EU-Richtlinie 2024/1203 bringt neue strafrechtliche Risiken für Unternehmen
Straftaten im Umweltschutz sind keine Kavaliersdelikte, sondern können harte Strafen für Unternehmerinnen und Unternehmer nach sich ziehen. Dies wird angesichts der neuen EU-Richtlinie 2024/1203, die bis zum 21.05.2026 in das deutsche Strafrecht übernommen werden muss, noch einmal klar: 11 neue Straftatbestände sowie ein neuer Sanktionskatalog machen eine grundlegende Risikoanalyse erforderlich. Und noch ist nicht klar, ob es bei der Übernahme in deutsches Strafrecht zu Verschärfungen kommen wird.
Die neuen Regelungen der EU-Richtlinie 2024/1203/EU werden nach der Übernahme in deutsches Strafrecht bis spätestens zum 21.05.2026 eine deutliche Verschärfung des Umweltstrafrechts darstellen. Unternehmen sollten angesichts von 11 neuen Straftatbeständen und einem neuen Sanktionskatalog die Risiken analysieren und ggf. Veränderungen vornehmen, um nicht ins Visier der Strafverfolgungsbehörden zu geraten.
Neue Umweltstraftatbestände in die Risikoanalyse integrieren
Der bisherige Straftatenkatalog wird erheblich erweitert. In einer Risikoanalyse ist zu prüfen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Ereignisse und Maßnahmen strafrechtlich relevant sein können.
- So muss das deutsche Strafrecht ab dem 21.05.2026 die ungenehmigte Errichtung von Bauten, die Eingriffe in die Natur und Landschaft darstellen, sowie den ungenehmigten Abbau von Bodenschätzen strafrechtlich verfolgen. Eine Straftat liegt allerdings nur vor, wenn ein erheblicher Umweltschaden vorliegt oder droht.
- Ebenso kann die illegale Entnahme von Oberflächen- oder Grundwasser eine Straftat darstellen. Die Regelung zielt neben der Erhaltung des ökologischen Zustands von Gewässern darauf ab, vorhandene Gewässermengen nicht unkontrolliert zu verringern und die Trinkwasserversorgung sicherzustellen.
- Auch der Umgang mit gefährlichen Abfällen ist im Straftatenkatalog neu geregelt. Rechtswidrige Handlungen im Umgang stellen, sofern die Menge nicht unerheblich ist, eine Straftat dar. Dies gilt auch für Händler und Makler. Ab wann eine Menge nicht mehr „unerheblich“ ist, misst sich an der Gefährlichkeit bzw. Toxizität der Materialien und Stoffe.
- Wie schon in der Vorgängerrichtlinie 2008/99/EG gilt für andere – also nicht als gefährlich eingestufte – Abfälle, dass der rechtswidrige Umgang dann eine Straftat darstellt, wenn erhebliche Schäden für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit verursacht wurde bzw. hätte verursacht werden können.
Weitere wichtige neue Straftatbestände sind das Inverkehrbringen von umweltschädlichen Erzeugnissen, Verstöße gegen Rechtsvorschriften über Chemikalien und Quecksilber, illegaler Holzhandel und das illegale Recyceln von Schiffen.
Neuer Sanktionen-Katalog
Neben den neuen Straftatbeständen führt die EU-Richtline (2024/1203) erstmalig einen Sanktionen-Katalog ein, der für eine Risikoanalyse relevant ist.
- Werden Strafzahlungen erhoben, bezieht sich deren Höhe auf den Gesamtumsatz, der weltweit erzielt wird. Als Mindestsumme sind 3 % (mindestens 24 Mio. Euro) festgelegt.
- Unternehmen kann auferlegt werden, den ursprünglichen Zustand der Umwelt wieder herzustellen oder Schadensersatz zu leisten.
- Ebenso kann eine Sanktion der Ausschluss von öffentlichen Projekten sein. In diesem Fall darf das Unternehmen nicht mehr an Ausschreibungen teilnehmen und keine Beihilfen beziehen und erhält keine Genehmigungen und Lizenzen.
- Ebenso können Genehmigungen und Zulassungen entzogen werden.
Damit über die zukünftigen Aktivitäten eines verurteilten Unternehmens Transparenz herrscht, kann es zur Einführung eines Compliance-Systems verpflichtet werden.
Stärkung der Ermittlungsbehörden
Die EU-Richtlinie 2024/1203 enthält auch Regelungen, die den Strafverfolgungsbehörden ihre Arbeit erleichtern sollen. So sind die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, die Behörden angemessen auszustatten, damit eine wirksame Ermittlungsarbeit möglich ist, z.B. mit erweiterten Ermittlungsbefugnissen. Diese beziehen sich insbesondere auf die Bekämpfung organisierter Kriminalität und schwere Straftaten. Auch ist den Mitgliedsstaaten erlaubt, die Verjährungsfristen anzuheben, um ausreichend Zeit für Ermittlungen zu geben.
Mögliche Veränderungen bei der Umsetzung der EU-Richtlinie (2024/1203) in deutsches Strafrecht
Der Gesetzgebungsprozess bei der Übernahme in das deutsche Strafrecht sollte genau verfolgt werden, um böse Überraschungen zu vermeiden: Die EU-Richtlinie (2024/1203) enthält nämlich nur Mindeststandards. Die Mitgliedsstaaten und damit Deutschland sind also frei, schärfere Regelungen zu erlassen. Noch unklar ist allerdings, wie die Umsetzung einer „qualifizierten Straftat“ erfolgen wird. Diese soll festgestellt werden, wenn die Umwelt zerstört oder irreversibel geschädigt wurde. Dann drohen Gefängnisstrafen von mindestens 8 Jahren. Noch höher fällt die Gefängnisstrafe aus, wenn durch eine Straftat Menschen ums Leben kommen: Hier drohen mindestens 10 Jahre Gefängnis.
Die EU-Richtline 2024/1203:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32024L1203