Arbeitnehmer können BEM nicht einklagen
Schön, dass Sie wieder da sind! Als Arbeitgeber freuen Sie sich über jeden Mitarbeiter, der nach längerer Krankheit wieder in den Schoß der Firma zurückkehrt. Doch das gelingt nicht immer. Der Gesetzgeber fordert daher eine betriebliche Eingliederung. Erzwingen lässt sie sich aber nicht.
Gesetzgeber fordert die Eingliederung – und jemand ist dagegen?
Ja, das bekam ein bei einer Kommune beschäftigter Arbeitnehmer in Franken zu spüren. Er war 2018 an 122 Tagen arbeitsunfähig erkrankt und bis August 2019 an weiteren 86 Tagen. Er verlangte deshalb von seinem Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Die Kommune als Arbeitgeber lehnte deren Durchführung ab.
Begründung: Sie habe den Arbeitnehmer einige Jahre zuvor wegen der zum damaligen Zeitpunkt bereits bestehenden Erkrankung auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt. Diese Maßnahme sei faktisch einem BEM gleichgekommen. Ein neuerliches BEM sei reine Förmelei, zumal der Arbeitnehmer nicht die Absicht habe, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
War dieser damit einverstanden?
Nein, er war anderer Meinung und klagte auf Durchführung eines BEM. Die Klage blieb aber erfolglos. Zwar sei ein Arbeitgeber nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (LAG Nürnberg, Urteil vom 08.10.2020, Az. 5 Sa 117/20) gemäß § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX verpflichtet, unter den dort genannten Voraussetzungen ein BEM durchzuführen. Jedoch:
- Das Gesetz enthalte keine Formulierung, die einem Arbeitnehmer einen einklagbaren Anspruch auf die Durchführung eines BEM zubillige.
- Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus der im Arbeitsverhältnis geltenden Rücksichtnahmepflicht.
- Arbeitnehmer seien ausreichend dadurch geschützt, dass ein unterbliebenes BEM Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Kündigungen oder Versetzungen haben könne.
Ist also das BEM für Sie als Arbeitgeber eine zu vernachlässigende Größe?
Nein, als solcher sollten Sie Ihre BEM-Pflicht nicht unterschätzen! Auch wenn Ihre Arbeitnehmer nach der vorstehenden Entscheidung die Durchführung eines BEM nicht einklagen können, dürfen Sie als Arbeitgeber die genannte SGB-Vorschrift nicht außer Acht lassen. Führen Sie nämlich das BEM nicht oder nicht ordnungsgemäß durch, kann das für Sie in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess schwerwiegende Konsequenzen haben.
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Was bedeutet das für Sie als Arbeitgeber in der Praxis?
Bei Fehlen eines durchgeführten BEM im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens müssten Sie als Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass weitere erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten – und somit die Kündigung – weder durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen (z. B. die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes oder den Einsatz von Hilfsmitteln) noch durch Maßnahmen der Rehabilitation hätten vermieden werden können.
Müssen Sie als Arbeitgeber sich bei Erkrankung eines Mitarbeiters darum kümmern?
Ja, Sie müssen Hilfe, Prävention und Rehabilitation anbieten – egal welche Ursache oder wie schwer eine Erkrankung.
Übrigens ist BEM nicht mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) zu verwechseln. Wie das funktioniert und was sie als Arbeitgeber dabei berücksichtigen müssen, lesen Sie in dem Beitrag „So funktioniert professionelles Betriebliches Gesundheitsmanagement!“.
Krankheit schützt vor Kündigung nicht. Es macht sich nur nicht so gut, wenn Sie als Arbeitgeber einem erkrankten Mitarbeiter kündigen. Und doch muss es manchmal sein. Wie Sie als Arbeitgeber sich dabei am besten aufstellen, lesen Sie in dem Beitrag „Überschaubares Risiko bei der krankheitsbedingten Kündigung“.