Arbeitgeber vermehrt in der Pflicht bei Bezahlung von Überstunden
In Deutschland werden jährlich fast 1 Milliarde und damit ca. 50 % der geleisteten Überstunden weder bezahlt noch durch Freizeit ausgeglichen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Frage, ob und wann Mehrarbeit in Form von Überstunden zu vergüten ist, immer wieder zu Auseinandersetzungen in Betrieben führt.
Überstunden von Führungskräften, ein Fall vor dem LAG
Die allgemeine Regel, dass Arbeitsstunden zu vergüten sind, wenn dies arbeitsvertraglich geregelt ist oder zumindest zu erwarten ist, hilft bei Führungskräften nicht weiter. Denn von Führungskräften wird eine Mehrarbeit erwartet und soll oftmals bereits mit dem Gehalt abgegolten sein. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hatte jetzt zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine Führungskraft die Vergütung von Überstunden verlangen kann. Bemerkenswert dabei: In seiner Entscheidung zweifelt das LAG die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage an.
Im aktuellen Fall hatte das LAG zu entscheiden, ob eine Führungskraft nach Kündigung und Ausscheiden aus dem Betrieb von seinem früheren Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden verlangen kann.
Der Kläger war vom 09.06.2015 bis zum 15.07.2016 bei der Beklagten (einem Fuhrunternehmen) als Leiter Technik / Fuhrpark beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass die geleisteten Überstunden innerhalb von zwölf Kalendermonaten entweder durch bezahlte Freistellung oder aber durch Zahlung des Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz ausgeglichen werden. Bei Beendigung des Vertrags verlangte der Kläger die Bezahlung der von ihm geleisteten Überstunden. Da die Beklagte dem nicht nachkam, erhob er Klage auf Zahlung von geleisteten Überstunden auf Basis einer 45-Stundenwoche. Er reichte dazu eine Auflistung der einzelnen Arbeitstage mit Arbeitsbeginn und Arbeitsende ein.
Keine Zahlung weil branchenüblich?
Der Arbeitgeber trug vor, dass es in der Logistikbranche für Mitarbeiter in gehobenen Positionen üblich sei, Überstunden unentgeltlich zu leisten. Auch bei ihm leisteten die Führungskräfte alle Mehrarbeit, ohne dafür eine gesonderte Vergütung zu erhalten. Dieser Argumentation folgten die Richter nicht. Die Klage des leitenden Angestellten hatte im Berufungsverfahren beim Landesarbeitsgericht erfolgt, Urteil vom 28.06.2017, Az: 15 Sa 66/17.
Die Kenntnis von Überstunden ist mit der Duldung gleichzusetzen
Zur Begründung führt das LAG aus, dass ein Anspruch des Klägers auf Vergütung der Überstunden gegeben sei.
Dies sei nämlich grundsätzlich dann der Fall, wenn
- der Kläger die Überstunden konkret nachweist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG reicht es bei Klagen auf Vergütung von Überstunden im ersten Schritt aus, wenn der Kläger für jeden Tag im Einzelnen darlegt, von wann bis wann er gearbeitet habe, BAG, Urteil vom 16.05.2012, Az: 5 AZR 347/11. - diese durch den Arbeitgeber veranlasst sind.
Im zweiten Schritt müsse der Kläger angeben, inwiefern sein Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst habe oder diese ihm zumindest zuzurechnen seien, BAG, Urteil vom 10.04.2013, Az: 5 AZR 122/12.
Wann sind Überstunden durch den Arbeitgeber veranlasst?
Überstunden sind durch den Arbeitgeber veranlasst, wenn dieser Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet hat. Überstunden sind aber auch dann durch den Arbeitgeber veranlasst, wenn diese zur Erledigung der geschuldeten Arbeit unbedingt erforderlich waren.
Achtung – Duldung durch Ignorieren!
Eine Duldung der Überstunden (und damit eine Vergütungspflicht) liegt bereits dann vor, wenn Sie als Arbeitgeber Kenntnis davon haben und dies ignorieren, also nichts unternehmen, um sie künftig zu unterbinden. Allerdings können Ihnen Arbeitnehmer Überstunden auch nicht „aufdrängen“, zumindest sind diese dann nicht vergütungspflichtig. Die LAG Rechtsprechung ist in diesem Punkt deutlich arbeitnehmerfreundlicher als die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht mit diesem Urteil umgehen wird.
ExpertentippNicht jeder Arbeitnehmer kann Überstundenvergütungen erwarten. Insbesondere bei leitenden Angestellten können Überstunden mit dem (höheren) Grundlohn bereits abgegolten sein. Sie sollten hier klare Vereinbarungen im Arbeitsvertrag aufnehmen, z.B. „Bis zu zehn Überstunden im Monat sind mit dem Grundgehalt abgegolten. Darüberhinausgehende, betriebsnotwendige oder vom Arbeitgeber angeordnete Überstunden, können mit dem durchschnittlichen Stundensatz oder mit Freizeitausgleich abgegolten werden“. |
Fazit
Das LAG nimmt damit den Arbeitgeber verstärkt in die Verantwortung und verlangt ein aktives Tun, um Überstunden zu vermeiden.
Hinweis der Redaktion
Dieser Beitrag stammt aus dem „GmbH-Brief AKTUELL“ 05-2018.
Als GmbH-Geschäftsführer sind Sie zahlreichen Risiken ausgesetzt, die nicht nur Ihre berufliche, sondern auch Ihre private Existenz bedrohen können. „GmbH-Brief AKTUELL“ hilft Ihnen mit praxisnahen Handlungsempfehlungen die GmbH zu schützen sowie steuerliche Gestaltungsspielräume rechtssicher auszuschöpfen.