarbeiter, sind Sie grundsätzlich verpflichtet, Teilzeit anzubieten. Für eine Ablehnung eines entsprechenden Wunsches Ihres Arbeitnehmers sind betriebliche Gründe erforderlich.
- Modell 3 Gleichbleibender Lohn und reduzierte Arbeitszeit:
- Sie verringern die Arbeitszeit. Sie gewähren gleiches Gehalt.
- Sie wollen die Produktivität in der verbleibenden Arbeitszeit erhöhen durch größere Motivation Ihrer Mitarbeiter oder technischen Fortschritt.
Egal welches Modell: ist die Viertragewoche für Ihren Arbeitnehmer attraktiv?
Die Umfragen sagen Ja. Die Viertagewoche liegt international im Trend:
- Personaldienstleister Randstad hat in einer groß angelegten weltweiten Studie festgestellt:
- jeder dritte Beschäftigte hätte gerne einen Vollzeitjob mit kürzerer Arbeitswoche.
- Jeder Fünfte hat sogar schon einmal seine Arbeitsstelle wegen mangelnder Arbeitszeitflexibilität gekündigt.
- viele Beschäftigte geben als Hauptgründe für ihr Ja zur Viertagewoche die Möglichkeit an, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können, sowie einen zusätzlichen Wochentag für private Termine und Erledigungen zu.
- Dementsprechend kann die Einführung einer Viertagewoche das eigene Unternehmen gegenüber den Mitstreitern auf dem Arbeitsmarkt herausstellen und besonders attraktiv für Fachkräfte machen.
- Eine Umfrage im Auftrag des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen unter 3.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2023, über die die „Tagesschau“ im Februar 2024 berichtete, ergab:
- eine Mehrheit wünscht eine Abkehr vom Fulltime-Job.
- Bei den Jüngeren wie auch bei den Beschäftigten ab 30 Jahren sprach sich jeweils eine knappe Mehrheit von rund 52 Prozent für eine Viertagewoche aus.
- In einer Befragung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gaben
- rund 81 Prozent der Teilnehmer an, sich eine Viertagewoche zu wünschen.
- Knapp 73 Prozent erklärten, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen.
- Acht Prozent der Beschäftigten wollen eine Viertagewoche auch bei geringerem Lohn
- 17 Prozent wünschen sich keine Viertagewoche.
- Nur zwei Prozent berichten, dass sie bereits eine Viertagewoche haben.
- knapp 97 Prozent der Beschäftigten gaben als Hauptgrund, warum sich Beschäftigte eine Viertagewoche wünschen, an, mehr Zeit für sich selbst zu haben.
- 89 Prozent der Beschäftigten wünschen sich eine Viertagewoche, weil sie mehr Zeit für die Familie haben wollen. Auch der Wunsch „mehr Zeit für Hobbies, Sport, Ehrenamt“ zu haben, ist ein wesentlicher Grund für eine Viertagewoche.
- 87 Prozent der Beschäftigten wünschen sich eine Viertagewoche, um mehr Zeit für diese außerberuflichen Aktivitäten zu haben.
- 75 Prozent der Beschäftigten wünschen sich eine Viertagewoche, um die Arbeitsbelastung zu verringern.
Also nur Zustimmung zur Viertagewoche?
Nein, 17 Prozent wünschen sie sich nicht. Die wesentlichen Gründe gegen eine Viertagewoche beziehen sich auf Arbeitsorganisation oder Arbeitsumstände:
- 82 Prozent, derjenigen, die sich keine Viertagewoche vorstellen können, geben an, dass sich an den Arbeitsabläufen nichts ändern würde und sie daher nicht kürzer arbeiten wollen.
- 77 Prozent geben an, dass die Arbeit in kürzerer Zeit nicht zu schaffen wäre, also die Arbeitsmenge einer Verkürzung der Arbeitszeit entgegenstehe.
- 69 Prozent der Beschäftigten wollen keine Viertagewoche, da ihre Arbeit nicht ruhen könne.
- 86 Prozent gaben „Spaß an der Arbeit“ an oder, „an den Arbeitsabläufen würde sich nichts ändern“.
Lohnt sich die Viertagewoche für Ihr Unternehmen?
Vorteile der Viertagewoche:
- Erhöhung der Produktivität und der Motivation der Mitarbeiter
- Stärkung der Attraktivität des Arbeitgebers
Nachteile der Viertagewoche:
- Die einzelnen Arbeitstage können bei gleichbleibender Arbeitszeit sehr anstrengend werden.
- Krankheitsbedingte Ausfälle an einem einzelnen Arbeitstag sind bei einer Viertagewoche teurer für den Betrieb.
Wenn Sie als Arbeitgeber die Viertagewoche erst einmal ausprobiert wollen, können Sie diese zunächst unverbindlich und für einen bestimmten Zeitraum anordnen. So bleibt Ihnen als Arbeitgeber der Weg zurück zur Fünftagewoche offen. Hat Ihr Betrieb einen Betriebsrat, ist dies allerdings nicht so einfach, da dieser bei Änderungen der Verteilung der Arbeitszeit ein Mitbestimmungsrecht hat.
Was muss sich ändern, um eine Viertagewoche einzuführen?
Um diese Vorteile nutzen zu können, braucht es aus Sicht der Beschäftigten konkrete Voraussetzungen wie:
- Anpassung der arbeitsorganisatorischen Strukturen
- Änderung von Arbeitsmenge, Arbeitsablauf sowie Erreichbarkeit
Laut Böckler-Studie bedarf es einer echten Arbeitszeitreduktion ohne
- Mehrarbeit an den verbliebenen Tagen
- ohne unflexible Arbeitsorganisation
- mit verbindlichen Vertretungsregelungen,
- mehr Personal
- angepassten Erreichbarkeitsregeln im Kundenkontakt
- Hier könne der Einsatz von digitalen Technologien hilfreich sein, um Arbeitsprozesse schlanker zu gestalten und Zeitfresser zu eliminieren, die zuvor zu langen Arbeitszeiten führten.
Mehr Arbeit auf einmal – ist das denn gesund?
Offenbar ja. Laura Venz, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Leuphana Universität in Lüneburg, nennt gegenüber „Tagesschau24“ sehr gute Erkenntnisse. Die Viertagewoche gehe einher mit:
- hoher Zufriedenheit: je weniger man arbeite, desto mehr Zeit habe man für andere Dinge wie Haushalt, Kinderbetreuung oder Hobbys
- besserer Gesundheit
- höherer Work-Life-Balance
Venz: „Wir wollen eigentlich nicht unser gesamtes Leben der Arbeit opfern, sondern es soll auch noch etwas darüber hinaus geben.“ Der Umstieg auf die Viertagewoche könne für Beschäftigte wie für Sie als Unternehmen erst einmal ungewohnt sein, räumt Venz ein. „Die ersten vier Wochen der Umstellung auf die Viertagewoche geht mit einem erhöhten Stresslevel einher. Man könne eben nicht einfach exakt so weiterarbeiten kann wie vorher, sagt Venz.
Selbst wenn man es könnte, sollte man es aber vielleicht nicht, schränkt die Wissenschaftlerin ein. Zunächst gehe es darum, Dinge neu zu sortieren und neu zu ordnen. Das bedeute einen nicht unerheblichen Aufwand. „Aber wir sehen, dass sich das nach etwa vier Wochen sehr gut einpendelt und ein Gewöhnungseffekt kommt“, so Venz. Dann seien die Beschäftigten wieder auf dem vorherigen Level und hätten das Gefühl, „endlich effizienter zu arbeiten und weniger Zeit zu vergeuden“.
In Großbritannien testeten 2022 61 Unternehmen mit rund 2.900 Mitarbeitern ein halbes Jahr lang die Viertagewoche. Sie seien offenbar überzeugt gewesen:
- 56 Firmen beschlossen anschließend, das Modell erst einmal beizubehalten.
- Die Mitarbeiter waren der Studie zufolge ausgeglichener und gesünder,
- die Produktivität habe sich erhöht.
Venz weist darauf hin, dass sich die Viertagewoche in manchen Bereichen schwerer umsetzen lässt als in anderen, wie bei der von der Lokomotivführergewerkschaft GDL auf Wunsch der Mitglieder geforderten Arbeitszeitverkürzung bei den Lokführern. Natürlich kann ein Lokführer trotzdem nur einen Zug auf einer bestimmte Strecke fahren oder führen. Dementsprechend sei es dort nicht möglich, die Produktivität exakt aufrechtzuerhalten. Gleiches gelte für die Pflege: „Ich pflege ja nicht plötzlich schneller, das kann ja nicht funktionieren“, so Venz.
Die Wissenschaftlerin plädiert laut „Tagesschau“ für eine komplette Umstrukturierung von Betrieben. Unternehmen müssten sich genau überlegen, wer welche Aufgaben übernimmt und im Idealfall mehr Beschäftigte einstellen. Das jedoch sei mit mehr Kosten verbunden. „Ich verstehe komplett, dass da erst mal alle Alarmglocken angehen“, sagt Venz, erinnert aber gleichzeitig an den Fachkräftemangel. Am Markt sei das Angebot an Arbeitsplätzen sehr groß, beispielsweise im Bereich der Pflege. Da könne eine Viertagewoche trotz den Herausforderungen, die damit einhergingen, ein Hebel sein, um Arbeitgeber attraktiver zu machen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt erlaube es den Bewerbern, Ansprüche zu stellen und sich den Arbeitgeber gezielt auszusuchen. Warum sollte ein Arbeitnehmer sich dann nicht für den entscheiden, der ihm eine Viertagewoche anbietet, fragt Venz.
In Deutschland nehmen jetzt 50 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen an einem umfassenden Pilotprojekt zur Einführung der Viertagewoche teil. Anschließend will die Universität Münster das Projekt wissenschaftlich auswerten.