Aktuelles aus dem Umweltrecht
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz hat heftige Wellen geschlagen und zeigt, auf welchen Trend sich Unternehmen einstellen müssen: Gesetze und Verordnungen werden in Zukunft noch herausfordernder in der Umsetzung und die Gerichte werden in ihren Entscheidungen verstärkt Umwelt- und Klimaaspekte berücksichtigen. Damit Sie mit Blick auf das Umweltrecht leichter agieren können, haben wir die wichtigsten Gesetzesänderungen der letzten Monate zusammengefasst.
Verfassungsrichter erzwingen langfristige Klimaschutzplanung
Die deutschen Verfassungsrichter beschlossen am 29.04.2021, dass sowohl die grundgesetzlich geschützten Freiheitsrechte als auch das Staatsziel Umweltschutz den Gesetzgeber dazu verpflichten, einen langfristigen Klimaschutzplan zu entwickeln. Insbesondere müsse es nach Ansicht der Verfassungsrichter konkrete Klimaschutzziele für die Zeit nach 2030 geben.
Ähnliche Urteile gibt es in den Niederlanden, in Frankreich und in Irland; die Rechtsprechung unterstützt dabei die Bestrebungen der EU-Kommission, den Klimaschutz voranzutreiben. Damit wird sich die bereits vorher absehbare Entwicklung hin zu einer Energieversorgung mit erneuerbaren Energiequellen in Verbindung mit einer Verbesserung der Energieeffizienz und günstigen CO2-Bilanzen weiter beschleunigen. Weiter ist davon auszugehen, dass sich die Klagefreudigkeit von Organisationen und Geschädigten weiter steigern wird.
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 24.03.2021, 1 BvR 2656/18, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20
Änderung des Klimaschutzgesetzes
In der Folge des Karlsruher Urteils wurde mit der Novelle des „Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes“ das Klimaschutzgesetz ergänzt und verschärft.
- Das Treibhausminderungsziel für 2030 wird auf 65 % und für 2040 auf mindestens 88 % Reduktion gegenüber dem Wert von 1990 erhöht.
- Die Netto-Treibhausgasneutralität muss bis 2045 erreicht werden.
- Negative Treibhausgasemissionen (sog. THG-Emissionen) sind bis 2050 zu erreichen.
- Damit die nationalen Klimaschutzziele erreicht werden können, wurden die THG-Emissionsmengen der Sektoren von 2023 bis 2030 neu festgelegt.
- Von 2031 bis 2040 gilt ein sektorenübergreifender Minderungspfad.
- Spätestens 2032 muss die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem bis 2045 eine Netto-THG-Neutralität erreicht werden kann.
- Die Rolle des Expertenrats wird gestärkt; er soll alle zwei Jahre einen Fortschrittsbericht vorlegen.
Die Bundesregierung hat zur ersten Umsetzung am 23.06.2021 ein Sofortprogramm beschlossen. Unter anderem werden 8 Mrd. Euro zur Finanzierung von Maßnahmen bereitgestellt.
Hier der Link zur Novelle des Klimaschutzgesetzes
EEG 21: Bundestag und Bundesrat wollen den Ausbau erneuerbarer Energien forcieren
Ende Juni 2021 haben Bundestag und Bundesrat umfangreiche Gesetzesänderungen zum Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen.
- Im nächsten Jahr sollen deutlich mehr Zubaumengen ausgeschrieben werden: 4 GW sind für die Windenergie vorgesehen (bisher 2,9 GW) und knapp 6 GW für die Photovoltaik (bisher ca. 2 GW).
- Gemeinden werden in Zukunft nicht nur wie bisher von Windenergieanlagen, sondern auch von PV-Freiflächenanlagen profitieren: Sie dürfen von den Betreibern 0,2 Cent für jede eingespeiste Kilowattstunde verlangen.
- Der Flexibilitätszuschlag für Strom aus Biogas wird nicht gestrichen, sondern nur auf 50 Euro je Kilowatt begrenzt.
- Bei EEG-Umlagen wird die bisherige Höchstgrenze von 30 MWh für den umlagebefreiten Eigenverbrauch aufgegeben.
- Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) wird so geändert, dass bestehende Windkraftstandorte bei Neuerrichtung von Anlagen nur insofern geprüft werden, als sich die Veränderungen im Vergleich zur bestehenden Anlage negativ auswirken können. Man erhofft sich dadurch einen Erhalt von Windkraftstandorten, wenn neue Anlagen errichtet werden. Bei Windenergieanlagen können Antragsteller vermuten, dass sich die Behörde nicht äußern will, wenn sie dies nicht innerhalb eines Monats tut. Beantragt ein Vorhabenträger dies, werden die Genehmigungs- und alle anderen Zulassungsverfahren von einer einheitlichen Stelle abgewickelt.
Flankierend dazu soll es mehr staatliche Unterstützung für Unternehmen geben. So soll es beim CO2-Preis für Öl und Gas eine Entlastung geben. Dazu ist eine Änderung der Carbon-Leakage-Verordnung geplant. Für Unternehmen mit geringem Verbrauch soll ein niedrigerer Selbstbehalt (also der Teil, für den keine Entschädigung geltend gemacht werden kann) gelten.
Tipp: Förderung nach KWKG oder nach EEG?
In Zukunft wird der Anwendungsbereich des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) nicht mehr strommengen-, sondern anlagenbezogen definiert. Entsprechend fallen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geförderte KWK-Anlagen nicht mehr in den Anwendungsbereich des KWKG. Wer Anlagen betreibt, muss sich also entscheiden, ob diese nach dem KWKG oder nach dem EEG gefördert werden sollen.
Nitrat und Grundwasser: Schon wieder Ärger mit der EU
Schon 2019 hatte der Europäische Gerichtshof die Klagemöglichkeiten von Betroffenen bei einer Nitratverunreinigung des Grundwassers deutlich ausgeweitet und mit Strafzahlungen gedroht, sollte sich Deutschland nicht mehr engagieren, Nitratwerte im Grundwasser zu senken. Aktuell droht der deutschen Regierung wieder Ungemach: Die 2020 erlassene Düngeverordnung reiche nach Ansicht der EU-Kommission nicht aus, u.a. weil belastete Gebiete falsch ausgewiesen sein sollen.
Änderungen des Verpackungsgesetzes
Nur wenige Monate nach der Verkündung des „Ersten Gesetzes zur Änderung des Verpackungsgesetzes“ folgen Änderungen, die einer Novelle gleichkommen: Zum 14.06.2021 wurde das „Gesetz zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Regelungen traten im Wesentlichen zum 03.07.2021 in Kraft.
- In § 3 des Verpackungsgesetzes gibt es eine Erweiterung der Definitionen um die Begriffe „Einwegkunststoffverpackungen“, „Einwegkunststofflebensmittelverpackungen“ und „Einwegkunststoffgetränkeflaschen“.
- Konkretisierungen und Verschärfungen der Überwachung finden sich bei den Anforderungen zur finanziellen Leistungsfähigkeit und der Organisation der Systeme.
- Bestehende Einwegkunststoffgetränkeflaschen müssen ab 2025 mindestens 25 % recycelten Kunststoff enthalten.
- Die Pfandpflicht wird auf alle Getränkeflaschen und Getränkedosen ausgedehnt.
- Bieten Restaurants Getränke und Essen zum Mitnehmen an, müssen auch Mehrwegverpackungen angeboten werden. Dies gilt auch für Lieferdienste.
Hier der Link zur Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt
Bei Photovoltaikanlagen auf negative Nebeneffekte achten
Photovoltaikanlagen liegen im Trend und werden auch massiv staatlich gefördert. Dies rechtfertigt jedoch nicht, Bewohner von Immobilien oder deren Nachbarn zu belästigen. Nachbarn müssen also nicht hinnehmen, dass sie durch Blendwirkungen gestört werden. Das zeigen zwei schon ältere Urteile: So entschied das Amtsgericht Augsburg, dass Mieter nicht hinnehmen müssen, dass Tauben um eine PV-Anlage herum nisten (Urteil vom 16.01.2017, 17 C 4796/15). Dagegen ist häufig die Blendwirkung einer PV-Anlage den Nachbarn ein Dorn im Auge. Hier entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 21.07.2017, I-9 U 35/17), dass dies an 130 Tagen für 2 Stunden täglich nicht hinnehmbar ist.
Änderungen am Entwurf des Elektro- und Elektronikgesetzes
Auch das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) wurde am 15.04.2021 vom Bundestag beschlossen. Dabei wurden gegenüber dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf auf Empfehlung des Umweltausschusses noch Änderungen beschlossen. So müssen öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger Altgeräte nicht zwingend selbst in die Sammelbehältnisse einsortieren; vielmehr kann dies auch durch die Nutzer geschehen. Diese müssen allerdings von Fachpersonal beaufsichtigt werden. Verschärft wurden die Anforderungen an von Herstellern beauftragte Bevollmächtigte. So muss z.B. eine Erreichbarkeit zu üblichen Geschäftszeiten gegeben sein.
Hier der Link zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz
Lieferkettengesetz
Am 25.06.2021 wurde vom Bundesrat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beschlossen. Unternehmen sind demnach dazu verpflichtet, festgelegte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu beachten. Bezüglich der Pflichten zur Umwelt bezieht sich das Gesetz auf das Minamata-Übereinkommen sowie auf die Basler Konvention. Wer sich in einer „überragend wichtigen geschützten Rechtsposition“ verletzt sieht, kann seine Rechte an eine Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisaton übertragen und zur Prozessführung ermächtigen. Zuständig ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Hier der Link zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Mantelverordnung
Der Bundesrat hat am 25.06.2021 der sog. Mantelverordnung zugestimmt. Aufgrund vieler strittiger Themen haben die Ausarbeitung der Verordnung und die Einigung auf die dort getroffenen Regelungen rund 15 Jahre in Anspruch genommen. Am 16.07. wurde sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Mit der Mantelverordnung werden
- die Ersatzbaustoffverordnung eingeführt,
- das Bundes-Bodenschutzgesetz und
- die Altlastenverordnung neu gefasst,
- die Deponieverordnung sowie
- die Gewerbeabfallverordnung geändert.
Ziel der Mantelverordnung ist insbesondere, die bestmögliche Verwertung von mineralischen Abfällen wie Bauschutt, Schlacken oder Gleisschotter zu gewährleisten und eine möglichst hohe Recyclingquote für mineralische Ersatzbaustoffe zu erreichen. Zugleich soll auch der Schutz des Bodens und seiner Funktionen sowie des Grundwassers erreicht werden.
Mineralische Abfälle stellen mit etwa 240 Mio. Tonnen den größten Abfallstrom in Deutschland dar. Durch Recycling oder durch die Aufbereitung von industriellen Nebenprodukten wie Schlacken und Aschen können sog. Ersatzbaustoffe gewonnen werden, deren Verwendung die knappen Ressourcen an Primärbaustoffen wie Kies oder Sand schont. Die Ersatzbaustoffverordnung formuliert nun entsprechende Anforderungen an die Herstellung dieser mineralischen Ersatzbaustoffe sowie an die Zulässigkeit des Einbaus von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke.
Die Mantelverordnung tritt zwei Jahre nach ihrer Verkündung in Kraft. Dies soll allen Akteuren genügend Zeit für die Einhaltung der neuen Regelungen geben.