03.03.2017

Produktrückruf: So verhindern Sie Schlimmeres

Ob Autos, Elektrogeräte, Spielzeug oder Lebensmittel: Kaum ein Tag vergeht, an dem Hersteller nicht vor möglichen Gefahren ihrer Produkt warnen oder sie sich gar gezwungen sehen, diese zurückzurufen. Gründe dafür sind immer komplexere Anforderungen an Produkte, kürzere Produktzyklen und ein zunehmend höherer Stellenwert des Verbraucherschutzes bei den Kunden. Ein Produktrückruf ist nicht nur mit hohen Kosten verbunden, er führt auch zu einem Imageverlust, der für kleinere Unternehmen durchaus existenzgefährdend sein kann.

Produktrückrufe richtig durchführen

Warum Rückrufmanagement?

Aber nicht nur aus diesem Grund sollten auch Sie sich in Ihrem Unternehmen mit der Implementierung eines Rückrufmanagements beschäftigen. So fordert § 6 Abs. 2 des Produktsicherheitsgesetzes von Herstellern, Importeuren und Händlern, dass diese Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken durch Verbraucherprodukte ergreifen, was selbstverständlich auch Produktrückrufe mit einschließen kann.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass ein Produktrückruf auch von einer Behörde angeordnet wird, wenn Ihr Unternehmen nicht in der Lage ist, eigene Anstrengungen zur Gefährdungsreduktion nachzuweisen. Daher ist es Ihre Pflicht, Vorkehrungen zu treffen, um Produktfehler möglichst auszuschalten und Kontrollen durchzuführen, die eine frühzeitige Entdeckung eines Fehlers ermöglichen.

Außerdem haben Sie einen Prozess festzulegen, in dem Sie bestimmen, wie Sie im Falle eines Produktrückrufes vorgehen (Organisieren, Planen und Durchführen). Dieser Prozess sollte  fünf Schritte enthalten, die im Folgenden detailliert beschrieben werden.

Schritt 1: Rückrufplan erstellen

Kernelement des Rückrufmanagements ist ein Rückrufplan, der ein individuell auf Ihr Unternehmen zugeschnittenes Konzept für den Fall eines Produktrückrufes enthält. Er berücksichtigt verschiedene Szenarien, die zu einer Gefährdung führen können.

Ein Rückrufplan, der fortlaufend zu pflegen und zu aktualisieren ist, sollte mindestens folgende Elemente enthalten:

  • den Anwendungsbereich, also Produkte und Produktgruppen, Standorte und Funktionen, die von einem Rückruf betroffen sein könnten
  • die Kommunikationswege und die Kontaktdaten aller relevanten internen und externen Ansprechpartner,
  • eine Darstellung einer abgestuften Vorgehensweise in Abhängigkeit vom Grad der Gefährdung,
  • mögliche Sofortmaßnahmen, z.B. das Anhalten der Produktion, einen Vertriebsstopp oder die Sperrung von Lagerbeständen,
  • Anweisungen für Simulationen und Probeläufe zur Durchführung eines Rückrufs und
  • das Rückrufteam, welches bei einem Produktrückruf einzuberufen ist.

Wer gehört zum Rückrufteam?

Die Entscheidung für einen Rückruf und dessen Organisation erfolgt durch Ihr Rückrufteam, das aus der Unternehmensleitung und dem erweiterten Führungskreis Ihres Unternehmens gebildet wird. Das Team sollte neben dem Qualitätsmanagement insbesondere die Funktionen Entwicklung, Einkauf, Vertrieb, Kundenservice, Lagerverwaltung, Recht und Public Relations abdecken.

Die Leitung des Teams obliegt einem zu benennenden Rückrufkoordinator. Dies ist in kleineren Unternehmens oftmals der Geschäftsführer. Ggfs. können Sie auch Externe in das Rückrufteam berufen, z.B. einen Juristen. Wichtig ist, dass die Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Rückrufteam klar geregelt und schriftlich fixiert sind und dass eine Stellvertretungsregelung existiert. Ferner haben Sie eine permanente Erreichbarkeit des Rückrufteams sicherzustellen, z.B. durch einen Bereitschaftsdienst.

Schritt 2: Laufende Produktbeobachtung sicherstellen

Als Hersteller von Produkten stehen Sie in der Pflicht, Ihre Produkte von der Planung und Konstruktion über die Fertigung bis hin zur Nutzung durch Ihre Kunden im Hinblick auf mögliche Gefährdungen kontinuierlich zu beobachten.

Hinweise auf Auffälligkeiten finden Sie nicht nur bei Ihren internen Qualitätsprüfungen. Auch die Häufung von Reklamationen und das Bekanntwerden von Schadensfällen bei den Nutzern Ihrer Produkte geben Aufschluss über ein erhöhtes Gefährdungspotenzial.

Schritt 3: Auffällige Produkte bewerten

Stellen Sie bei Ihrer Produktbeobachtung fest, dass von einem Ihrer Produkte eine Gefahr für Ihre Kunden ausgeht, so sind Sie verpflichtet, diese im Hinblick auf Sicherheitsrisiken systematisch zu analysieren und zu bewerten.

Diese Untersuchung umfasst nicht nur eine Ursachenanalyse, sondern ferner die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer potenziellen Gefährdung und die Höhe eines möglichen Schadens. Dazu empfiehlt es sich, eine Klassifizierung in hohe, mittlere und Bagatell-Risiken vorzunehmen.

So dürften bei mittleren und Bagatell-Risiken Informationen über die korrekte bzw. sichere Verwendung, entsprechende Warnhinweise oder eine Anpassung der künftig ausgelieferten Produkte ausreichend sein.

Produktrückruf als ultimative Maßnahme

Aufgrund der hohen Kosten und der negativen Auswirkungen auf das Image Ihres Unternehmens sollte ein Produktrückruf immer die Ultima Ratio sein, wenn Sie andere Schaden verhütende Maßnahmen und/oder eine Warnung als nicht ausreichend bewerten, um Gefährdungen auszuschließen.

Ein Produktrückruf, verbunden mit dem Ergreifen von Sofortmaßnahmen, wird insbesondere bei einer hohen Wahrscheinlichkeit von Personenschäden, die durch Ihr Produkt verursacht werden können, unumgänglich sein. Er ist umso eher erforderlich, je

  • höher der drohende Verletzungsgrad,
  • höher die Zahl der betroffenen Teile oder Produkte,
  • größer der betroffene Personenkreis,
  • verletzungsanfälliger der betroffene Personenkreis,
  • wahrscheinlicher der Eintritt eines Schadens
    und je
  • schlechter die Erreichbarkeit der Nutzer ist.

 

Schritt 4: Rückrufdurchführung planen

Hat sich Ihr Rückrufteam zu einem Rückruf entschieden, so dürfen Sie jetzt keine Zeit verlieren. Informieren Sie unverzüglich Ihre Versicherung und die zuständige Aufsichtsbehörde, z.B. das Gewerbeaufsichtsamt, das Arbeitsschutzamt oder das Kraftfahrtbundesamt.

Nun entscheidet Ihr Rückrufteam, ob der Rückruf offen oder still durchgeführt werden soll: Ein stiller Rückruf kommt für Sie dann in Betracht, wenn es sich bei den auffälligen Produkten um geringe Stückzahlen handelt. Hier reicht in der Regel ein Anschreiben an Ihre Kunden oder Zwischenhändler, um diese zu warnen. Eine Schadensbehebung erfolgt dann oftmals im Rahmen der periodischen Instandhaltungsarbeiten.

Einen offenen Rückruf wählen Sie, wenn Sie eine Vielzahl von Endverbrauchern erreichen müssen. In diesem Fall wenden Sie sich z.B. mit Pressemitteilungen oder Zeitungsanzeigen an die Öffentlichkeit. Darüber hinaus hat Ihr Rückrufteam zu entscheiden, ob die auffälligen Produkte umgetauscht oder instandgesetzt werden sollen, was wiederum Auswirkungen auf die Planung der Fertigungskapazitäten und der Ersatzteilbeschaffung hat.

Kommunikationsstrategie festlegen

Um einen drohenden Imageschaden bei einem offenen Rückruf zu begrenzen, sollten Sie in der Öffentlichkeit in die Offensive gehen. Bestimmen Sie in einer Kommunikationsstrategie, wen Sie wann mithilfe welcher Medien informieren wollen, z.B. mit Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, Informationsflyern oder auf der Unternehmenswebsite.

Legen Sie alle Fakten offen, z.B. die Ursachen der aufgetretenen Fehler, mögliche Auswirkungen sowie getroffene Entscheidungen und Maßnahmen zur Fehlerbehebung. Verschweigen Sie keine wichtigen Informationen und kehren Sie nichts unter den Teppich. Zeigen Sie Bereitschaft, alle Fragen zu beantworten und richten Sie ggf. eine Hotline für Ihre Kunden ein.

Schritt 5: Rückruf durchführen und nachbereiten

Bei der anschließenden Durchführung sorgen Sie dafür, dass die auffälligen Produkte eingesammelt und entsprechend der Planung umgetauscht oder instandgesetzt werden.

Wichtig ist hier, dass Sie die unsicheren Produkte eindeutig kennzeichnen und die Lagerbewegungen ordnungsgemäß aufzeichnen. Eine Kennzeichnungspflicht gilt ebenso für geänderte und zu entsorgende Produkte. Stellen Sie sicher, dass jeder Rückruf in angemessener Weise dokumentiert wird.

Denken Sie auch an die Manöverkritik: Ist das Ergebnis zufriedenstellend? Konnte der Imageverlust in Grenzen gehalten werden? Hat die Krisenkommunikation geklappt? Wie lässt sich der Rückrufprozess verbessern?

Ein beispielhafter Prozess zum Rückruf von Produkten steht für Sie als Download bereit.

Autor*in: Jens Harmeier