EU-Rat beschließt die EU-Lieferkettenrichtlinie in entschärfter Form
Lange verhandelt, fast zu den Akten gelegt, nun kommt es doch: Für die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) hat sich im Ausschuss der ständigen Vertreter des EU-Rats trotz der Enthaltung Deutschlands eine Mehrheit gefunden. Möglich wurde dies durch eine Entschärfung der Vorschriften und eine deutliche Absenkung der Anzahl betroffener Unternehmen. Doch in einem Punkt müssen deutsche Unternehmen, die dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz unterliegen, mit einer Verschärfung rechnen.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) soll die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in den Lieferketten europäischer Unternehmen sicherstellen. Ebenso soll der Import von Produkten aus Drittländern nicht zu Kinderarbeit oder Umweltschäden in diesen Ländern führen. Noch im Dezember 2023 schien die Verabschiedung eine Formsache zu sein. Der plötzliche Widerstand der FDP und die daraus folgende Enthaltung der Bundesregierung im Ausschuss der ständigen Vertreter des EU-Rats schienen das Ende der Richtlinie zu bedeuten. Doch zur Überraschung vieler konnte die belgische EU-Ratspräsidentschaft dennoch eine Mehrheit organisieren – dies allerdings um den Preis einer deutlichen Entschärfung der Vorschriften.
Wesentliche Vorschriften der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
Nach Inkrafttreten der geplanten Richtlinie sind Unternehmen verpflichtet, mögliche negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Umwelt und Menschenrechte zu ermitteln. Diese sind zu verhindern oder zu mildern. Ebenso müssen CSDDD-Unternehmen ihre Lieferanten auf Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards überwachen. Von dieser Überwachung betroffen sind darüber hinaus auch weitere Mitglieder der betrieblichen Wertschöpfungskette, z.B. Transportunternehmen und Unternehmen der Abfallwirtschaft.
Geltungsbereich: weniger Unternehmen unterliegen der EU-Richtlinie
Im bisherigen Entwurf des EU-Lieferkettenrichtlinie war vorgesehen, dass die Regelungen für Unternehmen ab 500 Mitarbeitende gelten. Diese Schwelle liegt nun bei 1.000 Mitarbeitenden. Ebenso wurde die Umsatzschwelle von 150 Mio. Euro auf 450 Mio. Euro angehoben. Schließlich bekommen die meisten betroffenen Unternehmen mehr Vorbereitungszeit: Die Vorschriften treten erst nach insgesamt fünf Jahren vollständig in Kraft. Für den Geltungsbereich außerhalb der EU soll die EU-Kommission eine Liste mit betroffenen Unternehmen erstellen. Hier sind die Umsätze, die in der EU erzielt werden, relevant (ab 450 Mio. Euro). Politik und Verbände gehen allerdings davon aus, dass auch viele kleinere Unternehmen, die Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind, von Berichtspflichten betroffen sein werden.
Risikosektoren sind vom Tisch
Gestrichen wurden die sog. Risikosektoren. Damit werden Wirtschaftszweige wie z.B. Landwirtschaft oder die Textilindustrie definiert, in denen das Risiko für Menschenrechtsverletzungen höher als in anderen Branchen bewertet wird. Für Unternehmen in diesen Risikosektoren hätten die Vorschriften des EU-Lieferketterichtlinie bereits bei einer niedrigeren Mitarbeitendenzahl gelten können. Dies ist nun vom Tisch.
Achtung
Weiterhin ist vorgesehen, dass Unternehmen, die von Menschenrechtsverletzungen profitieren, vor europäischen Gerichten verklagt werden können. Die Haftungssumme kann bis zu 5 % des weltweiten Umsatzes betragen. Damit stellt die EU-Richtlinie in diesem Punkt eine Verschärfung gegenüber dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) dar: Dort ist eine Haftung von Unternehmen bei Sorgfaltspflichtverletzungen ausgeschlossen. Allerdings drohen in Deutschland Geldbußen bis zu 2 % des Jahresumsatzes und ein zeitweiser Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen (bis zu drei Jahre).
So geht es weiter
Im nächsten Schritt muss der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments über den beschlossenen Text beraten, bevor voraussichtlich im April das EU-Parlament darüber abstimmen kann. Eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Die Umsetzung wird vermutlich folgenden Zeitplan vorsehen:
- Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von mehr als 1.500 Mio. Euro, müssen die Vorschriften innerhalb von drei Jahren umsetzen.
- Vier Jahre Zeit für eine Anpassung haben Unternehmen, die über 3.000 Mitarbeitende beschäftigten und mindestens 900 Mio. Euro umsetzen.
- Nach Ablauf von fünf Jahren müssen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 450 Mio. Euro eine Umsetzung vorweisen können.
Experten schätzen, dass ca. 5.400 europäische Unternehmen direkt von den Vorschriften der EU-Lieferkettenrichtlinie betroffen sind. Indirekt werden sich allerdings weitaus mehr an die Vorschriften halten müssen, nämlich die kleineren Unternehmen, die Teil der Lieferkette dieser Unternehmen sind.
Laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist jedes zweite Unternehmen in Deutschland vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen.