17.05.2017

QSV = Vertrag: Rechtliche Konsequenzen von Qualitätssicherungsvereinbarungen

Wenn Sie einen Mietvertrag über ein Auto oder für eine Wohnung oder einen Kaufvertrag schließen, ohne ein seitenlanges Dokument zu verhandeln, hilft Ihnen das Gesetz. Dort sind einige Vertragstypen so umfassend behandelt, dass eigentlich jede erdenkliche Situation vom Gesetz geregelt wird, auch wenn Sie mit Ihrem Vertragspartner nichts Besonderes vereinbart haben. So etwas gibt es für eine QSV nicht. Die QSV ist in keinem Gesetz erwähnt.

Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV)

Ziele einer QSV

Früher, vor der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002, galt in Deutschland eine Gewährleistungsfrist, heute Mängelhaftungsfrist genannt, von sechs Monaten. Das war aus Sicht eines Käufers, der später Ansprüche wegen eines Mangels geltend machen wollte, doch arg kurz. Schadensersatz gab es zudem nicht bei jeglichem Schaden, der durch einen Fehler an der Sache entstanden ist, sondern nur dann, wenn der Verkäufer/Lieferant/Auftragnehmer eine bestimmte Eigenschaft der Sache zugesichert hatte, die dann jedoch fehlte, und deswegen ein Schaden verursacht wurde. Heute nennt man so etwas eine (Beschaffenheits-)Garantie.

Weil also die Gewährleistungsfrist sehr kurz war und man Schadensersatz nur bei zugesicherten Eigenschaften bekam, musste man sich etwas einfallen lassen. Die Lösung war die QSV. Hierin wurden nicht nur zu beachtende Qualitätsstandards festgelegt, sondern auch Regelungen getroffen, die die zeitlich und inhaltlich stark begrenzte Haftung eines Verkäufers auf Schadensersatz bei Mängeln erweiterten.

Früher: Haftungszuweisungsvereinbarung

Die ersten QSV enthielten typischerweise die folgenden Bestimmungen, die die Haftung des Verkäufers gegenüber der Haftung nach Gesetz erheblich erweitern sollten:

  • Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf mindestens zwei Jahre oder auch weit darüber hinaus
  • Garantie des Vorliegens aller in der Spezifikation, in dem Pflichtenheft oder sonstwo vereinbarten Eigenschaften
  • Schadensersatz bei Fehlen irgendeiner Eigenschaft, nicht nur bei Fehlen von bestimmten zugesicherten Eigenschaften
  • Übernahme von Kosten bei Auftreten von Fehlern, oftmals zusätzlich eine Art Handlingpauschale für den internen Aufwand des Käufers
  • Vertragsstrafen oder pauschaler Schadensersatz bei verspäteten Lieferungen
  • Übernahme von Kosten eines Rückrufs

Heute: Fehlervermeidungsvereinbarung

Mit der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 ist die gesetzliche Haftung eines Verkäufers/Auftragnehmers erweitert worden, wenn ein Fehler einen Schaden verursacht. Ein Verkäufer haftet für jeden durch einen Fehler verursachten Schaden, nicht mehr nur bei zugesicherten Eigenschaften/Beschaffenheitsgarantien. Er kann der Haftung nur entgehen, wenn er vorträgt und in Zweifelsfällen auch in einem Gerichtsverfahren beweisen kann, dass ihn kein Verschulden an dem Eintritt des Schadens trifft. Hinzu kommt, dass die vorherige kurze sechsmonatige Frist für die Mängelhaftung auf zwei Jahre verlängert wurde. Damit ist der frühere Grund für eine QSV in wesentlichen Punkten entfallen.

Eigentlich könnte man eine QSV jetzt stark kürzen. Man müsste in einer QSV nur noch Bestimmungen zur Sicherstellung der Fehlerfreiheit und der Qualität sowie der Ausgestaltung der einzelnen Produktionsschritte und Qualitätsstandards regeln. Ganz so schnell sind die Unternehmen jedoch nicht. Zudem tut man sich schwer, aus Verträgen Klauseln zu streichen, die einem als Abnehmer Rechte verschaffen. Deswegen werden Sie auch heute noch in QSV auf viele Klauseln treffen, die die Haftung des Lieferanten regeln und gegenüber der gesetzlichen Haftung erweitern.

QSV = Vertrag

Eine QSV ist ein Vertrag. Aber er ist auch nach der Schuldrechtsreform nirgends im Gesetz erwähnt. Er ist also ein Vertrag „eigener Art“, für den es kein Vorbild im Gesetz gibt. Allerdings kann man zum Teil, je nach konkreter Ausgestaltung der einzelnen QSV, auf gesetzliche Regelungen zurückgreifen und diese analog anwenden, z.B. kann man, wenn die QSV keine Kündigungsfristen enthält, auf gestaffelte Kündigungsfristen zurückgreifen, wie man sie aus dem Mietrecht oder beim Handelsvertreter kennt.

Eine QSV ist ein sogenanntes Dauerschuldverhältnis mit Langzeitcharakter. Das Gegenteil hierzu wäre ein Vertrag über einen einmaligen Leistungsaustausch, z.B. wenn Sie etwas an einem Kiosk kaufen. Dauerschuldverhältnisse lassen dagegen permanent wechselseitige Pflichten entstehen, nicht nur zur Lieferung von bestimmten Sachen, sondern auch viele Nebenpflichten, die ganz generell darauf abzielen, die berechtigten Interessen des Vertragspartners zu berücksichtigen und zu schützen. Zudem resultieren hieraus, auch wenn dies nicht ausdrücklich in der QSV vereinbart ist, Informationspflichten, z.B. wenn man die Rezeptur der Ware oder sonstige Produktionsparameter ändert.

Formen von QSV in der Praxis

Theoretisch wäre es denkbar, eine QSV mündlich abzuschließen. In der Praxis hat es das jedoch wohl noch kaum gegeben. Jegliche QSV dürfte zumindest schriftlich abgefasst sein. Ein darüber hinausgehendes Formerfordernis (z.B. notarielle Beurkundung) besteht nicht.

Eine QSV kommt in den folgenden Formen vor:

  • eigenes Vertragswerk
  • Teil von Rahmen-, FuE-, Werk- oder Lieferverträgen, „versteckt“ in einem eigenen Abschnitt, „offen“ mit eigener Überschrift oder als Anlage zu solchen Verträgen
  • Teil von Einkaufs- oder Verkaufs-AGB
  • Teil von Qualitätshandbüchern, Richtlinien u.Ä.
  • oder in jeder anderen denkbaren Form, der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

QSV = Annex zu Kaufvertrag oder Werkvertrag

Meistens dürfte die QSV die Herstellung und Lieferung einer Sache betreffen. Der QSV liegt dann also ein Kaufvertrag zugrunde, der im Gesetz in §§ 433 ff. BGB geregelt ist.

Sitzt der Vertragspartner im Ausland, ist stets zu prüfen, ob neben §§ 433 ff. BGB auch das UN-Kaufrecht eingreift.

Wenn in der Geschäftsbeziehung keine (Standard-)Sache geliefert wird, sondern der Auftragnehmer ein individuelles Werk nach den Vorgaben des Kunden schafft, liegt ein Werkvertrag i.S.v. §§ 631 ff. BGB vor.

Unterschiede Kauf- und Werkvertragsrecht

Früher waren die gesetzlichen Regelungen in Kauf- und Werkvertrag durchaus unterschiedlich. Im Rahmen der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 ist die Mängelhaftung im Wesentlichen gleichgeschaltet worden. Einige Unterschiede sind dennoch verblieben:

Die Wahl zwischen der Lieferung einer fehlerfreien Sache und der Reparatur der fehlerhaften Sache hat beim Kaufvertrag der Käufer, beim Werkvertrag der Unternehmer.

Im Kaufvertrag gibt es kein eigenes Recht des Käufers, den Mangel selbst auf Kosten des Verkäufers zu beseitigen. Ein solches Recht zur sogenannten „Selbstvornahme“ verbunden mit dem Anspruch auf Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen existiert nur im Werkvertragsrecht.

Im Kaufrecht beginnt die Mängelhaftungsfrist mit der Ablieferung, im Werkvertragsrecht mit der Abnahme.

Autor*in: Dirk Mecklenbrauck