13.12.2022

Anspruch auf Zwischenzeugnis besteht nicht immer

Gibt es ihn – oder nicht, den Anspruch auf ein Zwischenzeugnis? Das Gesetz kennt lediglich den Anspruch auf ein Zeugnis am Ende eines Arbeitsverhältnisses. Aber auch auf ein Zwischenzeugnis kann Ihr Arbeitnehmer pochen. Er braucht dafür allerdings triftige Gründe.

Anspruch auf Zwischenzeugnis

Ihr Mitarbeiter fordert von Ihnen als Arbeitgeber ein Zwischenzeugnis. Zu Recht?

Hier besteht ein Unterschied zwischen

  • einem Zeugnis am Ende eines Arbeitsverhältnisses und
  • einem Zwischenzeugnis.

Einen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses hat Ihr Arbeitnehmer nach § 109 Gewerbeordnung (GewO). Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Kommen Sie als Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, riskieren Sie die Festsetzung von Zwangsgeld oder sogar Zwangshaft, wenn Ihr Mitarbeiter ein Zwangsvollstreckungsverfahren einleitet.

Das gilt übrigens auch dann, wenn Sie als Arbeitgeber das Zeugnis so polemisch formuliert haben, dass es nicht ernst genommen werden kann. In unserem Beitrag „Arbeitgeber riskiert Zwangsgeld oder Zwangshaft, wenn er kein Arbeitszeugnis ausstellt“ erfahren Sie mehr hierzu.

Auf dem Arbeitszeugnis muss der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses stehen, und zwar unerheblich davon, wann das Arbeitszeugnis tatsächlich ausgestellt wurde. Was das Landesarbeitsgericht Köln mit einer entsprechenden Entscheidung hierzu bezweckt hat, lesen Sie in unserem Beitrag „Welches Datum sollte unter dem Arbeitszeugnis stehen?“.

Oft wird gefragt, ob eine Rückdatierung eines Arbeitszeugnisses möglich ist. Hierzu finden Sie wichtige Einzelheiten in unserem Beitrag „Arbeitszeugnis: Rückdatierung nur bei rechtzeitiger Forderung“.

Für einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis im laufenden Arbeitsverhältnis bietet das Gesetz keine Grundlage. Es ist jedoch anerkannt, dass Sie als Arbeitgeber auf Wunsch eines Arbeitnehmers nicht umhinkommen, ihm ein Zwischenzeugnis auszustellen. Allerdings unter bestimmten Voraussetzungen.

Was sind die Voraussetzungen für ein Zwischenzeugnis?

Ihr Arbeitnehmer, der eines von Ihnen als seinem Chef wünscht, muss zumindest einen sachlichen Grund haben, warum er ein Zwischenzeugnis haben will. Hat er keinen triftigen Grund, brauchen Sie seiner Aufforderung nicht nachzukommen. Weitergehende Informationen zum Zwischenzeugnis entnehmen Sie unserem Beitrag „Geschäftsführerzeugnis: Denken Sie an ein Zwischenzeugnis!“.

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Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 20.05.2020 – 7 AZR 100/19) hat das Thema auf eine andere Ebene gebracht. Als Arbeitgeber können Sie demnach unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, ein Zwischenzeugnis auszustellen. Es kann eine vertragliche Nebenpflicht sein.

Was ist eine Hauptpflicht und was eine Nebenpflicht?

In einem Arbeitsvertrag vereinbaren Sie beispielsweise mit einem Mitarbeiter, dass er 38 Stunden pro Woche arbeitet und Sie ihm dafür einen bestimmten Betrag monatlich zahlen. Das sind die Hauptleistungspflichten aus einem Vertrag. Daneben besteht eine ganze Reihe von Nebenpflichten, unter anderem im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Erfurter Arbeitsrichter knüpfen diese Nebenpflicht aber an eine Bedingung, um ein Zwischenzeugnis Ihnen als Arbeitgeber verpflichtend aufzuerlegen. Ihr Mitarbeiter muss aus einem triftigen Grund auf ein Zwischenzeugnis angewiesen sein.

Was wäre ein triftiger Grund für den Anspruch auf ein Zwischenzeugnis?

Ein Grund wäre etwa, dass der Mitarbeiter das Zwischenzeugnis für eine Bewerbung benötigt, weil das Arbeitsverhältnis in Kürze endet. Als sachliche Gründe anerkannt sind

  • ein vollzogener oder bevorstehender Wechsel des Vorgesetzten,
  • ein vollzogener oder bevorstehender Wechsel des Arbeitsplatzes,
  • eine längere Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, z. B. durch Elternzeit, Freistellung für Betriebsratstätigkeit, Sabbatical etc.,
  • eine Stellensuche des Arbeitnehmers,
  • eine drohende Insolvenz des Arbeitgebers,
  • ein drohender Stellenabbau,
  • ein bevorstehender Betriebsübergang gemäß § 613a BGB oder
  • sonstige Gründe, z. B. zur Vorlage für einen Kreditantrag oder eine Fortbildungsmaßnahme.

Verschiedentlich sehen Tarifverträge einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses vor, so zum Beispiel im öffentlichen Dienst. Sollten Sie an einen Tarifvertrag gebunden sein, hilft ein Blick in das Regelwerk.

Worum ging es in dem vom BAG entschiedenen Fall?

Die Klägerin ist seit dem 9. Juni 1993 bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, als Flugbegleiterin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 27. September 1994 zugrunde. Die Klägerin war 2017 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und zuletzt nicht schichtdiensttauglich. Der medizinische Dienst der Beklagten stellte die dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit der Klägerin seit 30. Juni 2017 fest und informierte die Parteien entsprechend. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin schriftlich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Flugdienstuntauglichkeit zum 31. März 2018. Sie bat zugleich um Mitteilung, ob die Klägerin an einer Arbeitstätigkeit im Bereich des Bodenpersonals interessiert sei, was diese bejahte.

Mit Schreiben vom 8. September 2017 lud die Beklagte die Klägerin zu einem „bEM-Bodengespräch“ ein, also ein Gespräch über ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) im Bereich des Bodenpersonals. Das Angebot nahm die Klägerin an und erbat die Teilnahme der Personalvertretung. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der mit Wirkung vom 30. Juni 2017 festgestellten Flugdienstuntauglichkeit gemäß § 20 MTV Nr. 2 zum 31. Dezember 2017 ende.

Am 27. November 2017 fand ein Gespräch unter Beteiligung der Klägerin, eines Mitglieds der Personalvertretung und einer Mitarbeiterin aus dem HR-Management Kabine statt. Thema war der Einsatz der Klägerin im Bereich „Service Agent Check-In“ im Schichtdienst, wozu ein Ausdruck von Stellenangeboten vorlag. Diesen Einsatz schlossen bei dem Gespräch beide Parteien wegen des Schichtdienstes und der Vergütung aus.

Am 1. August 2017 ging beim Arbeitsgericht und 14 Tage später beim Arbeitgeber die Klage der Mitarbeiterin ein. Sie richtete sich gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2018. Die Klägerin vertrat darin die Ansicht, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht kraft auflösender Bedingung gemäß § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV Nr. 2 geendet sei. Die auflösende Bedingung trete nicht allein aufgrund der festgestellten Flugdienstuntauglichkeit ein, sondern nur dann, wenn keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem Bodenarbeitsplatz bestehe.

Zur Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, noch vor der Unterrichtung über den Beendigungseintritt ein bEM durchzuführen. Dies sei nicht erfolgt. Das stattgefundene Gespräch von lediglich zehn Minuten habe den an ein ordnungsgemäßes bEM zu stellenden Anforderungen nicht genügt. Die Beklagte habe nur ein Stellenangebot im Bereich Service Agent Check-In vorgelegt, das Schichtdiensttauglichkeit erfordert habe.

Die an dem Gespräch beteiligte Mitarbeiterin des HR-Management Kabine habe das Angebot im Hinblick auf die Vergütung als indiskutabel bezeichnet und der Klägerin davon abgeraten. Das am Gespräch beteiligte Mitglied der Personalvertretung habe auf Trainerstellen verwiesen, die u.a. als reine Bodenarbeitsplätze angeboten würden. Darauf sei die Mitarbeiterin des HR-Management nicht näher eingegangen, sondern habe lediglich erwidert, solche Stellen könnten nicht angeboten werden.

Was wollte die Klägerin mit ihrer Klage erreichen?

Neben der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der auflösenden Bedingung gemäß § 20 Nr. 1 Buchst. a MTV Nr. 2 zum 31. März 2018 beendet sei, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Darin wollte sie festgestellt sehen,

  • Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie
  • Führung und
  • Leistung.

Wie haben die Gerichte darauf reagiert?

Sie gaben der Klägerin jedenfalls im für die Revision relevanten Teil recht. Laut BAG haben die Vorinstanzen der Klage auch hinsichtlich der mit dem Klageantrag begehrten Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses zu Recht stattgegeben. Der Antrag sei zulässig und insbesondere im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, auch wenn der Endzeitpunkt des Beurteilungszeitraums nicht in den Antrag aufgenommen worden war. Die Beklagte selbst habe sich zuletzt nur noch auf den 31. März 2018 als Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses berufen. Als Endzeitpunkt des Beurteilungszeitraums komme daher nur dieses Datum in Betracht.

Darüber hinaus sei der Zeugnisantrag begründet.

  • Zum einen aufgrund der erforderlichen Triftigkeit des Grundes. Ihn sieht das BAG in der für die Dauer der festgestellten Flugdienstuntauglichkeit erforderlichen Änderung der Tätigkeit und dem damit verbundenen Vorgesetztenwechsel.
  • Zum anderen in der sich daraus ergebenden vertraglichen Nebenpflicht zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Sie ergebe sich, da tarifliche Regelungen nicht bestehen. Eine solche Verpflichtung setze voraus, dass der Arbeitnehmer aus einem triftigen Grund auf ein Zwischenzeugnis angewiesen ist. Das nimmt das BAG u.a. dann an, wenn der Arbeitnehmer das Zwischenzeugnis wegen der bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Bewerbungszwecken benötige, der Vorgesetzte wechsele oder die Tätigkeit sich ändere. Nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach Ende der Laufzeit eines befristeten Vertrags kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nur ein Abschluss-Zeugnis beanspruchen. Streiten die Parteien aber gerichtlich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bestehe ein triftiger Grund für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Dieser Grund entfalle erst mit rechtskräftigem Abschluss des Beendigungsrechtsstreites.

Was beachten Sie als Arbeitgeber bei der Ausstellung eines Zwischenzeugnisses?

Das Zwischenzeugnis entspricht grundsätzlich dem Endzeugnis bezüglich:

  • Form,
  • Aufbau und
  • Inhalt.

Es weist zum Endzeugnis folgende Unterschiede auf:

  • Es trägt die Überschrift „Zwischenzeugnis“.
  • Es ist in der Gegenwart, also im Präsens, verfasst; denn das Arbeitsverhältnis dauert ja noch an. Lediglich zur Beschreibung zurückliegender, abgeschlossener Aufgabenbereiche bedienen Sie sich der Vergangenheitsform.
  • Eine endgültige Schlussformulierung fehlt.
  • Soll das Zwischenzeugnis gut ausfallen, können Sie jedoch zum Ausdruck bringen, dass Sie als Arbeitgeber sich eine dauerhafte Fortsetzung der bisherigen guten, gerne auch „sehr“ guten, und erfolgreichen Zusammenarbeit wünschen.
  • In der Regel werden Sie im Zwischenzeugnis außerdem den Grund für die Ausstellung nennen, z. B. ein Vorgesetzten- oder Arbeitsplatzwechsel.

Schaffen Sie als Arbeitgeber mit dem Zwischenzeugnis eine Vorgabe für ein Endzeugnis?

Das kann durchaus sein. Ein einmal erteiltes Zwischenzeugnis kann eine gewisse Bindungswirkung für ein späteres Endzeugnis entfalten. Dies ist im Einzelfall davon abhängig, welche Zeitspanne zwischen dem Zwischenzeugnis und dem Endzeugnis liegt. Erteilen Sie das Endzeugnis nur wenige Monate nach dem Zwischenzeugnis, geht man in der Regel davon aus, dass sich die Leistungen Ihres Arbeitnehmers in der Zwischenzeit nicht wesentlich verschlechtert haben. Je länger das Zwischenzeugnis jedoch zurückliegt, desto mehr schwächt sich die Bindungswirkung ab. Haben Sich zwischenzeitlich Aufgabengebiet oder Tätigkeitsbereich Ihres Arbeitnehmers geändert oder begründen sonstige Umstände eine andere Bewertung Ihres Mitarbeiters, entfällt die Bindungswirkung vollständig.

Autor*in: Franz Höllriegel