17.01.2023

Lieferkettengesetz und Unternehmensgröße: Auch KMU müssen sich vorbereiten

Seit 2023 legt das Lieferkettengesetz Betrieben mit mehr als 3.000 Mitarbeitern neue Verpflichtungen auf, ab 2024 betrifft es dann Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Aber auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird sich viel ändern - wenn sie großen Unternehmen zuliefern. Dabei sind mehrere Möglichkeiten denkbar, wie die großen Kunden ihre kleineren Lieferanten in die Pflicht nehmen werden.

Lieferketten

Das Lieferkettengesetz richtet sich de jure nur an Lieferanten und Kunden ab einer bestimmten Unternehmensgröße – de facto wird sich jedoch auch für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) einiges ändern. Jedes deutsche Unternehmen sollte sich deshalb mit den Inhalten, Grundthemen und -begriffen des Lieferkettengesetzes auseinandersetzen. Nur so kann es mit seinen Kunden entlang der Lieferkette auf Augenhöhe sprechen.

Das Lieferkettengesetz in Kürze

Seit 2023 verpflichtet das Lieferkettengesetz große deutsche Unternehmen zur stärkeren Beachtung von Menschenrechten in ihren Lieferketten durch die Umsetzung definierter Sorgfaltspflichten. Im Sinne des Gesetzes bezieht sich die Sorgfaltspflicht auf die gesamte Lieferkette, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden. Unternehmen müssen zwar nicht garantieren, dass Menschenrechte in ihrer Lieferkette eingehalten werden, aber sie müssen ihr Bemühen mithilfe der Sorgfaltspflichten nachweisen.

Die Umsetzung kontrolliert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Das BAFA ist mit weitreichenden Eingriffsbefugnissen ausgestattet und kann bei Verstößen Zwangsgelder festlegen und Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen ausschließen.

Für wen das Lieferkettengesetz explizit gilt

Das Lieferkettengesetz erfasst Unternehmen jedweder Rechtsform Ausschlaggebend ist, dass Unternehmen ihre Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, den satzungsmäßigen Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben.

Weitere Bedingung: Die Anzahl der Arbeitnehmer. Mindestens 3.000 Beschäftigte braucht ein Unternehmen, um seit 2023 unter den Geltungsbereich des Lieferkettengesetz zu fallen – ab 2024 sinkt diese Beschäftigtengrenze auf 1.000 Arbeitnehmer.

Schwierig wird die Frage nach dem Geltungsbereich des Lieferkettengesetzes bei komplexen Unternehmensstrukturen, wenn also Obergesellschaften und internationale Tochtergesellschaften mit einbezogen werden. Komplex aufgebaute Unternehmen sollten sich deshalb an eine Rechtsberatung wenden, die die Unternehmensstrukturen durchleuchtet.

Wieso betrifft das Lieferkettengesetz auch kleine und mittlere Unternehmen?

Obwohl vom deutschen Lieferkettengesetz nicht explizit adressiert, wird sich auch für viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einiges ändern – für jene nämlich, die Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten zuliefern.

Denn große Unternehmen sind dazu verpflichtet, ihre direkten Zulieferer und eingekaufte Produkte und Dienstleistungen risikobasiert zu überprüfen. Je globaler Märkte und Lieferketten aufgestellt sind, desto stärker werden sie vom Gesetz betroffen sein.

Mit Folgendem müssen KMU bei ihren großen Kunden deshalb rechnen:

  • Sie werden Kontrollmaßnahmen bei ihren Lieferanten vereinbaren und durchsetzen.
  • Sie werden ggf. zu den neuen Anforderungen und Pflichten schulen.
  • Sie werden Lieferantenverträge um die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt erweitern.
  • Außerdem werden sie von Zulieferern verlangen, Präventions- oder Abhilfemaßnahmen festzulegen oder zu dokumentieren (mehr über Präventions- und Abhilfemaßnahmen lesen Sie in diesem Leitfaden zur praktischen Umsetzung des Lieferkettengesetzes).

Manches große Unternehmen schickt vielleicht jetzt schon einen Fragebogen an all seine Lieferanten und sichert sich durch geänderte Lieferantenverträge rechtlich ab. Andere wiederum werden ihre Anstrengungen (zunächst) auf jene Lieferanten konzentrieren, die in Asien oder Afrika sitzen. Deutsche Zulieferer wären dann vorerst außen vor.

Empfehlenswert ist es für jedes KMU deshalb, Kontakt mit den großen Kunden zu suchen und ein Gespür dafür zu bekommen, welches Vorgehen diese wohl verfolgen werden.

Achtung: EU-Lieferkettengesetz weitet Geltungsbereich noch einmal deutlich aus

Am 23.02.2022 hat die EU-Kommission ihren eigenen Vorschlag für ein Lieferkettengesetz vorgelegt (Proposal for a Directive on Corporate Sustainability Due Diligence). Diese EU-Richtlinie würde (mit Stand Redaktionsschluss 25.07.) deutlich mehr Unternehmen als das deutsche Lieferkettengesetz betreffen: Sie gilt für europäische Unternehmen sowie in der EU tätige Firmen aus Drittstaaten bereits ab 500 Mitarbeitenden und mehr als 150 Mio. Euro Umsatz weltweit.

Risikobranchen, in denen das Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt besonders hoch ist, müssen ihre Lieferketten sogar bereits ab 250 Angestellten und 40 Mio. Euro Umsatz entsprechend prüfen.

Wie können KMU das Lieferkettengesetz umsetzen?

Das Gesetz schreibt vor, dass Unternehmen die folgenden Sorgfaltspflichten zwingend erfüllen müssen:

1. Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§5)

Die Risikoanalyse sollte potenziell nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte über die gesamte Lieferkette erfassen. Mit Erstellung der Lieferanten-Risikomatrix dokumentiert das Unternehmen die Risikofelder beispielsweise eines Produkts aufgrund der verwendeten Rohstoffe und wird in der betroffenen Lieferkette besonders auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit achten sowie Lieferanten in die Aktivitäten zu den Sorgfaltspflichten einbeziehen.

  • KMUs können heute schon auf verfügbares externes Wissen zugreifen, z.B. auf das Menschenrechtsportal UN Global Compact oder CSR Risk Checks, um festzustellen, ob in ihrer Lieferkette besondere Risiken erkannt wurden.

2. Einrichtung eines Risikomanagements und einer betriebsinternen Zuständigkeit (§4)

Mit Einrichtung des Risikomanagements werden die Sorgfaltspflichten operativ in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen verankert.

  • KMU können unabhängig vom Geltungsbereich des Gesetzes auch hier schon Vorsorge treffen und beispielsweise die Position des Menschenrechtsbeauftragten installieren.

3. Abgabe einer Grundsatzerklärung (§6)

Die Grundsatzerklärung enthält mindestens die prioritären Risiken, die Maßnahmen, mit denen ein Unternehmen der Sorgfaltspflicht nachkommt und die Erwartungen an Beschäftigte und Zulieferer. Wichtig ist, sich hierbei auch auf international gültige Standards wie z.B. die ILO-Kernarbeitsnormen (International Labor Organisation, 10 Prinzipien des Global Compact der Vereinten Nationen, ISO 26000: Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung) zu beziehen.

  • KMU können bei ihren großen Kunden oder im Markt übergreifend recherchieren, welche Erwartungshaltungen in einem bestimmten Geschäftsfeld an die Zulieferer gestellt werden und sich dann präventiv auf die zu erwartenden Maßnahmen einstellen.

4. Verankerung von Präventionsmaßnahmen (§6)

Präventionsmaßnahmen können sehr vielfältig ausgestaltet werden. Das Gesetz sieht vor, dass in den als Risiko identifizierten Kategorien geeignete Präventionsmaßnahmen einzuführen sind.

  • Neben den Vertragsgestaltungselementen sollten zielorientierte Beschaffungsrichtlinien im Einkauf und Produktmanagement installiert werden. Dabei ist risikobasiert zu überprüfen, ob die Maßnahmen auch tatsächlich in das Tagesgeschäft einfließen. Schulungen zu bestimmten Risikogebieten und -materialien gelten als ein wichtiger Präventionsbaustein.

5. Einrichtung von Abhilfemaßnahmen (§7) und Beschwerdeverfahren (§8)

Unternehmen haben bei Kenntnis einer Menschenrechtsverletzung im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern sofort Abhilfemaßnahmen einzuleiten und diese sorgfältig zu dokumentieren. Ein Beschwerdeverfahren muss jedes Unternehmen einrichten, damit Betroffene die Möglichkeit haben, auf Verletzungen der Menschenrechte hinzuweisen.

  • KMUs können sich externen Beschwerdeverfahren angliedern. Hier hilft oft auch die Recherche bei großen Kunden oder in Branchenverbänden.

6. Dokumentation und Berichterstellung (§10)

Jährlich müssen große Unternehmen einen Bericht über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten einreichen. Derzeit erarbeitet das BAFA strukturierte Fragebögen, die über ein Internetportal elektronisch eingereicht werden müssen.

Als Grundsatz für die Umsetzung des Gesetzes gilt, dass Unternehmen die Sorgfaltspflicht angemessen bewerten und erfüllen und danach Prioritäten setzen. Entscheidungskriterien sind die Höhe des Risikos, das Verursacherprinzip und die eigenen Einflussmöglichkeiten. Heute schon ist absehbar, dass Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten genau nachkommen werden, um negative Konsequenzen wie Reputationsschäden bei Investoren, Geschäftspartner und (zukünftigen) Mitarbeitenden zu vermeiden.

  • Demzufolge müssen auch KMUs damit rechnen, dass Geschäftspartner in Zukunft zusätzliche Transparenz und Nachweise anfordern, um die Erfüllung der eigenen Sorgfaltspflichten zu belegen.

Fazit Lieferkettengesetz und KMU

In jedem Fall gilt: Betroffene Unternehmen – sowohl große als auch kleine – sollten bereits jetzt aktiv werden, konkret:

  • sich einen Überblick über die eigenen Lieferketten verschaffen,
  • Lieferanten priorisieren,
  • alle internen Verantwortlichen sowie die eigenen Zulieferer mit ins Boot holen,
  • sich Netzwerken anschließen und
  • sich ggf. nach Lösungen umsehen, die ihnen bei der Umsetzung helfen.

Das Lieferkettengesetz erscheint vielleicht kompliziert in der Umsetzung, bietet aber auch große Chancen enger Partnerschaften und einer nachhaltigen Veränderung. Jedes Unternehmen kann zukünftig positiv dazu beitragen, dass Menschenrechte als Standard der globalen Lieferkette festgelegt und umgesetzt werden.

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Autor*innen: WEKA Redaktion, Petra Cremer (Petra Cremer hilft Unternehmen als Corporate Sustainability Expertin dabei, nachhaltige Strategien, Geschäftsmodelle und Portfolios zu gestalten. In den 27 Jahren ihrer Beratertätigkeit hat sie bereits zahlreiche Transformationsprozesse sowohl größerer als auch kleinerer Firmen erfolgreich begleitet.)