Ohne Qualitätsbewusstsein keine Qualität
Im Qualitätsmanagement steht der Mensch im Mittelpunkt: Die erfolgreiche Umsetzung des Qualitätsmanagements ist von der Einstellung aller Beteiligten zur Qualität, ihrem Qualitätsbewusstsein und ihrer emotionalen Einbindung abhängig. Das thematisiert die ISO 9001:2015 im Abschnitt 7.3 Bewusstsein. Hier fordert sie, dass die Mitarbeiter (auch externe) sich der Qualitätspolitik und der Qualitätsziele des Unternehmens bewusst sein sollen, ebenso wie sie sich ihres Beitrags zur Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems bewusst sein sollen. Doch Qualitätsbewusstsein kann nicht verordnet werden, es muss in den Mitarbeitern wachsen und sich entwickeln. Doch wie kann man das Qualitätsbewusstsein im Unternehmen aktiv fördern?
Was ist eigentlich Qualität?
Es gibt zahlreiche offizielle und inoffizielle Definitionen von Qualität. Qualität definiert sich nach Regelwerken oder Erfahrungen. Qualität ist daher
- eine objektiv messbare und überprüfbare Größe oder
- eine individuell und subjektiv wahrgenommene Größe.
Das Qualitätsmanagement bezieht laut DIN EN ISO 9000 jeden Bestandteil eines Produkts oder einer Dienstleistung inklusive des Entstehungsprozesses in den Qualitätsbegriff ein: „Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter (einer Sache innewohnender) Merkmale Anforderungen erfüllt.“
Definitionen aus dem Unternehmensalltag beziehen sich oft auf Ergebnisse oder Auswirkungen von nachgewiesener und wahrgenommener Qualität:
- Imagegewinn und Wettbewerbsvorteile aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen (Gütesiegel „Made in Germany“)
- Brauchbarkeit („fitness for use“) und Zwecktauglichkeit („fitness for purpose“)
- Umsatz-, Gewinn- und Renditepotenziale (Bereitschaft des Kunden, als angemessen wahrgenommene Qualität zu honorieren)
- Kundenzufriedenheit und -begeisterung, Kundenbindung und -loyalität („Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt, nicht das Produkt“)
Wichtig: Qualitätsbewusstsein entscheidet über Qualität
Das Qualitätsbewusstsein entscheidet maßgeblich darüber, ob und in welchem Maße rechtliche, normative oder individuelle Qualitätsanforderungen in Form von gewichteten Einzelanforderungen erfüllt werden können.
Qualität entsteht, wenn die Summe der Einzelanforderungen an einen Prozess, ein Produkt oder eine Dienstleistung aus Sicht des Auftraggebers, Kunden oder Adressaten erfüllt wird. Dabei fallen einige Prozess-, Produkt- oder Dienstleistungsmerkmale mehr ins Gewicht als andere.
„Trotz aller Normen und Kontrollen schafft aber nur das Qualitätsbewusstsein qualitätsvolle Produkte und Dienstleistungen. (…) Alle Bemühungen um ‚corporate ethics‘ zielen daher darauf, ein gemeinsames Qualitätsbewusstsein heranzubilden“ konstatiert dazu Klaus-Dieter Zollondz. Dies wird besonders deutlich im Total Quality Management (TQM): Hier ist Qualität nicht nur ein Begriff, sondern ein Bewusstsein und ständiger Prozess, bei dem die Qualität zum Nutzen aller Mitglieder einer Organisation und der Gesellschaft im Mittelpunkt steht. TQM grenzt sich somit von der heute weitverbreiteten Sicht auf „other people’s money“ ab (Altruismus vs. Egoismus).
Dennoch muss sich Qualität im Wirtschaftsleben positiv auf Umsatz, Kosten und Gewinn auswirken, um sich selbst zu finanzieren und einen „Lohn“ für ernsthafte Qualitätsbemühungen und Innovationen zu generieren.
Damit Qualitätsbewusstsein im Sinne der DGQ-Initiative „Qualitätsleitbild für Deutschland“ (siehe hierzu die Sieben Leitthesen für Qualität auf der Homepage der DGQ) ein Prinzip der allgemeinen Wirtschaftskultur sein kann, muss bei Unternehmen, Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und in der Gesellschaft ein Konsens über die wirtschaftliche und ethische Notwendigkeit von Qualität bestehen. Dies kann mit der Bewusstseinsbildung von Meinungsführern und Entscheidern innerhalb und außerhalb der Unternehmen beginnen.
Qualität ist kein Selbstläufer: Qualität braucht Vorbilder und Unterstützer
Qualität und Qualitätsbewusstsein müssen durch Vorbilder und Unterstützer erzeugt, aufrechterhalten und verbessert werden.
Die unternehmens- bzw. wertschöpfungskettenweite Entwicklung von Qualität und Qualitätsbewusstsein ist eine strategische Führungsaufgabe der Geschäftsleitung (so muss die oberste Leitung gemäß DIN EN ISO 9001:2015 die Verantwortung für das QM-System übernehmen und kann diese nicht vollständig an eine andere Person – z.B. den QM-Beauftragten – delegieren). Qualität und Qualitätsbewusstsein müssen von der Geschäftsleitung voll unterstützt und unternehmensweit kommuniziert werden.
Der Aufbau und die wirksame Anwendung eines QM-System sind als Gemeinschaftsaufgabe vieler Interessengruppen zu sehen. Insbesondere
- müssen auch die operativen Mitarbeiter umfassend hierin eingebunden werden und
- es muss ein dauerhafter Kreislauf aus Planen, Umsetzen, Feedback, Lernen und Verbessern stattfinden.
Eine weitere Voraussetzung für die Entwicklung von Qualität und Qualitätsbewusstsein ist, dass ein anspruchsvolles Qualitätsmanagement durch anerkannte und starke Führungskräfte gegen Bedenkenträger und Verweigerer durchgesetzt, unterstützt und aufrechterhalten wird.
Der „Funke“ der Qualität muss überspringen
Die Entwicklung von Qualität und Qualitätsbewusstsein durchläuft mehrere Phasen, in denen Überzeugungsarbeit geleistet, Lernprozesse durchlaufen und Widerstände überwunden werden müssen. Hierzu passen die Aussagen des Zoologen und Ethologen Konrad Lorenz (1903–1989):
- Gesagt heißt nicht gehört.
- Gehört heißt nicht verstanden.
- Verstanden heißt nicht akzeptiert.
- Akzeptiert heißt nicht umgesetzt.
- Umgesetzt heißt nicht beibehalten.
Dementsprechend muss auch der „Funke“ der Qualität erst „zünden“ und auf das Gesamtunternehmen überspringen, bis er das Bewusstsein, Entscheiden und Handeln jeder Person im Unternehmen erreicht und vollständig durchdringt: Der Veränderungsprozess beginnt in der Regel bei einigen wenigen „Erneuerern“, die für ein umfassendes Qualitätsbewusstsein „brennen“. Sie müssen oftmals viele (begründete und unbegründete) Widerstände im Unternehmen überwinden, bis die sogenannte kritische Menge an Unterstützern erreicht ist (frühe Mehrheit). Sie hat eine Multiplikatorwirkung, mit deren Hilfe Veränderungen vorangetrieben werden und eine hohe Qualitätsdurchdringung des Unternehmens erreicht und aufrechterhalten werden kann.
Qualitätsbewusstsein in der obersten Leitung
Zur Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung gehört neben dem allgemeinen Management auch ein angemessenes Risiko-, Innovations-, Wissens-, Prozess- und Qualitätsmanagement, das sich auszeichnet durch:
- Unternehmergeist und Verantwortlichkeit
- Compliance in allen unternehmerischen und persönlichen Belangen
- wohlwollende und rechtzeitige Förderung von Führungskräften und Nachfolgern
- Rendite als sehr wichtiger, aber nicht wichtigster Antrieb der Unternehmensaktivitäten
Qualitätsbewusstsein bei Führungskräften
Qualitätsbewusste Führungskräfte zeichnen sich aus durch:
- Führung auf der Basis persönlicher, sozialer und fachlicher Kompetenz
- Führung am Ort des Geschehens, d.h. Wahrnehmung von Führungsaufgaben fernab des Schreibtischs am Ort der Wertschöpfung bzw. Zuarbeitung
- Führung als Mittel, Menschen zu helfen, das Bestmögliche zu erreichen; hierfür ist der laufende persönliche Austausch mit den Mitarbeitern über Fortschritte, Probleme und Unterstützungsbedarf (fachlich, menschlich, finanziell usw.) notwendig
- Machteinfluss und Gehaltshöhe als wichtige, aber nicht wichtigste Antriebe für die Führungsposition.
Die Mitarbeiter
Qualitätsbewusste operative Mitarbeiter zeichnen sich aus durch:
- intrinsische (von innen kommende) Verantwortungs-, Lern- und Veränderungsbereitschaft
- Engagement und (ehrlich gemeinte) Loyalität als „Lohn“ für gute Unternehmens- und Personalführung
- Mut zu eigenen Fehlern (zu stehen), Kollegialität und konstruktive Kritik an Missständen
- eigener Nutzen und Gehaltshöhe als wichtige, aber nicht wichtigste Antriebe für die Arbeit (hierdurch sehen sich Mitarbeiter einerseits nicht als Bittsteller, sind sich andererseits aber ihrer Bedeutung für das Unternehmen/Große und Ganze bewusst)
Eine verantwortungs- und qualitätsbewusste Mitarbeit baut stets auf gegenseitiger Wertschätzung (mindestens jedoch auf gegenseitigem Respekt) und einem guten Vertrauensverhältnis der Mitarbeiter zum Unternehmen, zur Geschäftsleitung, zu den direkten Vorgesetzten und zu den Kollegen auf.
Umsetzung von Leitbild, Politik und Strategie durch Visualisierung sicherstellen
Die visuelle Kommunikation von Leitbild, Politik und Strategie erleichtert den Transfer von theoretischen Normeninhalten und Vorgaben in die Unternehmenspraxis.
Die Zielkaskade ist ein Instrument der visuellen Kommunikation. Sie kann den Transfer des Leitbilds, der Politik und der Strategie(n) ins Unternehmen erleichtern und beschleunigen. Hierzu werden jedem messbaren Ziel konkrete operative Maßnahmen zugeordnet: Folgende Fragen dienen Mitarbeitern (und internen Kunden und Lieferanten) als Richtschnur:
- Wer ist für was verantwortlich?
- (Bis) wann soll was realisiert/umgesetzt werden?
- Wie soll das gemacht werden?
- Welche Ressourcen sind dafür notwendig?
- Wie kann die Zielerfüllung/das Ergebnis bewertet werden?
Die Instrumente der visuellen Kommunikation können zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit beitragen, da sie Leitbild, Politik, Strategie und Ziele sowie Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Zielerreichungsgrade verdeutlichen helfen. Dies ist essenziell für die Qualität von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen sowie das Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter.