20.04.2018

Szenariotechnik: Damit bleibt Ihr Unternehmen zukunftsfähig

Ist auch das Geschäftsumfeld Ihres Unternehmens durch große Unsicherheit, hohe Komplexität und einen schnellen Wandel gekennzeichnet? Treten in immer geringeren Zeitabständen Veränderungen ein, Trendbrüche und Diskontinuitäten, auf die Ihr Unternehmen reagieren muss, um sich im Wettbewerb zu behaupten? Dann sollten Sie die Szenariotechnik einsetzen, um zielgerichtet mit diesen Veränderungen umzugehen. Wie Sie diese Methode anwenden, erfahren Sie hier anhand eines (vereinfachten) Beispiels.

Mit der Szenariotechnik können Sie zielgerichtet mit Veränderungsmöglichkeiten umgehen

Die oben genannten Umfeldbedingungen schaffen für Ihr Unternehmen ein hohes Maß an Unsicherheit. Diese erschwert nicht nur die Identifizierung von Chancen und Risiken, sondern auch Ihre strategische Qualitätsplanung. Für den Umgang mit Unsicherheit sind herkömmliche Methoden, die auf eine bloße Fortschreibung der Vergangenheit in die Zukunft gerichtet sind, jedoch nicht geeignet. Vielmehr brauchen Sie eine Methodik wie etwa die Szenariotechnik, die es Ihnen gestattet, die ganze Bandbreite potenzieller zukünftiger Entwicklungen über einen längeren Zeitraum zu betrachten und entsprechend zu bewerten.

Szenariotechnik als Antwort

Genau hier setzt die Szenariotechnik an, eine Methode zur Zukunftsprognose, die ursprünglich zur Planung der Kriegsführung entwickelt wurde. Die Szenariotechnik ermöglicht es Ihnen, über einen Betrachtungszeitraum von etwa 5 bis 20 Jahren Trends und Trendbrüche, die am Anfang naturgemäß schlecht zu strukturieren sind und deren Wirkung kaum erkennbar ist, mithilfe von Szenarien zu antizipieren. Bei Szenarien handelt es sich um in sich schlüssige alternative Zukunftsbilder. Diese Zukunftsbilder zeigen Ihnen mögliche Entwicklungen, aus denen Sie jeweils Chancen und Risiken für Ihr Unternehmen ableiten können.

Trichtermodell zur Veranschaulichung

Das Spektrum von Szenarien lässt sich anhand eines Trichters darstellen, der sich aufgrund der zunehmenden Unsicherheit in der Zukunft immer weiter öffnet. Er wird durch zwei Extremszenarien (Best Case und Worst Case) begrenzt. In der Mitte des Trichters befindet sich das Trendszenario, bei dem Sie eine stabile Entwicklung der Umwelt unterstellen.

Schritt 1: Untersuchungsgegenstand beschreiben

Beginnen Sie damit, den Gegenstand der Untersuchung bzw. das im Rahmen der Szenariotechnik zu bearbeitende Thema zu beschreiben und jene Faktoren zu identifizieren und aufzulisten, die Einfluss darauf nehmen können. Diese Faktoren werden auch Deskriptoren genannt.

Beispiel

Stellen Sie sich vor, dass Ihr Unternehmen ein Entwickler und Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien für E-Autos ist und herausfinden möchte, wie sich der europäische Markt für Elektromobilität in den nächsten 20 Jahren entwickeln könnte. Wichtige Deskriptoren sind hier z. B. die

  • Preisentwicklung bei E-Autos,
  • Präferenzen der Konsumenten,
  • Entwicklung des Weltklimas und die
  • Entwicklung der staatlichen Rahmenbedingungen.

 

Schritt 2: Einflussfaktoren beurteilen

In einem nächsten Schritt hinterfragen und bewerten Sie die Auswirkungen der Deskriptoren auf Ihr Untersuchungsobjekt und analysieren, wie sich die einzelnen Deskriptoren wechselseitig beeinflussen. Wichtig ist hier, dass Sie aus der Vielzahl der Einflussfaktoren aus dem ökonomischen, technologischen, ökologischen, gesellschaftlichen und politisch-rechtlichen Umfeld nur die wichtigsten bewerten. Die Bewertung der Deskriptoren aus unserem Beispiel könnte das folgende Bild ergeben.

Beispiel

Preisentwicklung bei E-Autos:

  • Preise sinken durch steigende Nachfrage und Subventionen.
  • Preise verändern sich nicht signifikant.
  • Preise steigen durch anziehende Rohstoffkosten.

Schwerpunkt

Präferenzen der Konsumenten:

  • Kunden steigen um auf alternative Verkehrsmittel.
  • Kunden präferieren weiterhin den Verbrennungsmotor.
  • Kunden fragen verstärkt E-Autos nach.

Entwicklung des Weltklimas:

  • Die Lage für das Weltklima entspannt sich.
  • Das Weltklima verändert sich nur unwesentlich.
  • Das Weltklima verschlechtert sich deutlich.

Entwicklung der staatlichen Rahmenbedingungen:

  • E-Autos werden durch staatliche Subventionen gefördert.
  • Alternative Antriebstechnologien werden verstärkt staatlich subventioniert.

Schritt 3: Szenarien entwickeln

Im Anschluss daran erarbeiten Sie alternative Szenarien, denen jeweils unterschiedliche Einschätzungen und Annahmen über die Zukunftsentwicklungen der Einflussfaktoren zugrunde liegen. Diese Szenarien sollten Sie möglichst detailliert beschreiben. Darüber hinaus ordnen Sie jedem Szenario eine geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeit zu. Bezogen auf unser Beispiel könnten die nachfolgende Extremszenarien entwickelt werden.

Beispiel

Szenario A (Best Case): Batteriebetriebene E-Autos werden akzeptiert und setzen sich mehr und mehr durch. Begründung: Eine drastische Erhöhung der Kohlendioxyd- und Stickoxidemmissionen lassen viele Autofahrer umdenken. Zudem kommt es vermehrt zu Fahrverboten für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Die Kfz-Steuer für diese Fahrzeuge wird deutlich erhöht, staatliche Prämien und Steuerbegünstigungen senken die Preise und Unterhaltungskosten für E-Autos.

Szenario B (Worst Case): Batteriebetriebene E-Autos werden mehr und mehr durch alternative Antriebstechniken verdrängt. Begründung: Die Rohstoffe zur Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien werden knapp, was die Herstellungskosten deutlich erhöht. Durch internationales Umsteuern gelingt es, das Weltklima zu stabilisieren. Insbesondere in Ballungszentren steigen immer mehr Kunden auf alternative Verkehrsmittel (Fahrräder und E-Bikes) um. Die technologische Entwicklung der Brennstoffzelle schreitet weiter voran.

Schritt 4: Störereignisse analysieren

Jetzt geht es für Sie darum, mögliche Störereignisse zu identifizieren. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die unverhofft auftreten und zu Entwicklungen und Trends in eine andere Richtung führen.

Beispiel

Ein mögliches Störereignis könnte eine Reihe von schweren Unfällen sein, die durch einen Batteriebrand verursacht worden sind.

Schritt 5: Szenarien interpretieren

Nachdem Sie Ihre Szenarien entwickelt haben, interpretieren Sie diese inklusive der möglichen Störereignisse im Hinblick auf Chancen und Risiken, die sich daraus für Ihr Unternehmen ergeben können.

Beispiel

Szenario A: Hier überwiegen die Chancen für Ihr Unternehmen eindeutig. Dadurch, dass das Umfeld für batteriebetriebene Fahrzeuge günstiger wird, lohnt es sich, das angestammte Geschäftsmodell beizubehalten und auszubauen, da der Absatz von E-Autos mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich steigen wird. Dies rechtfertigt auch hohe Investitionen in die technologische Weiterentwicklung der Batterien.

Szenario B: Dieses Szenario ist für Ihr Unternehmen deutlich risikobehafteter. Das Geschäftsmodell dürfte in der herkömmlichen Form kaum aufrechtzuerhalten sein. Ein strategisches Umsteuern erscheint unausweichlich. Ggf. könnte Ihr Unternehmen noch Nischenmärkte besetzen. Weitere Investitionen in das angestammte Geschäftsmodell sollten unterbleiben.

Schritt 6: Handlungsoptionen entwickeln

In einem letzten Schritt transformieren Sie das Ergebnis Ihrer Szenariostudie in Ihre strategische Planung. Dies kann bedeuten, dass Sie konkrete strategische Programme und Maßnahmen erarbeiten, aber auch, dass Sie Ihre Strategie überdenken und ggf. anpassen müssen.

Beispiel

Szenario A: Erweiterung des Entwicklungszentrums und Errichtung eines weiteren Produktionsstandortes für Batterien.

Szenario B: Fokussierung auf die Entwicklung von Brennstoffzellen oder andere alternativen Antriebstechniken. Evtl. Erschließung des Marktes für E-Bikes und Pedelecs.

 

Autor*in: Jens Harmeier