20.09.2024

Quality Function Deployment (QFD) – diese Fehler sollten Sie vermeiden

Beim Quality Function Deployment (QFD) handelt es sich um eine Methode zur Analyse, Strukturierung und Visualisierung des Produktentwicklungsprozesses. In der QM-Praxis ist jedoch häufig zu beobachten, dass diese Methode nicht in geplanter Weise durchgeführt wird. Dies treibt nicht nur die Entwicklungskosten in die Höhe, sondern kann auch zu einem Verlust von Kunden führen. Sorgen Sie als Qualitätsverantwortlicher dafür, dass bei der Durchführung des QFD in Ihrem Unternehmen insbesondere die im Folgenden beschriebenen Fehler vermieden werden.

Kundenwünsche erkennen mithilfe von QFD

Fehler 1: keine Teamarbeit

Ziel der QFD ist es, die Kundenwünsche und -bedürfnisse, also die „Stimme Ihrer Kunden“ in konkrete Produktmerkmale zu transformieren, also in die „Sprache Ihrer Entwickler und Ingenieure“ zu übersetzen.

Dies gelingt jedoch nur in einem Team, in dem sowohl Mitarbeiter aus kundennahen (Marketing, Vertrieb, Kunden- und Außendienst) als auch aus techniknahen Bereichen (Entwicklung, Konstruktion, Fertigung) vertreten sind, die eng zusammenarbeiten und kurze Kommunikationswege nutzen können. Die QFD-Teams sollten aus sechs bis
acht Mitgliedern bestehen und von Ihnen oder einem anderen Moderator geleitet werden.

Achten Sie bei der Besetzung darauf, dass alle Teammitglieder mit der Methode vertraut sind.

Praxistipp

Idealerweise sollten Sie auch einen Vertreter Ihrer externen Kunden in das QFD-Team berufen, z. B. einen Einkäufer Ihres Kundenunternehmens.

Fehler 2: unsystematisches Vorgehen

Vielleicht kennen Sie das auch aus Ihrem Unternehmen: Entwicklungsprojekte sind schwammig und ungenau formuliert und es wird bei der Produktplanung unsystematisch und wenig kundenorientiert vorgegangen. Dabei ist es gerade bei der QFD wichtig, die Methode Schritt für Schritt abzuarbeiten.
Rufen wir uns die QFD-Systematik in Erinnerung:
Die QFD-Methode wird mithilfe des „House of Quality“ (HoQ) visualisiert. Dabei handelt es sich um ein Gefüge aus Tabellen und Matrizen („Zimmern“), die ein hausähnliches Aussehen aufweisen.
Innerhalb dieser „Zimmer“ führen Sie die neun Arbeitsschritte der Methode durch und entwickeln so sukzessiv das HoQ. Schritt 10 gehört im Grunde nicht mehr dazu, hier erfolgt die tatsächliche Auswahl.
Abbildung 1 zeigt die Arbeitsschritte und skizziert das „HoQ“, in dem die Nummern der Arbeitsschritte eingetragen sind.

Mit der QFD -Methode erstellte Matrix, das House of Quality (HoQ)
Abb. 1: Entwicklung des House of Quality (HoQ)

 

Fehler 3: ungenaue Erfassung der Kundenanforderungen

Im ersten Arbeitsschritt bei der Anwendung der QFD geht es für Sie darum, die Anforderungen Ihrer Kunden zu erfassen. Dies wird in der Praxis dadurch erschwert, dass sich Kunden oftmals schwer damit tun zu artikulieren, was sie wünschen oder von Ihrem Unternehmen fordern, denn:

  • viele Anforderungen sind ihnen gar nicht bewusst (latente Anforderungen),
  • sie sind nicht in der Lage, ihre Wünsche bzw. Anforderungen präzise genug zu formulieren,
  • sie nennen häufig bestehende, ihnen bekannte Lösungen und
  • sie formulieren vorausgesetzte Merkmale nicht.

Kundenanforderungen systematisieren – so geht’s

Bedenken Sie, dass jede konkrete Anforderung eines Kunden gegenüber einem Produkt ihre Wurzel auf einer abstrakten Ebene z. B. seinen Wertvorstellungen hat. Aus diesen unscharfen Vorstellungen können Sie nutzenorientierte Kundenwünsche ableiten, aus denen sich dann wiederum konkrete Kundenanforderungen ergeben, die an bestimmte Eigenschaften anknüpfen (siehe Beispiel).

Beispiel

Diese Systematik zur Ableitung von Kundenanforderungen soll anhand eines TV-Flachbildschirms verdeutlicht werden: Auf einer abstrakten, wertebezogenen Ebene wünscht der Kunde ein Fernseherlebnis. Als nutzenorientierter Kundenwunsch lässt sich daraus z. B. eine kinoähnliche Soundqualität ableiten, woraus dann ein bestimmter Raumklang, z.B. Dolby Surround, als konkrete Kundenanforderung gefolgert werden könnte.

Fehler 4: fehlende Priorisierung der Kundenanforderungen

Nicht alle Kundenanforderungen sind für die Kunden gleich wichtig. Daher besteht ein weiterer, nicht zu unterschätzender Fehler darin, auf eine Priorisierung von Kundenanforderungen zu verzichten (Arbeitsschritt 2). Um aus der Vielzahl der von Ihren Kunden artikulierten Wünschen und Bedürfnisse die 10 bis 15 wichtigsten herauszufiltern, ist eine Gewichtung der Kundenanforderungen nötig. Dafür eignet sich z. B. der paarweise
Vergleich. Dabei stellen Sie alle Kundenanforderungen in einer Matrix spalten- und zeilenmäßig gegenüber und bewerten alle Anforderungspaare, z. B. auf einer Dreierskala (9 = sehr wichtig, 3 = wichtig, 1 = weniger wichtig). Im Anschluss daran errechnen Sie für alle Anforderungen die Quersummen, aus denen Sie schließlich eine Rangfolge
entsprechend der Priorität bilden können.

Fehler 5: Wettbewerbsvergleich nicht aus Kundensicht

Verbreitet ist auch die Praxis, dass der im Arbeitsschritt 3 geforderte Wettbewerbsvergleich durch Ingenieure und Entwickler durchgeführt wird, mit der Begründung, dass diese sowieso besser wüssten, was der Kunde braucht und was nicht.
Dies ist gefährlich, da die „Stimme des Kunden“ so verloren zu gehen droht. Weil die Qualität dieses Arbeitsschritts Auswirkungen auf die nachfolgenden Arbeitsschritte hat, sollten Sie sicherstellen, dass der Wettbewerbsvergleich unbedingt durch Ihre Kunden selbst vorgenommen wird, z. B. mithilfe von Kundenbefragungen.

Fehler 6: Vernachlässigung von Innovationen

Im „Dach“ des HoQ haben Sie gemäß Arbeitsschritt 5 die Wechselwirkungen zwischen den Designmerkmalen und mögliche Optimierungsrichtungen aufzuzeigen. Vorsicht ist hier vor allem bei negativen Wechselwirkungen geboten, wenn sich also die Verbesserung eines Designmerkmals negativ auf ein anderes auswirkt. Negativen Wechselwirkungen sollten Sie anstelle von mehr oder
minder schlechten Kompromissen mit gezielten Innovationen in Richtung Produktverbesserung begegnen. Wenden Sie dazu Kreativitätstechniken an, die es Ihnen ermöglichen, aus Zielkonflikten und Widersprüchen neue Ideen zu generieren. Zu nennen sind hier insbesondere die Theorie des erfinderischen Problemlösens (TRIZ) und die widerspruchsorientierte Innovationsstrategie (WOIS) (siehe Beispiel).

Beispiel

Ein Sportwagenhersteller wird einen Zielkonflikt zwischen Kraftstoffverbrauch und Beschleunigung
eher in Richtung einer stärkeren Beschleunigung optimieren, wohingegen ein Hersteller
sparsamer Fahrzeuge wohl den Rückgang des Kraftstoffverbrauchs präferiert. Gelöst wurde
dieser Zielkonflikt mit einer innovativen Motorentechnik (z. B. elektronische Steuerung und Mehrventiltechnik).
Derartige Motoren erlauben eine stärkere Beschleunigung bei gleichzeitig sinkendem Kraftstoffverbrauch.
Elektromotoren dürften in Zukunft hier noch für eine weitere Optimierung sorgen.

Fehler 7: „Ungewöhnliche“ Korrelationsmuster

Bei der Erstellung der Beziehungsmatrix (Arbeitsschritt 6), können „ungewöhnliche“ Korrelationsmuster erkennbar werden, die Sie vermeiden sollten:

  • Leere Zeilen im Korrelationsfeld bedeuten, dass das technische Konzept Kundenanforderungen ignoriert.
  • Leere Spalten im Korrelationsfeld weisen darauf hin, dass Merkmale spezifiziert wurden, die der Kunde anscheinend nicht fordert. Hier besteht Einsparpotenzial. Das technische Konzept sollte so überarbeitet werden, dass eine ausgewogene Korrelation zwischen den Kundenanforderungen und den Merkmalen entsteht
  • Ähnelt das Korrelationsfeld einer Diagonalmatrix, könnte es sein, dass die Liste der Merkmale nicht auf einer schlüssigen Produktidee beruht und jeder Kundenanforderung ein Merkmal zugeordnet wurde, was dann bei der Realisierung Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Fehler 8: Keine Auswahlkriterien bei kritischen Designelementen

Im letzten Schritt bei der Anwendung der QFD geht es für Sie darum, die wichtigen und kritischen
Designelemente auszuwählen, die für die Verwirklichung der Verbesserung oder der Neuentwicklung
ausschlaggebende Bedeutung haben. Um hier eine adäquate Auswahl zu treffen, sollten Sie die
folgenden Auswahlkriterien berücksichtigen:

  • hohe Bedeutung der Kundenforderung,
  • im Konkurrenzvergleich hohe Chancen,
  • ein bis drei Produktmerkmale mit ausgeprägt hoher Gesamtbedeutung (A-Kriterien),
  • die A-Kriterien zeigen hohe Korrelation zu den wichtigsten Kundenforderungen,
  • die A-Kriterien korrelieren positiv mit den anderen Kriterien im Dach,
  • die A-Kriterien sind bezüglich ihres Schwierigkeitsgrades beherrschbar,
  • die A-Kriterien überwinden bisherige Probleme,
  • die notwendigen Investitionen sind rentabel.
Autor*in: Jens Harmeier