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Schreibtipp Digitaler Minimalismus

Kein Buch mit sieben Siegeln: Onlinetexte schreiben

Papier ist geduldig. Der klickende, wischende Finger nicht. Deshalb haben Print- und Onlinetexte zwar vieles gemeinsam. Aber es gibt Unterschiede, und viele davon spielen Autoren in die Hände.

WEKA-Schreibtipp: Onlinetexte leserfreundlich schreiben

Onlinetexten ist wie Autofahren mit Automatik. Einfach komfortabler. Weil Ihre Leser nicht linear lesen, sondern an beliebigen Stellen ein- und aussteigen, müssen Sie keine weichen Übergänge zwischen den Gedanken mehr schaffen. Sie richten einfach kleine Informationshappen nebeneinander an. Kurz, schnörkellos und in leicht aufnehmbaren Einheiten. Hier sind sieben grundlegende Spielregeln.

Es gibt keine Einleitung mehr

Erinnern Sie sich an den deutschen Aufsatz? Die an den Haaren herbeigezogene Einleitung? Das quälende Hinführen zum Thema? Das verkniffene Aufsparen der besten Informationen für später?

Online ist das Anruckeln im ersten Gang so passé wie Opas Schonbezüge. Statt mühsam eine Einleitung zu komponieren, stellen Sie Ihren Informationen einfach einen Teaser oder eine kurze Zusammenfassung voran. Beides hilft den Lesern und den Suchmaschinen zu erkennen, worum es geht.

Beispiel

Ohne Gabelstapler läuft in vielen Betrieben nichts – weder in der Logistik noch in der Produktion. Da sie gewichtige Lasten transportieren, sind sie selbst Schwergewichte, mit denen sich der Mensch besser nicht anlegen sollte. Beim Umgang mit dem Gabelstapler gilt es deshalb zwingend, einige grundlegende Regeln für die Sicherheit Ihrer Kollegen zu beachten.

Tipp: Keywords einbauen

Ob Teaser oder Zusammenfassung: Die Keywords, die Sie in den ersten Absatz einbauen, finden besonders viel Beachtung. Am besten und schnellsten gelingt der erste Absatz übrigens am Schluss, wenn der Text bereits fertig ist.

Online gilt: Die Leser müssen nicht in den Text hineingeführt und wieder hinausbegleitet werden.

Wie W-Fragen-Tools Sie auf neue Gedanken bringen

Als Autorin oder Herausgeber schöpfen Sie aus der Fülle Ihres Wissens. Dennoch bedeutet es eine Herausforderung, das eigene Thema nutzerorientiert aufzubereiten. Wie soll man mit Gewissheit wissen, wo Leser stehen und welche Lösungen sie suchen?

Die Antwort darauf liefern W-Fragen-Tools wie OneProSeo oder AnswerThePublic. Wenn Sie Ihr Suchwort dort eingeben, erfahren Sie im Handumdrehen, welche Suchanfragen Nutzer im Zusammenhang mit Ihrem Keyword stellen. Ich habe es einmal mit dem Wort Storytelling ausprobiert. Das kostenlose W-Fragen-Tool liefert Antworten, die weiterhelfen. Geben Sie dort einfach das gewünschte Keyword ein und probieren es selbst aus.

Noch einen Schritt weitergegangen ist ein WEKA-Autor. Er hat einen ganzen Beitrag über neue Meldepflichten im Stil von W-Fragen aufgebaut. Gliederungspunkte seines Beitrags sind beispielsweise:

  • Wer gilt als registrierungspflichtiger Stromlieferant?
  • Wo und ab wann registrieren?
  • Was geschieht mit den Daten im Marktstammdatenregister?

Der Einsatz von W-Fragen macht Lesern wie Autoren das Leben leichter. Autoren entnehmen dem W-Fragen- Tool: Welche Fragen treiben meine Leser um, welche Infos gibt es bisher im Internet noch nicht – und wie kann ich einen Text anreichern, der zu dünn oder zu kurz ist?

Leser bekommen einen Beitrag, der punktgenau ihre wichtigsten Fragen beantwortet. Sie können die gebotenen Informationen scannen und bei jeder für sie interessanten Frage direkt einsteigen.

Tipp: W-Fragen als Checkliste, Infografik…

Sie müssen die Antworten auf W-Fragen nicht zwingend in Textform liefern. Genauso gut oder vielleicht sogar besser kann eine Checkliste die Antwort geben, eine Infografik, eine Schrittanleitung oder ein Erklärvideo.

Informationshappen machen weniger Stress – und ergeben mehr Sinn

Bleiwüsten und Fließtexte, das war mal. Onlinetexte sind luftig geschrieben, mit kurzen Absätzen, Zwischenüberschriften und Infokästen. Beim Schreiben hat das den Vorteil: Sie formulieren jeweils nur ein überschaubares Unterthema aus und müssen pro Schreibeinheit nur ganz wenige Informationen auf einmal jonglieren. Im folgenden Textausschnitt sind das: eine Zwischenüberschrift, ein Textabsatz, eine Tabelle, ein grafisch hervorgehobenes Beispiel. Nicht mehr. Die Kürze erleichtert Schreibern und Lesern den Überblick.

Leicht verdauliche Informationshappen für Onlineleser
Abb.: So sehen leicht verdauliche Informationshäppchen aus. Viel Freiraum zwischen den Infos erleichtert die Orientierung zusätzlich.

Tipp: Jeder Infohappen = eine in sich geschlossene Einheit

Entwickeln Sie jeden Informationshappen als in sich geschlossene Einheit. Wenn Leser nicht linear lesen, sondern punktuell, müssen sie alles zum Verständnis Notwendige kompakt an dieser einen Stelle finden.

Wiederholen Sie sich – mit Absicht, Fug und Recht!

Online steht jeder Informationshappen für sich allein. Er ist autark und funktioniert auch ohne Verbindung zur Außenwelt.

Für Autoren hat die neue Art der Informationsvermittlung einen Riesenvorteil. Sie müssen nicht überlegen: Wie kriege ich die Kurve von einer Info zur nächsten? Wenn Sie alles Notwendige zu einer Information gesagt haben, machen Sie einfach den Sack zu. Die nächste Information zum gleichen Thema füllen Sie in den nächsten Sack. So einfach.

Die portionierte Informationsvermittlung hat Folgen: Sie müssen sich öfter einmal wiederholen – und das ist gut so! Denn Wiederholung bahnt Wege. Nur was wir in ähnlicher Form und in neuen Verbindungen immer wieder lesen, sehen oder erleben, schlägt sich im Gehirn nieder.

Schreiben Sie, wie Sie sind: sachlich und seriös

Studien zeigen: Im Netz genießen Texte mit einer eher zurückgenommenen emotionalen Temperatur eine besonders hohe Glaubwürdigkeit. Der Grund: Jeder kann ins Internet stellen, was er will, und die Seriosität einer Quelle erschließt sich nicht immer auf den ersten Blick. Deshalb beurteilen wir Inhalte nach dem Ton, in dem sie geschrieben sind.

Die geistige Abkürzung ist sinnvoll. Zwar fällt fast jeder gelegentlich auf Clickbait-Überschriften herein: „Studie mit Haien zeigt, dass sie ein völlig überraschendes Lebewesen fressen.“ Doch natürlich wissen wir: Locküberschriften zielen auf unsere Sensationslust ab und versprechen oft weit mehr, als die Geschichten am Ende hergeben. Im Umkehrschluss verspricht ein seriöser Ton gehaltvolle, gut recherchierte Informationen.

Tipp: Testleser fragen

Die Wahl des Emotionalitätsgrads erfordert Fingerspitzengefühl. Einerseits sollen Ihre Leser Ihnen als Experte vertrauen, andererseits aber auch nicht vor Langeweile wegklicken. Am besten entwickeln Sie ein Gefühl für das richtige Maß, wenn Sie das Feedback unterschiedlicher Testleser einholen. Bedenken Sie dabei auch: Ein Fachtext erfordert einen anderen Ton als ein Werbetext.

Schreiben Sie, wie Sie sprechen: schnörkellos und dicht am Thema

Eine sachliche Schreibweise flößt Vertrauen ein. Sachlich bedeutet allerdings nicht: kompliziert, unverständlich oder trocken. Es bedeutet: Sie formulieren ohne Manipulation, Marketinggeklingel, Hype und überzogene Versprechen. Praxisnah, dicht am Arbeitsalltag Ihrer Leser, in kurzen Sätzen und durchaus mal salopp. Am besten wählen Sie bei Wortwahl, Beispielen und Detaillierungsgrad die gleiche Ebene wie in einem Seminar, einer Mitarbeiterbesprechung oder einem Kundengespräch.

Überlegen Sie, welche Emotionsindikatoren Sie in welchem Text in welcher Intensität und Häufigkeit einsetzen
Texte mit niedrigem Emotionalitätsgrad erwecken Vertrauen und wirken seriös Texte mit hohem Emotionalitätsgrad wecken Interesse und gehen viral
Superlativ Wichtige Inhalte für Arbeitsunterweisungen Arbeitsunterweisungen: 7 Tipps, die Sie kennen müssen
Ausrufezeichen Behörden warnen vor LED-Licht So gefährlich ist LED-Licht!
Appell Computer vor Hackern schützen Passwortschutz: Den Hackern keine Chance!
Plakative Wortwahl Die Firmen-Nachfolgerin Die Keks-Erbin
Manipulierende Adjektive Die Kombination aus … Die unschlagbare Kombination aus …

Tipp: So drückt sich Kompetenz aus

Kompetenz drückt sich heute in kurzen Sätzen, bekannten Wörtern und durchdachten Arbeitshilfen aus. Zum sachlichen Darstellungsstil gehört es, Themen ausgewogen, objektiv und anhand von Beispielen zu beleuchten, die entweder wahr sind – oder erkennbar ausgedacht, als didaktisches Stilmittel.

Nicht neu, aber gut: die List mit den Listen

Bei gedruckten Texten erwecken allzu viele Listen den Eindruck von Zerrissenheit – fast so, als habe jemand keine Lust gehabt, sein Thema auszuformulieren. Online entfällt dieses Problem, und zwar komplett. Im Gegenteil: Listen wirken schön strukturiert und signalisieren hohen Nutzen. Sie sind etwas für Sie,

  • wenn Sie schneller schreiben wollen.
  • wenn Sie viele gleichartige Informationen vermitteln.
  • wenn Sie Informationen besonders zur Geltung bringen wollen.
  • wenn Ihr Leser das gute Gefühl haben soll: Er bekommt alle Infos vollständig und zum Abhaken.

Tipp: Listen einheitlich aufbauen

Vereinheitlichen Sie Ansprache und Stil. Das heißt: Jeder Listenpunkt sollte nach dem gleichen grammatikalischen Prinzip aufgebaut sein. Möglichkeiten dafür gibt es viele. Aber beschränken Sie sich pro Liste bitte auf genau eine!

Impuls: Die Chancen und Mühen, immer aktuell zu sein

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Doch! Im Internet, das nichts vergisst, wird eine neue Form der Vergreisung zum Problem: Beiträge, die ihre beste Zeit hinter sich haben.

Für manche Autoren ist das Problem nicht sonderlich relevant. Texte über Zeitmanagement oder Verhandlungen in englischer Sprache zum Beispiel bleiben lange frisch und relevant. Zeitgebundene Beiträge, etwa über den Mindestlohn oder Datenschutz im Internetrecht, altern dagegen wie im Zeitraffer.

Es sei denn, Sie verhindern es. Spätestens wenn neue Bestimmungen oder Vorschriften in Kraft treten, brauchen zeitgebundene Beiträge ein kleines Lifting. Nur so bleiben sie für Ihre Leser glaubwürdig und attraktiv.

Das können Sie tun

  • Behalten Sie Ihre zeitgebundenen Beiträge im Blick.
  • Aktualisieren Sie rechtzeitig. Nichts wirkt so überholt wie ein veralteter Onlinetext!
  • Informieren Sie uns rechtzeitig über anstehende Aktualisierungen aufgrund veränderter oder neuer gesetzlicher Bestimmungen.
  • Geben Sie ein konkretes Löschdatum an, wenn Sie schon beim Schreiben absehen: Der Onlinetext wird ein Jahr später veraltet sein.
  • Versehen Sie kurze Onlinetexte wie News oder Newsletter-Beiträge mit konkreten Zeitangaben.

Beispiel für konkrete Zeitangabe im Onlinetext

nicht: „Mitte Mai“
sondern: „am 18. Mai 2020“

Speziell für Herausgeber

Behalten Sie bitte die Aktualität der einzelnen Bereiche im Auge. Manchmal lohnt es sich, einen veralteten Bereich ganz herauszunehmen und sich die Zeit für eine gründliche Überarbeitung zu nehmen.

Die Autorin

Frau Dr. Märtin schreibt Sachbücher und Ratgeber, berät in Fragen rund um Kommunikation und Wirkung und arbeitet als Trainerin für Unternehmen und Seminaranbieter. Ihr Know-how über Sprachpsychologie und Business-Kommunikation teilt sie auf ihrem Blog http://sage-und-schreibe.dorismaertin.com. Zu ihren erfolgreichsten Büchern zählen Smart talk. Sag es richtig! und Leise gewinnt.
www.dorismaertin.de