QM-Dokumentation nach ISO 9001:2015: QM-Handbuch adieu?
Eine der am meisten ersehnten Änderungen der neuen ISO 9001 war wohl das Wegfallen des QM-Handbuchs. Auch wenn in der Praxis sicherlich viele Handbücher erhalten bleiben werden, bietet es sich an, die neue Freiheit zu nutzen und über eine sehr schlanke Dokumentation nachzudenken. Erfahren Sie mehr über die konkreten Anforderungen der ISO 9001:2015 an die QM-Dokumentation.
Anforderungen der ISO 9001:2015 an die Dokumentation des QM-Systems
In Abschnitt 7.5 der ISO 9001:2015 werden verschiedene Anforderungen im Hinblick auf die Erstellung, Aktualisierung und Lenkung von qualitätsbezogenen Unterlagen – in der Normensprache „dokumentierte Information“ genannt – erhoben. Diese ergeben in ihrer Gesamtheit die QM-Dokumentation.
Anforderungen beziehen sich insbesondere auf die Kennzeichnung, das Format, die Überprüfung, die Genehmigung und die Lenkung von Dokumenten.
Nutzen einer QM-Dokumentation
Eine aussagekräftige QM-Dokumentation sollte nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Normforderungen gesehen werden. Sie bringt dem Unternehmen darüber hinaus einen hohen Nutzen, sowohl unternehmensintern als auch gegenüber Dritten.
Dokumentierte Information
In der ISO 9001:2015 wird der Terminus „dokumentierte Information“ als Sammelbegriff für alle qualitätsbezogenen Dokumente verwendet, die sich in zwei Klassen unterteilen lassen: in Qualitätsanforderungsdokumente und Qualitätsaufzeichnungen.
Bei Qualitätsanforderungsdokumenten handelt es sich um qualitätsrelevante Unterlagen, in denen bestimmte Vorgaben oder Sollzustände in Bezug auf das QM-System, die qualitätsbezogenen Prozesse sowie die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens darzulegen sind.
Qualitätsaufzeichnungen dienen dem Nachweis der Qualitätsfähigkeit des QM-Systems bzw. des Unternehmens.
Dokumentation des QM-Systems
Ein wichtiges Qualitätsanforderungsdokument ist der Anwendungsbereich für das QM-System, der gemäß Normabschnitt 4.3 festzulegen ist. Der Anforderungsbereich umfasst mindestens die folgenden Aspekte:
- die Prozesse und deren Wechselwirkung, auch ausgegliederte Prozesse und deren Schnittstellen zu den internen Prozessen,
- Zweck und Tätigkeiten des Unternehmens (Scope), was auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens beinhaltet,
- die geografische Ausdehnung des QM-Systems, also die Standorte, und
- die vom QM-System erfassten Produkte und Dienstleistungen und die Art der Bereitstellung
Ein bedeutendes Hilfsmittel zur grafischen Darstellung der Aufbauorganisation des Unternehmens bzw. des QM-Systems ist das Organigramm, in dem die organisatorischen Einheiten sowie deren Aufgabenverteilung und Kommunikationsbeziehungen ersichtlich werden.
Um die Prozesse und deren Wechselwirkungen zu visualisieren, empfiehlt es sich im Rahmen einer systematischen Prozessanalyse, alle qualitätsbezogenen Prozesse in einer sogenannten Prozesslandschaft zu gruppieren.
Schnittstellen in der Organisation lassen sich nur eindeutig regeln, wenn es klare Festlegungen für die Abgrenzung und den Übergang von Verantwortungen gibt. Diese lassen sich z.B. in einer Verantwortungsmatrix darstellen.
Ein weiteres bedeutendes Qualitätsanforderungsdokument ist die Funktionsbeschreibung, mit der die qualitätsrelevanten Funktionen und die sich daraus ergebenden Aufgaben, Anforderungen und Kompetenzen beschrieben werden.
Die Erarbeitung der Qualitätspolitik und der Qualitätsziele obliegt der Geschäftsleitung des Unternehmens.
Während die Qualitätspolitik in groben Zügen beschreibt, was das QM-System des Unternehmens leisten soll und welche allgemeinen qualitätsrelevanten Ziele das Unternehmen verfolgt, handelt es sich bei den Qualitätszielen nicht um allgemeine Zielsetzungen, sondern um messbare und damit überprüfbare Ziele, die sich auf ein bestimmtes Zeitfenster beziehen.
Dokumentation von Prozessen und Teilprozessen
Auf der Ebene der Dokumentation von Prozessen und Teilprozessen werden in Prozessbeschreibungen Vorgaben für die qualitätsbezogenen Prozesse im Unternehmen festgelegt und die jeweiligen Randbedingungen, die von den Auszuführenden einzuhalten sind, definiert.
Eine weitere Möglichkeit zur Visualisierung eines Prozesses ist das Turtle-Diagramm, auch Schildkrötendiagramm genannt (engl. turtle = Schildkröte), bei dem sich die Prozessdarstellung an der Form einer Schildkröte orientiert.
Vorlage „Turtle-Diagramm zur Prozessdokumentation“ downloaden
Bedeutende Qualitätsanforderungsdokumente auf der Ebene der Teilprozesse sind Arbeitsanweisungen. Dabei handelt es sich um eine Dokumentation von wiederkehrenden Arbeitsabläufen (Teilprozessen), um eine einheitliche, fehlerfreie und nachvollziehbare Durchführung sicherzustellen, unabhängig von der auszuführenden Person.
Checklisten sind Fragenkataloge, die sich auf bestimmte Untersuchungsgegenstände, z.B. bestehende Systeme, Konzepte, Prozesse, Produkte, Dienstleistungen oder Problemstellungen, beziehen und Vorstellungen über die gewünschten Eigenschaften des Untersuchungsgegenstands enthalten.
Eine große Bedeutung bei der Dokumentation eines QM-Systems kommt dem Einsatz von Formularen zu, die in verschiedensten Bereichen des Qualitätsmanagements verwendet werden können.
Dokumente richtig verwalten
Qualitätsbezogene Unterlagen lediglich zu erstellen, um zur Funktionsfähigkeit eines QM-Systems beizutragen, reicht nicht aus. Sie müssen verteilt, genutzt und bei Bedarf geändert werden. Dies ist Aufgabe der Dokumentenverwaltung.
Da es sich bei der Erarbeitung einer QM-Dokumentation um ein komplexes und längere Zeit in Anspruch nehmendes Projekt handelt, sollte diese in mehreren Phasen erstellt werden, wobei sich in der Praxis folgende sieben Phasen bewährt haben:
- Phase 1: Bildung einer Projektgruppe
- Phase 2: Sammlung der qualitätsrelevanten Unterlagen
- Phase 3: Klärung von organisatorischen Fragen
- Phase 4: erster Entwurf
- Phase 5: Durchsicht und Prüfung des Entwurfs
- Phase 6: abschließende Bearbeitung des Textes
- Phase 7: Prüfung, Freigabe und Verteilung
In Abschnitt 7.5 fordert die ISO 9001:2015, dass die qualitätsrelevanten Dokumente und Aufzeichnungen zu lenken sind. Dafür sind entsprechende Lenkungsmaßnahmen festzulegen.
Hilfsmittel zur Dokumentenverwaltung
Ein wichtiges Hilfsmittel zur Lenkung von Dokumenten und Aufzeichnungen ist die Dokumententabelle, die sowohl von produzierenden Unternehmen als auch von Dienstleistungsanbietern genutzt werden kann. In einer Dokumententabelle werden alle internen und externen qualitätsbezogenen Dokumente sowie sämtliche Aufzeichnungen aufgeführt, die vom Unternehmen benötigt oder von der Norm gefordert werden.
Weitere wichtige Hilfsmittel zur Dokumentenverwaltung sind Zuordnungsmatrizen, mit denen Zusammenhänge und Schnittstellen zwischen den Elementen verschiedener qualitätsbezogener Kategorien dargestellt werden können.
Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens gehen immer auch mit Anpassungen der einschlägigen qualitätsbezogenen Dokumente einher. Alle Änderungen an der QM-Dokumentation sind in einer Änderungsliste aufzuführen.
Archivierung
Eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Dokumentenverwaltung besteht in der Archivierung der qualitätsbezogenen Unterlagen. Unter Archivierung wird die systematische Erfassung, Ordnung und Aufbewahrung der qualitätsbezogenen Dokumente und Aufzeichnungen verstanden.
Dokumentationscontrolling
Insbesondere in größeren Unternehmen bzw. Organisationen kann die Dokumentation des QM-Systems einen erheblichen Aufwand verursachen. Daher sollte im Rahmen eines Dokumentationscontrollings darauf geachtet werden, dass sich dieser Aufwand in einem akzeptablen Rahmen hält. Hier empfiehlt es sich, bestimmte dokumentationsbezogene Kennzahlen zu erheben und periodisch auszuwerten.
Papier ist keine Pflicht
Die ISO 9001:2015 eröffnet die Möglichkeit, dass die QM-Dokumentation nicht zwingend in Papierform zu erstellen und zu pflegen ist, sondern in jeder Form oder Art eines Mediums realisiert werden kann, also auch elektronisch.