Die EU-Abwasserrichtlinie bringt neue Pflichten und Kosten für Kommunen und Unternehmen
Nachdem die neue EU-Abwasserrichtlinie (EU) 2024/3019 am 05.11.2024 vom Rat der Europäischen Union die Zustimmung erhielt, wurde sie am 12.12.2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und trat am 01.01.2025 in Kraft. Die Umsetzung wird nicht nur für Kommunen, sondern auch für Unternehmen eine Reihe von neuen Verpflichtungen bedeuten und mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein.
Die neue Richtlinie (EU) 2024/3019 trat zum Jahreswechsel in Kraft und löst damit die bisherige EG-Richtlinie 91/271/EWG aus dem Jahr 1991 ab. Die Umsetzung muss bis Juli 2027 geschehen sein. Neben dem bisherigen Ziel, die Umwelt vor Schäden durch unzureichend behandelte Abwässer zu schützen, soll der Abwassersektor auch energie- und klimaneutral werden.
Erweiterte Herstellerverantwortung
Zur Finanzierung der Maßnahmen und als Anreiz zur Vermeidung werden mit dem Verursacherprinzip die Hersteller in die Verantwortung genommen und mit zusätzlichen Kosten belastet. Betroffen davon sind vor allem Unternehmen der Pharma- und Kosmetikindustrie. Allein die Pharmaindustrie rechnet mit Mehrkosten für die Unternehmen von 36 Milliarden Euro. Hintergrund ist, dass die neue EU-Richtlinie verschärfte Anforderungen an die Abwasserbehandlung und damit höhere Kosten für die Kommunen mit sich bringt. Insbesondere sollen mit zusätzlichen Reinigungsvorgängen in einer neuen 4. Reinigungsstufe Mikroschadstoffe aus dem Abwasser entfernt werden. Daran sollen sich die Unternehmen – unabhängig davon, ob ihr Sitz in der EU oder außerhalb ist – beteiligen. Geplant ist, dass sie für 80 % der Kosten für den Ausbau der Kläranlagen sowie für die Erhebung von Daten und für erforderliche Überwachungsmaßnahmen aufkommen sollen.
Wie die Herstellerverantwortung umgesetzt wird
Um die Hersteller zu erfassen, sollen sich diese in noch zu gründenden nationalen „Organisationen für Herstellerverantwortung“ registrieren lassen. Einmal jährlich sollen die Unternehmen diese Organisation über die Anzahl und Art der Arzneimittel, die sie in Verkehr gebracht haben, und die Gefahren, die von diesen für das Abwasser ausgehen können, informieren. Dies gilt für jedes EU-Mitglied. Es können also mehrere Registrierungen mit jeweils eigenen Meldepflichten erforderlich sein. Diese Pflicht gilt für Hersteller, die EU-weit jährlich mehr als eine Tonne Arzneimittel in den Verkehr bringen.
Zeitplan zur Umsetzung
Die neue EU-Richtlinie ist die Überarbeitung einer bestehenden Richtlinie und deshalb nicht unmittelbar rechtsverbindlich. Vielmehr muss sie innerhalb von 30 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die Bestimmungen zur Herstellerverantwortung werden nach weiteren sechs Monaten rechtsverbindlich. Auch die Kommunen stehen unter Druck:
- Mindestens 50 % der Kläranlagen in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen bis zum 31.12.2030 die Anlage bis zur 4. Reinigungsstufe ausgebaut haben. Bis 31.12.2035 sollen das alle diese Gemeinden erreicht haben.
- Eine differenzierte Regelung gilt für Gemeinden zwischen 10.000 bis 100.000 Einwohner. 50 % von ihnen sollen bis 2035 eine 4. Reinigungsstufe realisiert haben. Dies gilt jedoch nur, wenn eine Akkumulation von Mikroschadstoffen ein Risiko für die Umwelt und/oder die menschliche Gesundheit darstellt.
Sobald der deutsche Gesetzgeber die nationale Umsetzung durchgeführt hat, rechnen Experten mit einer Klagewelle von Verbänden und betroffenen Unternehmen. Der Grund: Eventuell verstößt die Richtlinie in einigen Punkten gegen das Grundgesetz, weil z.B. die Annahme, dass 66 % der Spurenstoffe von Arzneimitteln stammen, aus der Sicht der Kritiker nicht ausreichend belegt ist und von der EU-Kommission wichtige Studien zu diesem Thema nicht berücksichtigt wurden.
Pflichten gelten auch für kleinere Gemeinden
Gemäß den bisherigen EU-Vorschriften mussten Gemeinden mit einem Einwohnerwert von weniger als 2.000 ihr Abwasser nicht sammeln oder behandeln. Da etwa 43 % der europäischen Gemeinden unter diese Ausnahmeregelung fallen, tragen sie erheblich zur Verschmutzung der Gewässer bei. Deshalb sind nach neuer EU-Richtlinie Gemeinden mit einem Einwohnerwert von 1.000 oder mehr verpflichtet, die Vorschriften einzuhalten. Insbesondere sind Kanalisationen zu bauen und organische Stoffe biologisch abzubauen, bevor das Abwasser in die Umwelt eingeleitet wird.
Abwassersektor soll energie- und klimaneutral werden
Die neue EU-Abwasserrichtlinie sieht auch vor, die Treibhausgasemissionen des Abwassersektors, die heute 0,85 % aller EU-Emissionen ausmachen, zu reduzieren. Kommunale Abwasserbehandlungsanlagen müssen deshalb bis 2045 die von ihnen verbrauchte Energie selbst erzeugen.